Politik

13.02.2020

Beleidigung und Bedrohung: Sollen alle Bürger online Strafanzeige stellen können?

Kommunalpolitiker sollen nach Beleidigungen oder Bedrohungen künftig im Internet Strafanzeige erstatten können. Grünen-Fraktionschefin Katharina Schulze fordert, dies allen Bürgerinnen und Bürger zu ermöglichen. Alfred Grob, polizeipolitischer Sprecher der Landtags-CSU, sieht dafür keine Möglichkeit. Nur bestimmte Delikte seien für eine Online-Strafanzeige geeignet

JA

Katharina Schulze, Fraktionschefin der Landtags-Grünen

Ich finde: Ja! Eine virtuelle Polizeiwache gehört zu einem modernen und bürgerfreundlichen Staat und ist in vielen Bundesländern bereits erfolgreicher Standard. Wir können mittlerweile jederzeit online nachverfolgen, wo sich ein bestelltes Paket gerade befindet. Wird man jedoch zum Beispiel beim Online-Shoppen betrogen oder Opfer von Hass im Netz, muss man sich auf den Weg zur nächsten Polizeiwache machen. Wir möchten, dass man sich zukünftig auch online bei der Polizei melden kann.

Vor allem Hass und Hetze im Internet, sogenannte Hate Speech, sind ein immer größer werdendes Problem. Hier geht es darum, anderen die Würde, die Menschlichkeit und das Recht auf körperliche Unversehrtheit abzusprechen. Wir wollen Waffengleichheit zwischen Betroffenen und Täter*innen schaffen: Eine strafbare Handlung zu verfolgen, soll für Betroffene genauso leicht sein, wie es für die Täter*innen leicht ist, Hass und Hetze in die Computer zu tippen.

Die Einrichtung einer Online-Polizeiwache ist sowohl für die Polizei als auch für die Bevölkerung ein Gewinn. Für die Bürger*innen entfällt das gegebenenfalls lange Warten in den Polizeiinspektionen. Aber auch für die Polizei bringt das Online-Verfahren Vorteile. Verstreicht bislang oftmals wertvolle Zeit, kann bei Online-Anzeigen zügiger mit den eigentlichen polizeilichen Ermittlungen begonnen werden. Auch wenn damit zu rechnen ist, dass die Zahl der Anzeigen durch die Online-Wache insgesamt steigt, so sinkt die Bearbeitungsdauer der einzelnen Verfahren. Die Online-Wache ist damit auch ein Beitrag zur Entlastung der Polizei und zu einer effizienteren Strafverfolgung.

Bayern gehört zu den Ländern, in denen bislang nur sehr wenige Delikte per Online-Wache angezeigt werden können. Beleidigung und Bedrohungen im Internet zählen noch nicht dazu. Das muss sich ändern. Deshalb brauchen wir in Bayern eine polizeiliche Online-Wache auch für alle Delikte mit Internetbezug.

NEIN

Alfred Grob, polizeipolitischer Sprecher der Landtags-CSU

Nein! Nur geeignete Delikte können per Mausklick zur Strafanzeige gebracht werden. Das gilt etwa für den Betrug bei Online-Auktionen, Sachbeschädigung oder Fahrraddiebstahl – also für einfach gelagerte Sachverhalte, bei denen die Polizei nicht sofort eingreifen muss und es keiner großen Beweisaufnahme bedarf. Bei einem geklauten Rad kann das Opfer in der Regel nicht mehr als die Rahmennummer an die Polizei weitergeben und wo und wann das Fahrrad verschwunden ist. Den meisten Betroffenen genügt es daher, wenn sie schnell und unbürokratisch online Anzeige erstatten und das polizeiliche Aktenzeichen an ihre Versicherung weitergeben können.

Nach einer Landtagsanhörung zur Bedrohungslage von Kommunalpolitikern in Bayern haben wir uns entschieden, auch die Strafanzeige von Hasskommentaren im Internet zu erleichtern. Wer wegen seines kommunalen Mandats oder Amts Ziel von Beleidigungen und Bedrohungen geworden ist, soll sich künftig online an die Justiz wenden können. Ein Verfahren ohne schriftliche Anzeige unter dem Beifügen von Datenträgern oder Ausdrucken wird im Pilotprojekt „Justiz und Medien – konsequent gegen Hass“ bereits getestet. Über 60 Unterstützer aus Print, Fernsehen und Hörfunk haben eine entsprechende Kooperation unterzeichnet, um schneller Anzeige wegen volksverhetzender Kommentare auf den von ihnen betriebenen Online-Plattformen erstatten zu können.

Anders sieht die Situation bei schwerwiegenden Delikten mit hoher Strafandrohung oder solchen Vergehen aus, deren Strafverfolgung schlicht von einem Antrag mit Unterschrift abhängen. Bei komplizierten Tathergängen ist der persönliche Kontakt für die Polizei ohnehin unumgänglich, da sie gezielt nach relevanten Informationen nachfragen kann. Nicht zuletzt findet bei der Online-Anzeige kein 24/7-Monitoring statt. Gerade wenn Taten gegen Leib oder Leben drohen, müssen unsere Strafverfolgungsbehörden aber unverzüglich einschreiten. Der Notruf 110 ist in solchen Fällen immer die beste Wahl!

Kommentare (3)

  1. Miiich am 18.02.2020
    Auch hier muss der Gleichheitsgrundsatz uneingeschränkt gelten. Vor dem Gesetz sind alle gleich, egal ob Politiker, Jurist, oder normaler Bürger. Wer hiervon abweicht, derr ebnet letztendlich (gewollt oder ungewollt) den Weg hin zu einer neuen Zweiklassengesellschaft, wie sie George Orwell in seiner "Animal farm" beschreibt. Daher mein klares NEIN zu einer Sonderbehandlung für Politiker.
  2. RHE am 18.02.2020
    Es kommt auf den Sachverhalt an: Wenn es sich um lebensbedrohende Delikte handelt, sollte immer sofort die Polizei informiert und Anzeige erstattet werden, wobei eine zeitliche Verzögerung der Anzeige durch langes Warten in der Inspektion vermieden werden muss - ein vorab online mitgeteilter Sachverhalt könnte die Bearbeitung beschleunigen. Ist dagegen ein minder schwerer Fall (z.B. einfache Beleidigung) gegeben, sollte die Anzeige auch per Online-Wache erfolgen können. Somit könnten die (Wiederholungs-) Täter zentral erfasst und als solche polizeilich bekannt werden.
  3. Andy Greinacher am 16.02.2020
    Zumindest alle bösen Dinge im Netz kann jeder melden. Es gibt inzwischen in mehreren Bundesländern die Möglichkeit, eine Anzeige zu erstatten. Besonders positiv finde ich, das es anonym behandelt wird - also niemand Angst haben muss, das sein Name bekannt wird. Ich empfehle immer die BKA Meldestelle. Dort wurden 300 Mitarbeiter eingesetzt, die zum einen die Anzeigen prüfen, ob es nur Meinungsfreiheit oder Strafrechtlich relevant ist. und zum anderen wird die IP-Adresse ermittelt und so mancher war schon überrascht, wenn die Polizei vor der Tür stand.
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