Politik

10.03.2022

100 Milliarden Euro für die Rüstung: Ist das sinnvoll?

Ates Gürpinar (Linke) warnt vor einer Aufrüstungsspirale, die die Welt angesichts atomarer Waffen noch näher an den Rand des Abgrunds bringen könnte. Florian von Brunn (SPD) dagegen verweist auf den desolaten Zustand der Bundeswehr und betont: Man rüste sie nicht auf, sondern angemessen aus.

JA

Florian von Brunn,
Vorsitzender der BayernSPD und der Fraktion im Bayerischen Landtag

Mit Putins völkerrechtswidrigem Angriff auf die Ukraine hat sich die Sicherheitslage in Europa schlagartig verändert. In den baltischen Ländern, in Polen, der Slowakei und Rumänien geht nach der Invasion die nackte Angst um. In Finnland und in Schweden, dessen Luftraum russische Kampfjets bewusst verletzt haben, ist die Situation ähnlich. Alle wissen: Putin ist alles zuzutrauen. Das zeigt seine unverhohlene Drohung mit Atomwaffen. Deutschland muss daraus jetzt die Konsequenzen ziehen. Wir dürfen Freunde und Verbündete nicht im Stich lassen. Dazu gehört auch eine Stärkung der Bundeswehr. Das darf nicht der ausschließliche Weg sein. Das wissen wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten.
Wir werden weiter diplomatische Lösungen suchen. Das hat Olaf Scholz auch angekündigt. Aber das gelingt nur aus einer Position des Zusammenhalts und der Stärke. Denn wir haben aus der Geschichte auch gelernt, dass Appeasement-Politik keine Lösung ist und wir Diktatoren entschlossen entgegentreten müssen. Beim derzeitigen Zustand der Bundeswehr ist klar: Wir rüsten die Bundeswehr nicht auf, sondern wir rüsten sie angemessen aus. Allein die Auffüllung der leeren Munitionsvorräte wird rund 20 Milliarden Euro kosten. Übrigens: Unter Bundeskanzler Willy Brandt, der für die Entspannungspolitik steht, betrug der Anteil der Verteidigungskosten am Bruttoinlandsprodukt rund 4 Prozent!

Mit dem 24. Februar 2022 ist die Welt eine andere. Putin nimmt keine Rücksicht auf die Zivilbevölkerung. Die russische Armee führt einen verbrecherischen Angriffskrieg, greift mit Artillerie, Bomben und Raketen auch die Zivilbevölkerung an, Krankenhäuser und Schulen. Es gibt auch Hinweise darauf, dass Russland geächtete Waffen wie Streubomben und Vakuumbomben einsetzt. Wir können nicht tatenlos zuschauen, wie mutige Ukrainerinnen und Ukrainer allein ihre Freiheit gegen einen skrupellosen Despoten und seine Armee verteidigen. Ich halte die Lieferung von Defensivwaffen in dieser Ausnahmesituation deshalb für richtig.


NEIN

Ates Gürpinar,
MdB, Landessprecher der bayerischen Linken und Vizebundesvorsitzender der Partei

Über eine halbe Million Menschen waren in den vergangenen Tagen und Wochen auf der Straße, um für Frieden zu demonstrieren. Ausgerechnet am Tag der Berliner Demonstration kündigte Bundeskanzler Scholz ein beispielloses Aufrüstungsprojekt an: 100 Milliarden Euro sollen in die Rüstung fließen.

Die Dimension dieser Aufrüstung ist unvorstellbar: Laut einer Studie des damaligen Entwicklungsministers Gerd Müller (CSU) könnte mit der Summe die Ernährung der Welt gute acht Jahre gesichert werden. Zwölf Milliarden Euro seien laut der Studie von 2020 jährlich zusätzlich nötig.

Das Absurde daran ist: Die Rüstungsausgaben in Deutschland steigen schon seit Jahren, ein Teil der Aufrüstungspläne ist auch gar nicht neu. Nun aber verbinden Bundeskanzler und die Mega-Koalition von CSU bis Grüne die Aufrüstung mit der Angst der Menschen: Angesichts des völkerrechtswidrigen Angriffskriegs Putins auf die Ukraine ist Angst völlig nachvollziehbar. Entscheidend ist aber: Mit dem Geld wird unser Land nicht sicherer, im Gegenteil. Eine Aufrüstungsspirale hin zu einer bis an die Zähne bewaffneten Welt wird uns viel eher an den Rand des Abgrunds bringen. In einer Welt voller Atomwaffen sind es wenige Knöpfe, die auf einen Schlag die gesamte Gesellschaft vernichten. Knöpfe, die vor allem in vermeintlichen oder tatsächlichen Bedrohungssituationen schnell gedrückt sind.

Gänzlich neu ist die Verankerung der Bundeswehr-Investitionen in das Grundgesetz. Mit dem gleichzeitigen Einhalten der Schuldenbremse droht dann eine Militarisierung der Gesellschaft: Denn damit werden auf einen Schlag alle Versuche, andere Probleme anzugehen und wirksam zu lösen, unmöglich. Ob Pandemie, Klimawandel, Armut oder weltweiter Hunger: Das Geld wird fehlen.

Kurzum: 100 Milliarden Euro könnten sehr viele Probleme lösen. Die Investition in das Militär löst kein einziges, auf gar keinen Fall den Krieg in der Ukraine, und sie schafft auch keine Sicherheit für eine friedliche Welt. Das Projekt muss gestoppt werden.

Kommentare (0)

Es sind noch keine Kommentare vorhanden!
Die Frage der Woche
Vergabeplattform
Vergabeplattform

Staatsanzeiger eServices
die Vergabeplattform für öffentliche
Ausschreibungen und Aufträge Ausschreiber Bewerber

Jahresbeilage 2023

Nächster Erscheinungstermin:
29. November 2024

Weitere Infos unter Tel. 089 / 29 01 42 54 /56
oder
per Mail an anzeigen@bsz.de

Download der aktuellen Ausgabe vom 24.11.2023 (PDF, 19 MB)

E-Paper
Unser Bayern

Die kunst- und kulturhistorische Beilage der Bayerischen Staatszeitung

Abo Anmeldung

Benutzername

Kennwort

Bei Problemen: Tel. 089 – 290142-59 und -69 oder vertrieb@bsz.de.

Abo Anmeldung

Benutzername

Kennwort

Bei Problemen: Tel. 089 – 290142-59 und -69 oder vertrieb@bsz.de.