Politik

04.07.2019

Braucht es in Bayerns Großstädten eine City-Maut für Autofahrer?

Der Münchner Grünen-Stadtrat Paul Bickelbacher plädiert für die Einführung einer innerstädtischen Maut, um den Autoverkehr dort zu reduzieren. Die CSU-Kommunalreferentin Kristina Frank lehnt sie ab - auch aus sozialen Gründen

JA

Paul Bickelbacher, Grünen-Stadtrat in München

Die Erfahrung zeigt, dass alternative Angebote zum Auto allein oft nicht ausreichen, um eine stadtgerechte Verkehrsmittelwahl zu bewirken. Vielmehr bedarf es einer Push-Pull-Strategie, die den Verbesserungen im öffentlichen Verkehr und beim Radverkehr eine geringere Attraktivität des Autoverkehrs gegenüberstellt.

Dafür gibt es drei Möglichkeiten:
Nichts tun, mit der Konsequenz mehr Staus und eine daraus resultierende Erhöhung der Fahrzeit. Ein Verbot der Zu- und Einfahrt, eine sehr harte Maßnahme. Oder eine Bepreisung in Form von Parkgebühren oder einer City-Maut.

In München befinden sich innerhalb des Mittleren Rings zwei Drittel der Stellplätze auf privaten Flächen. Höhere Parkgebühren beeindrucken daher nur einen Teil der Autofahrer*innen. Zudem ist die Höhe der Gebühren in Bayern auf 2,60 Euro pro Stunde gedeckelt, während beispielsweise Stuttgart vier Euro verlangt.

Bei einer Bepreisung in Form einer City-Maut gibt es zwei Möglichkeiten. Bei einer Kordon-Maut kostet jede Einfahrt und ggf. jede Ausfahrt. Streckenbezogene Straßenbenutzungsgebühren werden dagegen nach gefahrenen Kilometern abgerechnet. Letzteres ist gerechter und entfaltet eine bessere Steuerungswirkung: Die Gebühren können nach Uhrzeit, Emissionsklasse und Anzahl der betroffenen Anwohner an der Straße et cetera variieren. Abgerechnet wird am besten mit einer Prepaid-Karte über Satellit, so dass der Datenschutz gewährleistet bleibt. Für den sozialen Ausgleich kann man einen festen Anteil der Einnahmen an sozial schwächere Haushalte ausschütten, um deren Mobilitätsbudget aufzubessern.

Letzte Woche sprachen sich unter anderem 30 Wirtschaftsweise für eine City-Maut aus. London, Mailand, Stockholm und Oslo haben erfolgreich eine City-Maut eingeführt. Es wird Zeit, dass auch der Freistaat seinen Kommunen diese Steuerungsmöglichkeit eröffnet.

NEIN

Kristina Frank (CSU), Kommunalreferentin und OB-Kandidatin in München

Derzeit lehne ich eine City-Maut in München aus guten Gründen ab:
Die täglichen Verkehrsspitzen werden durch eine City-Maut kaum abgebaut, da der Flexibilität der meisten Arbeitnehmer durch betriebliche und vor allem familiäre Notwendigkeiten enge Grenzen gesetzt sind. Viele Fortbewegungsmittel der Innenstadt, wie zum Beispiel das Fahrrad, sind für Pendler aufgrund großer Entfernung meist keine Option. Darüber hinaus ist eine Steuerungswirkung für die Luftreinhaltung durch eine City-Maut fraglich, da diese zwar die Zufahrt mengenmäßig reguliert, aber nur schwer nach dem Verursacherprinzip und Emissionsverhalten steuern kann.

Durch eine City-Maut wird Bürokratie gerade aufgebaut in einer Zeit, in der wir durch die Digitalisierung eigentlich versuchen sollten, die Münchner so wenig als möglich mit Behördengängen & Co. zu belasten.

Auch auf die sozialen Auswirkungen ist hinzuweisen. Es ist nicht zumutbar, dass nur diejenigen, die es sich leisten können, in die Innenstädte einfahren können, unabhängig von der Frage des Verursacherprinzips. Letztlich schließt die City-Maut ärmere Bevölkerungsschichten von der Einfahrt in die Stadt aus. Das ist ohne ein breites Angebot guter Alternativen unsozial.

Außerdem würde die City-Maut für kleine familiengeführte Unternehmen, welche es in unserer Stadt häufig schwer genug haben, einen weiteren Kostenfaktor darstellen. Für große Ketten mag dies vielleicht nur ein kleiner Prozentsatz ihres Umsatzes sein, aber für die Geschäfte, die den Charme Münchens ausmachen, ist es eine weitere Ausgabe im täglichen Kampf ums Überleben.

Zuletzt besteht nach gegenwärtiger Rechtslage gar keine straßenverkehrsrechtliche Umsetzungsmöglichkeit, insbesondere keine entsprechende Rechtsgrundlage für eine City-Maut. Diese müsste von Land oder Bund erst geschaffen werden. Erst dann kann sich eine Kommune auch redlich darüber Gedanken machen, ob diese auch umgesetzt werden soll.

Kommentare (1)

  1. udo am 11.07.2019
    Nein.

    Es braucht heute und in Zukunft selbstverständlich k e i n e "City"-Maut für Autofahrer!

    Nie war der Spruch der 70er und 80er Jahre sinnvoller und notwendiger als heute:

    "Freie Fahrt für freie Bürger"!!!

    Tempolimit auf Autobahnen - ja!

    120 oder 130 kmh sind dort in der Tat genug.

    Damit die oft genug brutale Raserei endlich minimiert wird.

    Aber eine City-Maut ist so überflüssig wie ei Kropf, weil viele auch künftig aufs Auto allein beruflich zwingend angewiesen sind und bleiben werden.

    Diese ständig neuen grünen Abzock-Phantasien, die natürlich immer alle unter dem gerade so wärmenden Deckmäntelchen des Umweltschutzes und des Klimas Hochkonjunktur haben, nehmen
    Überhand.

    Und man kann nur hoffen, dass wenigstens noch Union und FDP dem im Sinne der Arbeitnehmer, die aufs Auto angewiesen sind, widerstehen.

    Eine City-Maut wäre ein postmoderner "Wege-Zoll" - und den brauch echt koana!!!

    Udo
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