Politik

Ministerpräsident Söder hat das Thema Föderalismus entdeckt – auch seinem politischen Ziehvater Edmund Stoiber war das wichtig. (Foto dpa/ Bernd von Jutrczenka)

15.02.2019

Auf Stoibers Spuren

Markus Söder fordert mehr Länderrechte – ist das sinnvoll?

Eigentlich zählte Bayern mal zu den Ländern, die den Föderalismus hochhielten. Unter Horst Seehofer indes hatte der Kampf für Länderrechte nicht gerade oberste Priorität – der Bund zog zuletzt diverse Kompetenzen an sich. Geht es nach Markus Söder, soll damit jetzt Schluss sein.

Möglicherweise lag Seehofers Fixiertsein auf deutschlandweite Lösungen daran, dass er lange Zeit Bundespolitiker war. Jedenfalls fiel auf, dass er den Furor von Bayerns Ex-Ministerpräsident Edmund Stoiber für mehr Länderrechte nicht teilte. Tatsächlich wurden in den vergangenen zehn Jahren zahlreiche Länderkompetenzen an den Bund übertragen. Und das trotz der im Jahr 2005 verabschiedeten Föderalismusreform, die eigentlich die Länderrechte stärken wollte.

So blieb der lautstarke Protest Bayerns aus, als 2015 beschlossen wurde, dass Bund und Länder in bestimmten Bereichen der Wissenschaftsförderung stärker kooperieren können – etwa beim Bau von Forschungseinrichtungen. Oder als die Zuständigkeit für Planung und Bau von Fernstraßen im Jahr 2016 auf den Bund überging – auch Bayern hatte zugestimmt. Kompetenzmehrungen des Bundes gab es in zahlreichen anderen Bereichen, darunter der Digitalisierung der öffentlichen Verwaltung oder der Steuerverwaltung. Einzelne Länder protestierten zwar gegen ihren Machtverlust, aber als der Bund finanzielle Kompensationen anbot, verstummte das Wehklagen.

Der Bund erkauft sich Machtzuwächse mit Geld - den klammen Ländern ist's recht

Den Mechanismus, dass sich der Bund Machtzuwächse mit Geld erkauft, verlangt Söder nun, „müssen wir durchbrechen“. Dazu sollten die Länder finanziell gestärkt werden, etwa indem Einnahmen aus der Umsatzsteuer zwischen Bund und Ländern anders  verteilt werden. Was Söder außerdem vorschwebt: dass Länder, die das wollen, eigene Kompetenzen bekommen, während andere Länder, die das wegen Geldmangels nicht wünschen, den Bund bei bestimmten Aufgaben um Hilfe bitten können. Bayerns Grüne wittern hier bereits einen „Zwei-Klassen-Föderalismus“, der arme Länder benachteilige.

Mit Blick auf das föderale System gab es zuletzt Riesenstreit beim geplanten Digitalpakt für Schulen. Im Rahmen dieses Paktes sollten fünf Milliarden Euro an die Länder fließen, damit diese WLAN und Tablets finanzieren können. Weil Bildungspolitik Ländersache ist, sollte das Grundgesetz geändert werden, damit diese Finanzspritze des Bundes möglich wird. Wobei 5 Milliarden nur auf den ersten Blick viel Geld sind: Umgerechnet auf alle Schulen lassen sich damit zwei Tablets pro Klasse finanzieren. Derzeit liegt der Digitalpakt-Gesetzentwurf der Großen Koalition beim Vermittlungsausschuss von Bundestag und Bundesrat.

Gibt's jetzt eine Allianz Söder-Kretschmann?

Doch was ist eigentlich so schlimm, wenn der Bund mehr Einfluss erhält? Immerhin ist die Kleinstaaterei etwa in der Schulpolitik keineswegs nur vorteilhaft. Was man daran sieht, wie kompliziert es ist, wenn eine Familie mit schulpflichtigen Kindern innerhalb Deutschlands umzieht.

Föderalismusbefürworter argumentieren, dass man differenzieren müsse. Bayerns früherer Justizminister Winfried Bausback, Vizechef der Landtags-CSU, sagt: „Zentralisierung ist nicht per se positiv oder negativ.“ Man müsse das immer vor dem Hintergrund der jeweiligen Aufgabe betrachten. Grundsätzlich erkennt auch er „eine klare Tendenz zur Zentralisierung“. Jeder einzelne Schritt, räumt Bausback ein, könne durchaus begründet werden. „In der Gesamtschau aber ist die Entwicklung bedenklich.“ Es wäre fatal, wenn die Länder zunehmend „zu Verwaltungseinheiten des Bundes degradiert würden“.

Die Politikwissenschaftlerin Ursula Münch, Direktorin der Akademie für Politische Bildung, hält den Föderalismus auch aus anderen Gründen für schützenswert, die sie aus der Historie herleitet: Machtmissbrauch, so Münch, „trat bestimmt nicht zufällig immer in unitarischen/zentralistischen Systemen wie der NS-Herrschaft oder der DDR auf.“ Der Föderalismus stellt für Münch „eine besonders wirksame Form der Gewaltenteilung dar und kann zudem garantieren, dass politische Fehler zum Beispiel in der Bildungspolitik ’nur’ in einem Land, aber nicht im ganzen Staat gemacht werden.“

Als erster Landespolitiker hat im vergangenen Jahr Baden-Württembergs grüner Ministerpräsident Winfried Kretschmann Protest erhoben gegen die wachsende Machtgier des Bundes. In einer viel beachteten Wutrede vor dem Bundesrat wetterte er gegen die „Aushöhlung des Föderalismus“ und klagte darüber, wie sich die Länder einlullen ließen vom „süßen Gift“ staatlicher Gelder.

Bereits vor 15 Jahren hatte Kretschmann an der Seite Edmund Stoibers für die große Föderalismusreform gekämpft. Mal sehen, ob daraus nun eine Allianz Kretschmann-Söder wird. (Waltraud Taschner)

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