Politik

Der Schweinsbraten könnte 2024 in vielen bayerischen Wirtshäusern um knapp 40 Prozent teurer sein als vor fünf Jahren. (Foto: dpa/Victoria Bonn-Meuser)

01.09.2023

Angst vor der Kostenexplosion

Die Preise in der Gastronomie drohen nächstes Jahr noch drastischer zu steigen

Essen gehen wird immer mehr zum Luxus. 2019 kostete der Schweinsbraten mit Knödel und Sauerkraut im Münchner Hofbräuhaus zum Beispiel noch 12,90 Euro. Durch Pandemie, Energiekrise, Inflation und höhere Mindestlöhne sind es mittlerweile 15,90 Euro. 2024 könnte der Preis auf stolze 17,68 Euro steigen – eine Erhöhung um 37 Prozent in fünf Jahren.

Grund: Die Ampel-Regierung hat angekündigt, den ermäßigten Mehrwertsteuersatz von 7 Prozent auf Speisen nicht zu verlängern. Die Regelung wurde im Juli 2020 wegen der Zwangsschließungen durch Corona befristet eingeführt. Dadurch würden nächstes Jahr auf einen Schlag alle Gerichte um 13 Prozent teurer.

„Eine Steuererhöhung wäre eine Katastrophe für die Gastronomie und würde zu einem Preisschock für die Gäste führen – mit fatalen Folgen“, sagt eine Sprecherin des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbands (Dehoga). 7,2 Prozent der Restaurants, Wirtshäuser und Cafés müssten dann einer bundesweiten Dehoga-Umfrage zufolge dauerhaft schließen – allein in Bayern wären das 2400. Weitere würden mit zeitlichem Verzug folgen, ist der Verband überzeugt. Dabei hätten im Freistaat schon während der Pandemiezeit über 6500 Betriebe aufgegeben, insbesondere im ländlichen Raum. Dort war die Dorfgaststätte oft der einzige öffentliche Treffpunkt.

SPD: Branche hat sich positiv entwickelt

Die SPD im Bundestag sieht dennoch die Zeit für ein Auslaufen der Regelung gekommen. „Die Krisenmaßnahmen haben gewirkt und die Branche hat sich positiv entwickelt“, sagt deren finanzpolitischer Sprecher aus München, Michael Schrodi. Außerdem koste der ermäßigte Umsatzsteuersatz die öffentliche Hand jedes Jahr 3,3 Milliarden Euro. Viel Geld, wenn die ökonomischen Effekte „fraglich“ sind und die ermäßigte Mehrwertsteuer viel Bürokratie verursacht, finden auch die Bundes-Grünen. Die FDP fordert ebenfalls die Rückkehr zur Schuldenbremse, „was genauso herausfordernd für den Staat ist wie für jeden Privathaushalt oder Betrieb“, sagt der Bundestagsabgeordnete Till Mansmann der Staatszeitung.

Bayerns Dehoga-Chef Thomas Geppert nennt die Kosten für die öffentliche Hand eine „Milchmädchenrechnung“. Wenn Betriebe schließen müssten, würden sie schließlich gar keine Umsatzsteuer mehr abführen. Zudem subventioniere der Staat beispielsweise allein das neue Werk des US-Chipherstellers Intel für 10 000 Beschäftigte mit 10 Milliarden Euro. Dagegen seien 3,3 Milliarden für die bundesweit eine Million Menschen in der Gastronomie vergleichsweise günstig. Für den Abbau der Bürokratie wäre laut Geppert der ermäßigte Mehrwertsteuersatz besser geeignet. Schließlich würden für Essen an Stehtischen oder bei Bestellungen zum Mitnehmen auch nur 7 Prozent fällig. Tatsächlich hat der Bundesrechnungshof schon im Jahr 2010 eine Vereinheitlichung angemahnt.

Neben der Opposition fordern inzwischen auch immer mehr Ampel-Bundestagsabgeordnete eine Fortsetzung der Corona-Sonderregelung für die Gastronomie. Offen dafür sprechen sich zum Beispiel die SPD-Vorsitzende Saskia Esken und die Oberpfälzerin Marianne Schieder (SPD) aus. Der Oberpfälzer Stefan Schmidt (Grüne) befürchtet ebenfalls Betriebsschließungen, sollte keine Lösung gefunden werden. Eine solche könnte aus Sicht seiner Fraktionskollegin Carla Kniestedt zum Beispiel eine einheitliche Mehrwertsteuer von 12 Prozent für alle Speisen sein. Selbst aus der FDP kommen Rufe nach einer – zumindest vorübergehenden – Verlängerung.

Falsches Signal

In Bayern will im Landtagswahlkampf keine Partei mögliche Wählerstimmen durch eine Forderung nach einer Mehrwertsteuererhöhung verlieren. CSU-Chef Markus Söder nannte das Vorhaben „ein falsches Signal für unser Land“. Hubert Aiwanger (Freie Wähler) warnt als Wirtschaftsminister schon seit Monaten vor einem solchen Schritt. Er spricht sich sogar dafür aus, den reduzierten Satz auf Getränke auszuweiten. Der bayerische SPD-Landtags-Spitzenkandidat Florian von Brunn plädierte ebenfalls für eine Verlängerung und die Grünen im Maximilianeum fordern mehr Unterstützung und Entlastung für Gasthäuser – wie genau, lassen sie allerdings offen.

Ob die Erhöhung kommt oder nicht, entscheidet sich laut Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) erst am Jahresende. Zuvor müsse der Haushaltsentwurf abgewartet und geschaut werden, „ob der Bundestag Geld habe oder nicht“. Bei einer Verlängerung müsste auch noch der Bundesrat zustimmen. So lange können die Menschen in der Gastronomie nicht mehr warten. Wie sollen sie jetzt für das nächste Jahr planen, wenn sie keine verlässliche Kalkulationsgrundlage haben? So lange bleibt ihnen nur der Zweckoptimismus von Bayerns Dehoga-Chef Geppert. Er glaubt: „Die 7 bleibt.“
(David Lohmann)

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