Die Corona-Impfung geht in die dritte Runde. Bislang erhielten in Bayern rund 95 000 Menschen eine Auffrischung. Gut 45 400 ließen sich bis Ende September in einer Fach- oder Hausarztpraxis den dritten Pieks geben, darunter 37 500 über 60-Jährige, wie ein Sprecher der Kassenärztlichen Vereinigung Bayerns (KVB) berichtet. Bundesweit haben laut Robert Koch-Institut bereits rund 675 900 Menschen die Booster-Impfung bekommen.
Die Ständige Impfkommission (Stiko) in Deutschland empfiehlt die Auffrischung bisher nur für Immungeschwächte. Anfang dieser Woche hat nun aber die Europäische Arzneimittel-Agentur EMA grünes Licht für die Auffrischungsimpfung gegen Corona für alle Menschen über 18 Jahre gegeben. Auch sie empfiehlt den Booster mit Impfstoffen von Biontech oder Moderna zwar vor allem Menschen mit Immunschwäche, da bei dieser Gruppe der Körper möglicherweise auch nach der zweiten Impfung nicht genügend Antikörper aufbaut. Doch ein Booster mit dem Wirkstoff von Biontech-Pfizer, dessen Daten sie schon ausgewertet habe, komme auch für alle gesunden Erwachsenen in Betracht, so die Agentur. Der Bayerische Hausärzteverband hofft nun, dass auch die Stiko möglichst schnell nachzieht und nach Auswertung der Studien eine grundsätzliche Empfehlung abgibt.
Anfang September hatte die Gesundheitsministerkonferenz die Corona-Drittimpfung etwa für Risikogruppen und über 60-Jährige trotz ausstehender Stiko-Empfehlung zugelassen. Auch in Bayern dürfen sich seitdem mit einem Abstand von sechs Monaten zur Zweitimpfung alle Immungeschwächten und über 60-Jährige nach einer ausführlichen Beratung zum dritten Mal mit Biontech oder Moderna impfen lassen. Auch Pflege- und medizinischem Fachpersonal wird eine dritte Spritze empfohlen. „Mit Blick auf einen sicheren Herbst und Winter ist es für einen bestimmten Personenkreis aus präventiven Gesichtspunkten sinnvoll, sich eine Auffrischungsimpfung geben zu lassen, um den Immunschutz hoch zu halten“, erklärt ein Sprecher des bayerischen Gesundheitsministeriums.
„Wir impfen in der Praxis jetzt schon die Ersten, die mit der Impfung in der Pilotphase im April dran waren, und auch die Patientinnen und Patienten in den Alten- und Pflegeheimen“, berichtet Wolfgang Ritter, Vorstandsmitglied des Bayerischen Hausärzteverbands mit eigener Praxis in München. So richtig los gehe es dann im weiteren Verlauf des Oktobers. Der Verband startete bereits einen Aufruf unter den Ärzt*innen, die gefährdeten Gruppen mit einer dritten Impfung zu schützen. Denn die Daten anderer Länder zeigten, dass der Impfschutz mit der Zeit bei Älteren und Immungeschwächten deutlich abnehme.
Zwar sei die Mehrzahl der Durchbruchsinfektionen derer, die trotz vollständiger Impfung an Corona erkrankten, leicht bis mild verlaufen. Aber es gebe eben auch vereinzelt schwere Fälle, weiß der Münchner Hausarzt und Mikrobiologe Ritter. „Nach sechs Monaten macht es deshalb einfach Sinn, den Schutz in diesen gefährdeten Gruppen mit einer Booster-Impfung aufzufrischen.“
Auch Zahlen des Münchner Gesundheitsreferats zeigen: Ein Restrisiko bleibt trotz vollständiger Impfung. Seit dem 1. April dieses Jahres gab es 399 über 70-Jährige, die mit einer Covid-19-Erkrankung ins Krankenhaus aufgenommen werden mussten. Davon waren 61 zweimal geimpft. 97 der 399 hospitalisierten Patient*innen starben, neun von ihnen waren doppelt geimpft.
