Politik

Auch Restaurants, Wäschereien oder Autowerkstätten sind energieintensive Branchen – warum kriegen sie keinen Strombonus? (Foto: dpa/Christian Bruna)

17.11.2023

Bonus für wenige

Das Strompreispaket ist ungerecht

Nach monatelanger Diskussion hat sich die Bundesregierung endlich auf einen verbilligten Strompreis für die Wirtschaft verständigt. Von dem sogenannten Strompreispaket soll nicht nur die Industrie, sondern auch der Mittelstand profitieren. Geplant ist unter anderem eine deutliche Senkung der Stromsteuer für das produzierende Gewerbe und eine Ausweitung der bisherigen Strompreiskompensation für Konzerne, die besonders unter hohen Strompreisen leiden.

Bei genauem Hinsehen allerdings entpuppt sich das Ganze als Mogelpackung. Denn nicht produzierende Betriebe wie zum Beispiel Autowerkstätten, die Gastronomie oder Wäschereien gehen leer aus.

Nino Lo Po, Chef des italienischen Restaurants Padelle d’Italia in Nürnberg, veranschaulicht sein Dilemma: „Dieses Jahr haben wir mit fast 8000 Euro doppelt so hohe Stromkosten wie letztes Jahr. Aber man kann die gestiegenen Kosten nicht komplett an die Kundschaft weitergeben, weil sonst immer weniger kommen. 15 Euro für eine Pizza zahlt niemand.“

An der wirtschaftlichen Realität vorbei

Auch das Kraftfahrzeuggewerbe in Bayern mit seinen sieben Innungen kritisiert die Ampel-Pläne. Tatsächlich gingen diese an der wirtschaftlichen Realität vieler Betriebe komplett vorbei, sagt Albert Vetterl, Präsident und Landesinnungsmeister des Kraftfahrzeuggewerbes Bayern. Besonders in Kfz-Werkstätten wird viel Strom benötigt: angefangen von umfangreichen Diagnosegeräten über Hebebühnen und Schweißgeräte bis hin zur Hallenbeheizung im Winter. Im Vergleich zur oft geringen Betriebsgröße ist der Energieaufwand daher hoch und kann durchaus rund 10 Prozent des Umsatzes betragen. Durch effizientere Beleuchtung kann er optimiert, aber nicht beliebig gesenkt werden. „Servicearbeiten an Fahrzeugen werden aufgrund der digitalen Prozesse immer aufwendiger, und sie müssen im Interesse der Verkehrssicherheit auch absolut verlässlich durchgeführt werden – da kann man nicht einfach einen Arbeitsschritt abkürzen oder weglassen, weil dieser Strom frisst“, so Vetterl.

Weil die nicht produzierenden Betriebe durchs Raster fallen, fordert Franz Xaver Peteranderl, Präsident des Bayerischen Handwerkstags (BHT), dass das Entlastungspaket von der Bundesregierung dringend nachgeschärft werden muss. „Die Kosten für Energie sind in den letzten Jahren für alle Betriebe stark gestiegen. Hinzu kommt, dass das natürlich auch für die Verbraucher gilt und die Betriebe ihre Kostensteigerungen daher nicht einfach weitergeben können – sonst bricht die Nachfrage noch stärker ein“, mahnt Peteranderl. Er fordert dauerhaft wettbewerbsfähige Energiepreise für die gesamte Wirtschaft und für die Verbraucher*innen.

Das bayerische Wirtschaftsministerium erklärt sinngemäß: Die Pläne aus Berlin seien besser als nichts. „Aber eine substanzielle Entlastung ist das leider nicht. Gerade für energieintensive Unternehmen ist es kein großer Wurf. Ob wir damit auf dem Weltmarkt konkurrieren können, ist mehr als zweifelhaft“, sagt eine Ministeriumssprecherin.

Warum ist ausgerechnet die ohnehin notleidende Gastronomie ausgeschlossen?

Deshalb fordert Hubert Aiwangers Haus eine Ausweitung der Stromsteuersenkung. „Strom muss für alle bezahlbar sein“, so die Sprecherin. Der Zuschuss für die Übertragungsnetzentgelte war ohnehin schon beschlossen und ist nichts wirklich Neues. Außerdem ist die Finanzierung der reduzierten Stromsteuer nur für zwei Jahre gesichert. Darüber hinaus gibt der Bund nur eine Absichtserklärung ab. Für die Unternehmen bedeutet das nichts Gutes. Planungssicherheit ist nicht gewährleistet.

Weil die Strompreise hierzulande leider dauerhaft hoch sein werden, muss der Bund dringend eine Entlastung für alle schaffen. Viele Menschen drehen ohnehin bereits jeden Cent zweimal um, bevor sie ihn ausgeben. Das ist Gift für die Binnenkonjunktur. Wie wichtig die heimische Nachfrage ist, hat man gerade während der Corona-Pandemie gesehen. Hinzu kommt, dass bayerische und deutsche Betriebe nicht mehr mit ihren ausländischen Konkurrenten mithalten können. Denn Deutschland liegt bei den Stromkosten drei- bis viermal höher als die USA, die Türkei oder China.

Aber damit nicht genug. Weil immer mehr Ökostromerzeuger wie Biogas-, Solar- und Windkraftanlagen ans Netz gehen, steigen auch die Netzentgelte. Also der Preis, den Netznutzer an den Netzbetreiber dafür zahlen müssen, dass er Strom durch das Versorgungsnetz leitet. Für Haushalts- und Gewerbekunden hat das Bayernwerk als einer der größten Betreiber in Bayern im kommenden Jahr Steigerungen zwischen 15 und 19 Prozent angekündigt. Die Verteilnetzentgelte machen bei Haushaltskunden bis zu einem Drittel des Gesamtstrompreises aus. Die Stromrechnung kann deshalb um bis zu 7 Prozent höher ausfallen. So kann das nicht weitergehen.
(Ralph Schweinfurth)

 

Kommentare (1)

  1. Rudi Seibt am 16.11.2023
    Na klar stößt die DHZ in das Jammerhorn der rechten Politiker. Statt ihren Betrieben zu zeigen, dass und wie sie Strom sparen und Strom selber machen können, stimmt die DHZ mit ein in das Gejammere.
    Wie sagen die Schwaben so schön: "Net schwätze, schaffe". Stromkosten halbieren geht auch für eine Pizzeria (das Beispile im Text) oft, Strom selber machen geht auch als Mieter in Abstimmung mit dem Eigentümer. Und selbst gemachter Strom kostet um die 10ct/kWh, heizen kann man mit der Verlustwärme des Pizzaofens. Sehr erstaunlich, dass die Handwerkskammern, die Innungen diesen Energieservice nicht offensiv anbieten.
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