Politik

Die Grundsteuer soll künftig anders berechnet werden. (Foto: dpa/Revierfoto)

15.11.2019

Alles easy? Von wegen – der Teufel steckt im Detail

Der Bundesrat hat den Weg frei gemacht für die Grundsteuerreform: Was bedeutet das konkret, wie geht es jetzt weiter – und ist künftig wirklich alles gerechter?

Dass Steuern über Jahrzehnte hinweg nicht angehoben werden, ist die Ausnahme. Wenn der Staat Geld braucht – und das braucht er eigentlich ständig –, sind Steuererhöhungen ein beliebtes Mittel. Insofern war es schon ein wenig verwunderlich, dass der für die Ermittlung der Grundsteuer maßgebliche Einheitswert auf Basis einer Feststellung von 1964 bisher unverändert blieb. Und 1964 betrifft nur die alten Bundesländer, in Ostdeutschland geht man sogar noch von einem Wert von 1935 aus.

Grundgedanke ist, dass Grundstücke und Gebäude Kosten für die Kommunen verursachen – zum Beispiel, um die Infrastruktur zu unterhalten. Die Eigentümer sollen diese Lasten mittragen. Dazu gibt es die Grundsteuer A für land- und forstwirtschaftliches Vermögen und die Grundsteuer B für bebaute oder bebaubare Grundstücke und Gebäude. Die Bemessungsgrundlage ist bundesweit einheitlich geregelt. Jede Kommune bestimmt aber mit einem Hebesatz die tatsächliche Höhe der Steuer.

Die Grundsteuer deckt etwa zehn Prozent der kommunalen Steuereinnahmen und ist damit eine wichtige Finanzierungsquelle. Die Einnahmen aus der Grundsteuer A lagen nach Angaben des Statistischen Bundesamts bundesweit bei rund 400 Millionen Euro. Die Grundsteuer B brachte etwa 13,3 Milliarden Euro. Die Grundsteuer B wird an die Mieter weitergegeben und ist Teil der Nebenkosten.

Beispiel Starnberg: hohe Immobilienpreise, geringe Hebesätze

Für jedes der mehr als 35 Millionen Grundstücke in Deutschland ist ein Wert festgelegt. Eigentlich sollte dieser alle sechs Jahre neu festgestellt werden, damit Veränderungen – etwa bei der Bausubstanz oder des sozialen Umfelds – berücksichtigt werden können. Das ist in Paragraf 21 des Bundesbewertungsgesetzes so festgelegt. Doch die Kommunen scheuten immer wieder den hohen Verwaltungsaufwand, der mit einer Neuberechnung zwangsläufig verbunden wäre.
Relativ unkompliziert lässt sich der Einheitswert für ein unbebautes Grundstück ermitteln. Die Quadratmeterzahl des Grundstücks wird mit dem entsprechenden Bodenwert aus dem Jahr 1964 multipliziert.

Komplizierter wird es, wenn das Grundstück bebaut ist. Dafür benutzen die Kommunen das sogenannte Ertragswertverfahren. Sie multiplizieren dafür die Jahresmiete, die ein Mieter im Jahr 1964 oder 1935 für ein gesamtes Jahr hätte entrichten müssen, mit einem Vervielfältiger. Dieser Vervielfältiger berücksichtigt wertmindernde und werterhöhende Faktoren wie beispielsweise Größe und Ausstattung des Hauses.

Die bisherige Regelung beanstandete im Frühjahr vergangenen Jahres das Bundesverfassungsgericht (BVG). Die verwendeten Werte seien „völlig überholt“ und führten zu „gravierenden Ungleichbehandlungen“ von Immobilienbesitzern, so die Karlsruher Richter. Mit Urteil vom 10. April 2018 erklärte der Erste Senat des BVG die Regelung für verfassungswidrig und forderte eine Neuregelung bis zum 31. Dezember 2019. Am 1. Februar 2019 einigte sich Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) mit den Finanzministern der Länder auf ein Modell, bei dem fortan die Grundstückswerte, das Alter von Gebäuden und die durchschnittlichen Mieteinnahmen zur Berechnung herangezogen werden. Der Bundestag stimmte bereits im Oktober der Neuregelung zu, mit den Stimmen der schwarz-roten Koalition sowie von Grünen und FDP. Die Zweidrittelmehrheit war notwendig, weil die Neuregelung eine Änderung des Grundgesetzes notwendig machte. Der Bundesrat stimmte dann am vergangenen Freitag zu.

