Politik

Bayerns Landwirtschaftsministerin Michaela Kaniber. (Foto: STMELF)

22.11.2019

"Alle Bauern müssen ökologisch denken"

Bayerns Landwirtschaftsministerin Michaela Kaniber (CSU) über Bauernzorn, die AfD-Klage gegen das Artenschutz-Versöhnungsgesetz und ihre Freude am Job-Trubel

Die 42-jährige Steuerfachfrau fungiert seit März 2018 als Landwirtschaftsministerin in Bayern. Dem Landtag gehört die aus Berchtesgaden stammende Mutter dreier Töchter seit 2013 an. Mit Agrarpolitik hatte sie zuvor wenig zu tun – mit Bauern sehr wohl. Die waren nämlich Stammgäste im elterlichen Gasthaus, wo Kaniber vor ihrem Einzug in den Landtag mithalf.

BSZ Frau Kaniber, geht der CSU mit den Landwirten gerade eine traditionelle Stammwählerschaft von der Fahne?
Michaela Kaniber Sicher hallt die Wut über die Debatte zum Artenschutz noch nach. Jetzt kommt es darauf an, wie wir das Artenschutzgesetz anwenden und in Verordnungen umsetzen. Wir haben unser Wort gegeben, dass dies für die Landwirte praktikabel sein wird und dass wir über Förderprogramme die Wirtschaftlichkeit sichern – dazu stehen wir. Außerdem arbeiten wir, wie am runden Tisch vereinbart, an einem Gesellschaftsvertrag, aus dem klar hervorgeht, dass nicht nur die Bauern für Klimaschutz und Erhalt der Artenvielfalt verantwortlich sind. Wenn uns das gelingt, bin ich überzeugt, dass wir das Vertrauen traditioneller Wähler behalten.

BSZ Wie bewerten Sie die Rolle der Freien Wähler, die als Partner im Ministerrat dem Artenschutzpaket zugestimmt haben und die Beschlüsse draußen im Land mitunter heftig kritisieren?
Kaniber Ich finde das schade, denn wir haben nach langer Abwägung gemeinsam den Weg gewählt, das Volksbegehren anzunehmen und durch das Versöhnungsgesetz zu ergänzen. Wir haben das auch deshalb gemacht, weil wir sonst bis zu einem Volksentscheid im Herbst die Bauernschaft einer sehr belastenden Diskussion ausgesetzt hätten. Und machen wir uns nichts vor: Wie wäre denn der Volksentscheid vor dem Hintergrund der aktuellen gesellschaftlichen Debatte um Arten- und Klimaschutz ausgegangen? Das kann sich jeder denken. Unser Anliegen aber war es auch, die Anliegen der Bauern zu würdigen und sicherzustellen, dass es vernünftige und praktikable Lösungen für sie gibt. Und wir haben die Belange des Artenschutzes auf weitere Rechtsbereiche ausgedehnt.

BSZ Dafür schwingt sich jetzt die AfD zum Bauern-Versteher auf ...
Kaniber Dass die AfD gegen das Volksbegehren und das Versöhnungsgesetz vor dem Bayerischen Verfassungsgerichtshof klagt, ist mehr als populistisch. Wir haben mit der Annahme des Volksbegehrens und dem Begleitgesetz die Lage befriedet, die AfD aber treibt wieder einen Keil in die Gesellschaft. Sie will spalten, wir wollen zusammenführen. Ich bin mir sicher, dass sich unsere Bauern nicht radikalisieren lassen.

BSZ Bayern ist führend bei der Förderung von Agrarumweltmaßnahmen. Trotzdem gibt es Artenschwund und zu viel Nitrat im Grundwasser. Muss die Agrarpolitik nicht insgesamt ökologischer werden?
Kaniber Bayern ist eine Art Blaupause dafür, wie sich Landwirtschaft und Ökologie in Einklang bringen lassen können. Wir können in Bayern zu Recht stolz auf unsere Landschaft sein und unser Grundwasser ist weit geringer belastet als in anderen Teilen Deutschlands. Wenn jeder so wirtschaften würde wie Bayern, hätten wir insgesamt weniger Probleme – was nicht heißt, dass wir nicht noch besser werden können.

"Nur wenn die Nachfrage da ist, kann Geld damit verdient werden"

BSZ Trotzdem ist in Bayern nicht alles gut, sonst wäre das Volksbegehren nicht so erfolgreich gewesen. Also: Mehr Ökologie in der Landwirtschaft?
Kaniber Ja und nein. Wir haben uns als Ziel gesetzt, bis 2030 einen Anteil von 30 Prozent Öko-Landbau in Bayern zu haben. Das ist wirklich sehr ambitioniert und wird von weiten Teilen der Bevölkerung begrüßt. Es ist aber wichtig, dass wir den ökologischen Landbau am Markt entlang entwickeln. Denn nur wenn die Nachfrage da ist, kann Geld damit verdient werden. Und somit steht für mich fest: Solange es den Markt für den Absatz von mehr ökologischen Produkten nicht gibt, treibe ich unsere Bauern nicht in die Umstellung.

BSZ Muss nicht auch die konventionelle Landwirtschaft auf neue gesellschaftliche Anforderungen reagieren?
Kaniber Das tut sie doch schon lange und wir unterstützen sie dabei. Ich stehe zu meiner Aussage, dass auch die konventionelle Landwirtschaft ökologischer und moderner werden soll. Zum Beispiel mit unserer Ackerbaustrategie oder durch geringeren Einsatz von Pflanzenschutzmitteln. Hier ist durch Sensortechnik und Digitalisierung vieles möglich.