Antikörpertests? Wenig aussagekräftig laut Experten
Für Bewohner*innen der Senioren- und Pflegeheime, die schon im Januar die erste Spritze bekamen, wird es also Zeit. „Zum Glück haben wir diesmal genügend Impfstoff“, so der Mediziner Ritter. Die fehlende Empfehlung der Stiko sei aber eine Erschwernis für die Ärztinnen und Ärzte – trotz der Ansage aus der Politik. „Viele möchten erst auf die Empfehlung der Stiko warten“, so Ritter.
Trotzdem impfen Hausärzt*innnen laut Ritter bereits in vielen Senioren- und Pflegeheimen und übernehmen auch das Aufklärungsgespräch. Überdies wurden die Heime aufgerufen, aktiv auf die behandelnden Ärzt*innen zuzugehen. Mobile Impfaktionen für die Auffrischimpfung werden in Bayern allerdings unterschiedlich gehandhabt. Nach Auskunft des Gesundheitsministeriums hatten die Impfzentren bis 24. September „Auffrischungsimpfungen in 369 Einrichtungen zurückgemeldet“.
Die Münchner Impfteams warten derzeit noch ab. „Aktuell können im Impfzentrum Riem und bei den mobilen Impfaktionen im Stadtgebiet München keine Auffrischungsimpfungen terminiert werden, da hierzu bislang keine Empfehlung der Stiko vorliegt“, erklärt ein Sprecher des Gesundheitsreferats. Man empfehle deshalb allen, die Interesse an einer Corona-Auffrischimpfung haben, „sich an den Hausarzt zu wenden“, sofern sie zu dem Personenkreis gehören, den das bayerische Gesundheitsministerium nennt.
Einen Antikörpertest als Kriterium für eine Impfung, wie ihn die Stiftung Patientenschutz vorschlägt, hält Allgemeinmediziner Ritter für „nicht sinnvoll, weil wir keine klare Korrelation zwischen Höhe der Antikörpertiter und der Schutzwirkung haben“. Zusätzlich zu den Antikörpern, die sich nach einer Impfung sofort bilden, gibt es noch die T-Zellen, die ebenfalls Schutz gegen Corona bieten und länger anhalten. „Die Antikörper verschwinden nach einer gewissen Zeit, aber die T-Zell-Antwort bleibt eben länger“, so Ritter. „Wir haben aber aus den Daten aus Israel gesehen, dass die T-Zell-Antwort bei den Älteren auch schneller abnimmt.“
Wie lange der Immunschutz beim Rest der Bevölkerung hält, müssen erst laufende Studien zeigen. Für alle Geimpften unter 60 Jahren mit einem gesunden Immunsystem hat Mediziner Ritter aber eine gute Nachricht: Seiner Einschätzung nach hätten sie noch einen ausreichenden Schutz vor Corona und müssten sich keine Sorgen machen.
(Lucia Glahn)
Update: Stiko rät zu Auffrischung für viele Menschen
Die Ständige Impfkommission (Stiko) hat am Donnerstagnachmittag nach Redaktionsschluss der BSZ ihre Empfehlungen für Corona-Auffrischimpfungen in der Pandemie stark erweitert. Der Rat zu einer weiteren Impfung richtet sich an alle Senioren ab 70, Pflegepersonal und medizinisches Personal. Zudem sollten Menschen, die den Impfstoff von Johnson & Johnson bekommen hatten, demnach eine zweite Impfung erhalten. Die Empfehlungen gehen nun für eine Stellungnahme in Fachgremien und an die Bundesländer, so dass es noch Änderungen geben kann. Bisher gab es eine Empfehlung für eine Auffrischimpfung allein für Menschen mit einem geschwächten Immunsystem.
(dpa)
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