Zwei Beispiele aus den beiden oberbayerischen Kreisstädten Starnberg und Eichstätt verdeutlichen, was das Bundesverfassungsgericht konkret beanstandete. Obwohl Starnberg als die Kommune Bayerns mit den höchsten Immobilienpreisen gilt und mit Bergen und Seen eine beliebte Touristendestination ist, müssen die Eigner dort im Verhältnis weniger für ihre Immobilien zahlen als im primär landwirtschaftlich geprägten Eichstätt. In der Promi-Kommune wird ein Hebesatz von 350 angewandt, in der Bischofsstadt sind es dagegen 400. Das bedeutet, der Einheitswert von 1964 – und damals lagen die Immobilienpreise in beiden Kommunen viel näher beieinander als heute – wird in Starnberg mal 3,5 und in Eichstätt mal 4,0 genommen. Im noch ärmeren Hof übrigens sogar mal 4,1.

„Wir haben zwar eine der niedrigsten Arbeitslosenraten im Freistaat, aber keine bedeutenden Gewerbesteuerzahler“, sagt Peter Puchtler, Leiter des Eichstätter Steueramts. Und die erwerbsfähigen Eichstätter haben zwar meistens einen Job, verdienen aber weniger als die Starnberger. Insofern fällt auch der kommunale Anteil an der Einkommensteuer in beiden Städten unterschiedlich aus.

In Starnberg denke man aktuell nicht daran, die Hebesätze zu erhöhen, teilte Stadtsprecherin Lena Choi auf Nachfrage mit. In Eichstätt zwar auch nicht, aber man war ja bereits im vergangenen Jahr dazu gezwungen, so Peter Puchtler. „Uns fehlten die Einnahmen aus den Straßenausbaubeiträgen.“
Die Bundesländer können jetzt entscheiden, ob sie künftig die Berechnungsmethode des Bundesfinanzministeriums nutzen oder eine eigene entwickeln. Das neue Bundesmodell stützt sich weiterhin auf den Wert und auf die Fläche einer Immobilie. Einigen Ländern wie Bayern ist das angeblich zu aufwendig, sie wollen deshalb allein die Fläche einer Immobilie für die Berechnung heranziehen. Auf Druck Bayerns gibt es daher eine Öffnungsklausel, sodass Länder vom Bund abweichen und eigene Modelle anwenden können.

Bayerns Finanzminister Albert Füracker (CSU) klopft sich deshalb auf die Schulter. „Das ist gelebter Föderalismus! Wir werden ein Landesgesetz auf den Weg bringen, um unser wertunabhängiges Einfach-Grundsteuermodell einzuführen“, verkündet der Kassenwart des Freistaats. Ein Vorteil dieser Lösung sei, so Füracker, dass so nicht alle paar Jahre die Mieten automatisch anstiegen und der Druck auf den Mietmarkt in den Ballungszentren weiter zunimmt.

Grundsätzlich hat Füracker damit recht. Die von ihm favorisierte Lösung führt aber auch dazu, dass Grundstückseigner am Starnberger See weiter dabei zuschauen können, wie sich der Wert ihrer Immobilien stetig erhöht und sie deshalb trotzdem nicht mehr Grundsteuer bezahlen müssen. Sozial gerecht im Sinne „Reiche stärker zur Kasse zu bitten“ ist das nicht.