BSZ Würden Sie sich vom Bauernverband wünschen, dass er solche Bemühungen offensiver unterstützt und weniger als Zumutung versteht?
Kaniber Der Bauernverband, vor allem Präsident Walter Heidl, hat sich am runden Tisch zum Artenschutz sehr konstruktiv eingebracht im Sinne einer Zukunftsvision für die Landwirtschaft. Und viele Landwirte sind dazu bereit, moderner und ökologischer zu werden, für noch mehr Tierwohl in den Ställen zu sorgen. Aber das gibt es nicht zum Nulltarif. Unsere Bauern sind bereit, ihre Produktionsweisen stetig zu verbessern. Gerade das sollte der Verbraucher endlich auch finanziell honorieren.

BSZ Auf europäischer Ebene wird gerade die Reform der gemeinsamen Agrarpolitik debattiert. Welche Forderungen stellt Bayern?
Kaniber Es muss sichergestellt sein, dass auch Nebenerwerbslandwirte weiterhin als vollwertige Bauern gelten und damit Anspruch auf Fördermittel haben. Davon sind in Bayern rund 60 Prozent unserer Landwirte betroffen. Und wir wollen den kleinen Familienbetrieben helfen, indem wir diese finanziell besser ausstatten. Auch eine noch bessere Junglandwirteprämie fördert die Hofnachfolger, sie ist eine Investition in die Zukunft. Außerdem akzeptieren wir eine Kappung der Fördergelder an Großbetriebe ab 100 000 Euro, deren Strukturen über die traditionelle bäuerliche Landwirtschaft hinausgehen. Die Degression greift ab 60 000 Euro.

"Man kann nicht alles über Fördertöpfe regeln"

BSZ Bei einer Anhörung im Landtag wurde mehrfach gefordert, die Agrarförderung von den Direktzahlungen an die Bauern in Richtung Förderung ökologischer und gesellschaftlicher Leistungen umzuschichten. Teilen Sie diese Einschätzung?
Kaniber Nur zum Teil, weil die Direktzahlungen für die Landwirte voll einkommenswirksam sind und bleiben müssen. Trotzdem ist es wichtig, in der Förderung mehr Agrarumweltmaßnahmen und mehr Tierwohl abzubilden. Man kann nicht alles über Fördertöpfe regeln. Wir müssen deshalb den Handel und den Verbraucher mehr einbeziehen.

BSZ Blicken wir in den Wald. Dort warnen Experten wegen des Klimawandels vor einem neuen Waldsterben. Sehen Sie die Lage ähnlich dramatisch?
Kaniber Ja, zumindest wenn man in den Norden und den Osten Bayerns blickt, wo die Hitze- und Trockenschäden der vergangenen beiden Sommer gewaltig sind. Dazu kommen regional Schneebruch und Sturmschäden. Alles führt dazu, dass sich Schädlinge extrem schnell ausbreiten.

BSZ Was ist zu tun?
Kaniber Mit dem Klimawald in den Staatsforsten bieten wir ein Vorbild für Privat-, Kommunal- und Körperschaftswaldbesitzer. Um diese noch besser zu unterstützen, überarbeiten wir gerade die Förderrichtlinien zum Waldumbau komplett und bauen das Beratungsangebot aus. Wir müssen dafür sorgen, dass auch der kleine Waldbesitzer trotz der Schäden und mancher Verluste motiviert bleibt und seinen Bestand nicht aufgibt.

BSZ Sie sind seit bald zwei Jahren im Amt. Hatten Sie erwartet, gleich an so vielen Fronten gefordert zu sein?
Kaniber Für mich war es schon eine große Herausforderung. Aber mein Klientel war mir vertraut. Ich komme vom Land, hatte schon immer viel mit Bauern zu tun – die waren ja alle Stammgäste bei uns daheim im Gasthaus. Aber die Verantwortung als Ministerin ist schon gewaltig. Kaum im Amt, kam gleich das Thema Düngeverordnung, kurz darauf der Borkenkäfer. Dann gab es beim Milchpreis eine Delle und ich fürchtete, die nächste Milchkrise kommt. Da schläft man schon unruhig. Ich bin aber gerne gefordert und brauche die Herausforderung. Wenn das Gefühl aufkommt, es bricht gerade alles über einen herein, dann habe ich die größte Motivation zu kämpfen. Wenn sich nichts rührt, finde ich es fast ein bisschen fad.
(Interview: Jürgen Umlauft)

Kommentare (1)

  1. Dieter L. am 26.11.2019
    Zu den Traktorprotesten der Bauern, angetrieben von den Lobbyisten des Bauernverbandes und der Chemieindustrie wäre anzumerken: Kein Verband ist so undemokratisch wie der Bauernverband.
    Ich bin hier in Mittelfranken auf dem Land und sehe wie es draußen aussieht. Kilometerweit Maisfelder,
    Unmengen Einsatz von Pestiziden, sinnloses abmähen von Ackerrändern (sofern es die noch gibt),
    Grünland, in dem nicht mal mehr Löwenzahn vorkommt, weil er weggespritzt wurde.
    Agrarsubventionen von 60 Mrd. Euro im Jahr für Agrarfabriken und Vernachlässigung der Biolandwirte im
    finanziellen Sinne. Kein Verband spielt sich so vom Täter zum Opfer auf wie dieser Verband.
    Solange mit neuesten Fendt Traktoren durch ganz Deutschland gefahren wird, kann es ja so schlecht um die Landwirtschaft nicht bestellt sein. Seinerzeit konnte man ja einmal im web nachlesen, was für Subventionen für jeden Landwirt nach Fläche ausbezahlt wurde. Hier liegt das Problem: Ackerfläche ist zum Spekulationsprodukt auf Kosten der artenreichen Natur verkommen. Aber die Jammerer jammern bei jedem abgebrochenen Maisstängel.

    Dieter Lamer, 91722 Arberg
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