Politik

Auch der Tegernsee war vom Hochwasser betroffen, wenngleich nicht annähernd so schlimm wie andere Regionen. (Foto: dpa/Sabine Dobel)

23.07.2021

Bayern als grüne Insel?

Söder will den Freistaat im Alleingang bis 2040 klimaneutral machen

Als Markus Söder seine Regierungserklärung zum Klimaschutz beginnt, haben viele noch die Bilder von den verheerenden Flutkatastrophen der vergangenen Woche vor Augen. Der Ministerpräsident redet also nicht von irgendwann drohenden Gefahren. Selten wurde eine schon vor Wochen angekündigte Rede so dramatisch von der Aktualität eingeholt. Erst die Dürre- und Hitzeperioden der jüngsten Sommer, jetzt die massiven Überschwemmungen in Teilen Frankens und die Sturzfluten im Berchtesgadener Land – „Bayern ist besonders betroffen vom Klimawandel“, stellt Söder fest. Man stehe an der „Schwelle epochaler Veränderungen“. Ein „Klimaruck“ sei nötig. Denn, sagt Söder: „Wer die Klimaveränderung leugnet, versündigt sich an der nächsten Generation.“

Söder blättert vor den Abgeordneten ein umfassendes Maßnahmenpaket auf. Er tut es unter dem Eindruck der jüngsten Katastrophen, aber nicht ganz freiwillig. Denn eigentlich hat der Landtag erst im vergangenen Herbst ein – zumindest nach Ansicht der Regierungskoalition – wegweisendes Klimaschutzgesetz verabschiedet. Bis das Bundesverfassungsgericht im Frühsommer Bund und Länder ermahnte, beim Klimaschutz schneller und konkreter zu werden. Söder muss also nachlegen, und er tut es ambitioniert. Bis 2040 soll der Freistaat nun klimaneutral sein, so soll es im überarbeiteten Klimaschutzgesetz stehen, dessen von Umweltminister Thorsten Glauber (Freie Wähler) erarbeiteter Entwurf allerdings in der Staatskanzlei noch immer unter Verschluss liegt.

Für das ergänzende Klimaprogramm nennt Söder 50 Maßnahmen vom Ausbau der erneuerbaren Energien über natürliche Kohlendioxidspeicher und klimagerechtes Bauen bis hin zur Forschung. Im kommenden Jahr soll dafür eine Milliarde Euro ausgegeben werden – Glauber hatte kürzlich das Doppelte gefordert –, bis 2040 insgesamt 22 Milliarden. Konkret kündigt Söder Ausnahmen von der 10H-Abstandsregel für Windkraftanlagen an und einen deutlichen Ausbau der Photovoltaik (PV). Eine PV-Pflicht auf Dächern von Neubauten wird es aber nicht geben, sie scheitert vorerst am Veto von Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler). Söder will nun versuchen, sie über den Bund durch die Hintertür doch einzuführen.

Bei der klimagerechten Ausgestaltung der Mobilität setzt Söder weiter auf das Auto. „Bayern ist Autoland und wird es auch bleiben“, betont er. Er setzt auf Innovation statt Verbote. Das helfe dem Klima und schaffe Arbeitsplätze. Auch der öffentliche Nahverkehr soll weiter ökologisiert werden. Ziel sei, bis 2040 alle Busse und Bahnen klimaneutral anzutreiben. Um ökologischer zu bauen, soll der staatliche Hochbau weitestgehend auf Holz umgestellt werden. Für Kommunen und private Bauträger kündigt Söder Förderprogramme an.

FDP: Klimapolitik braucht internationale Bündnisse

Während die Redner der Regierungskoalition das Werk loben, bleibt die Opposition skeptisch. Grünen-Fraktionschef Ludwig Hartmann entdeckt erneut zu viele Ankündigungen. Womit sich der Eindruck bestätige, die Klimaschutzpolitik der Regierungskoalition bestehe aus „Verschleppen, Verzögern und Verhindern“. „Ohne Veränderung wird Klimaschutz nicht funktionieren“, mahnt Hartmann. Die jüngsten Flutkatastrophen hätten gezeigt, wie sehr die Zeit dränge. So sieht das auch SPD-Fraktionschef Florian von Brunn. „Jetzt unterlassene Investitionen in den Klimaschutz sind die künftigen Schulden unserer Kinder und Kindeskinder“, sagt er und fordert das Aus von 10H und eine umfassende Mobilitätswende. Die Mehrkosten für den Klimaschutz müssten für Menschen mit geringem Einkommen sozial abgefedert werden.

FDP-Fraktionschef Martin Hagen nennt Söders Klimapolitik „kleinteilig, teuer und ineffizient“. Söder müsse den „Irrweg der Symbolpolitik“ verlassen. Bayern im Alleingang bis 2040 klimaneutral zu machen, sei „ohne jeden Effekt auf das globale Klima“. Es brauche mehr internationale Kooperation und eine Stärkung des europäischen Emissionshandels.

Für Katrin Ebner-Steiner (AfD) ist die Umstellung auf erneuerbare Energien ein „Selbstbetrug“, der wegen hoher Energiekosten die Deindustrialisierung Bayerns zur Folge habe. Statt fragwürdigen Klimazielen nachzujagen, brauche es günstigen Strom aus Kernkraftwerken und für eine Übergangszeit eine „saubere Kohleverstromung“. Und als Einzige behauptet Ebner-Steiner, dass ein Kausalzusammenhang zwischen den aktuellen Flutkatastrophen und dem „angeblich menschgemachten Klimawandel“ nicht nachweisbar sei . (Jürgen Umlauft)

 

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