Fürackers durchgesetzte Öffnungsklausel stößt auf Enttäuschung beim deutschen Städtetag. „Das haben wir uns nicht gewünscht“, sagt Hauptgeschäftsführer Helmut Dedy. „Wir hätten eine bundesweit einheitliche Grundsteuer bevorzugt.“ Im Vordergrund stand für den kommunalen Spitzenverband aber immer, dass diese Einnahmequelle langfristig gesichert wird.

Die neue Grundsteuer wird ab dem Jahr 2025 erhoben – Probleme gibt’s weiterhin

Um ausschließlich Mieter in den Metropolen zu schützen, könnte sich Bayern theoretisch auch für das Modell des deutschen Mieterbunds entscheiden. Der soziale Interessenverband sieht vor, die Grundsteuer ausschließlich als Bodensteuer zu gestalten. Das würde Spekulationen verhindern und den Wohnungsbau in den Städten fördern, weil kaum noch jemand ein geeignetes Grundstück unbebaut ließe. Mieter in Mehrfamilienhäusern würden entlastet, Besitzer von Einzelhäusern belastet. Das will der Minister aber nicht.

Die neue Grundsteuer wird erstmals im Jahr 2025 erhoben. Bis dahin gilt das alte Recht weiter. Die lange Umsetzungszeit ist notwendig, weil alle rund 35 Millionen Grundstücke in Deutschland neu bewertet werden müssen. Das akzeptiert auch das BVG. Die neue Grundsteuer wird kostengünstiger zu ermitteln sein als bisher, da viele Pauschalwerte verwendet werden und auf vorhandene Datenbestände zurückgegriffen werden kann.

Beim Institut der deutschen Wirtschaft in Köln sieht man aber schon wieder neue Konfliktfälle aufkommen – etwa beim Aspekt des Alters eines Gebäudes. Je älter, desto weniger ist es in der Regel wert: So einfach funktioniert das nicht immer. Ein architekturhistorisch wertvolles Haus aus der Gründerzeit vor 100 Jahren beispielsweise ist nun mal mehr wert als ein Durchschnittshaus aus den 1980er-Jahren.
(André Paul)

Kommentare (2)

  1. wuerzimann am 31.08.2020
    Die bayerische Lösungsvariante über die Länderöffnungsklausel dürfte von allen vorgeschlagenen Möglichkeiten noch die einfachste, transparenteste und gerechtetste sein. Aber: wenn man die massiven Anhebungen der Hebesätze in vielen Kommunen, z.T. auch bedingt durch Einnahmeausfälle und damit verbundene Haushaltsprobleme der Kommunen sieht, bleibt abzuwarten wie die Kommunen die Gestaltung ihrer Hebesätze vornehmen. Es war schon immer so, dass die Kommunen Haushaltslöcher durch die Anhebung von Steuer, Gebühren und Beiträgen die Bürger zur Kasse bitten. Das dürfte die Belastung des Bürgers weiter erhöhen, obwohl der BRD-Bürger lt. OECD-Bericht schon neben Belgien die höchste Belastung zu tragen hat. Die wirtschaftlichen Auswirkungen auf Konsum und Kaufkraft bleibt abzuwarten.
  2. BIBN am 16.11.2019
    Die Beschlüsse zur GrSt-Reform zeigen mehr Ungereimtheiten und erhebliche Mängel. DieGegen-Finanzierung ist nicht gesichert. Ein mehr als wieder mal ein fauler Kompromiss. Die Umsetzung bei der Nutzung der Öffnungsklausel wird noch viel Kopfzerbrechen verursachen. Es ist zu bezweifeln, ob die Neuregelung im Bund verfassungsgemäß ist. Eins ist sicher: die Bürger werden weiter belastet. Die Abzocke nimmt kein Ende. In vielen Kommunen ist der Hebesatz, das Manipulationsinstrument der Kommunen, bereits z.T. drastisch angehoben worden. Es bleibt abzuwarten, ob die Zusage der POlitik "keine höhere Steuerbelastung bei der Grundsteuer B" in Bayern eingehalten wird.
    www.buergernetzwerk-bayern.de
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