Politik

Ein Ziel: eine bessere Vergleichbarkeit des Abiturs. (Foto: Karl-Josef Hildenbrand/dpa)

25.11.2019

Bringt ein Staatsvertrag mehr Vergleichbarkeit?

Anderer Weg, gleiches Ziel: Statt mit einem Nationalen Bildungsrat wollen die Länder womöglich über einen Staatsvertrag mehr Vergleichbarkeit bei der Bildung erreichen. Dies dürfte eine Herkulesaufgabe werden

Nach dem Ausstieg Bayerns und Baden-Württembergs aus dem geplanten Nationalen Bildungsrat richten sich viele Hoffnungen auf einen möglichen Staatsvertrag der Länder. Der Präsident der Kultusministerkonferenz (KMK), der hessische Minister Alexander Lorz (CDU), betonte am Montag, man arbeite seit längerem an einem Staatsvertrag, "der für mehr Vergleichbarkeit zwischen den Ländern sorgen soll und sorgen wird". Er rief alle Länder auf, sich nun darauf zu konzentrieren, dieses ambitionierte Vorhaben abzuschließen. "Im kommenden Jahr könnte es dann eine Einigung geben und damit auch ein Entwurf eines Staatsvertrags vorliegen", sagte er.

Auch nach Einschätzung von Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU) hat sich der geplante Nationale Bildungsrat nach dem Ausstieg der Süd-Länder erledigt. Das Ansinnen sei aber trotzdem existent und sollte nun in einem Staatsvertrag geregelt werden, sagte Bouffier. Auch aus anderen Ländern wurden Rufe nach einem Staatsvertrag lauter.

Bayern und Baden-Württemberg hatten am Wochenende erklärt, sich nicht an dem geplanten Nationalen Bildungsrat zu beteiligen, dessen Aufbau Union und SPD im Koalitionsvertrag vereinbart hatten. Das Gremium sollte aus Experten und Vertretern von Bund und Ländern bestehen, die Empfehlungen zu vieldiskutierten Bildungsthemen aussprechen sollten. Darunter fallen ganz praktische Probleme wie die Vergleichbarkeit des Abiturs oder die Frage, wie ein Umzug von Familien mit Schulkindern von einem Bundesland in ein anderes erleichtert werden kann.

Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) sagte am Montag: "Die Kultusministerkonferenz, die muss überleben." Aus dem Umfeld Söders hieß es, der Ministerpräsident sei sehr für eine Stärkung der Kultusministerkonferenz. Die KMK müsse nun überlegen, wie sie weiter vorgehe und welche Prioritäten sie setze. Auch einem Staatsvertrag, der seit langem geplant wird, um für mehr Vergleichbarkeit zwischen den Ländern zu sorgen, steht Söder demnach offen gegenüber.

Unterschiedliche Interessen, Traditionen und Voraussetzungen

Die andere Abweichlerin beim Thema Bildungsrat, die baden-württembergische Kultusministerin Susanne Eisenmann (CDU), machte sich offen für einen Länderstaatsvertrag stark. "Ein Staatsvertrag ist ein wirksames Instrument, um gemeinsame Standards für Schulabschlüsse oder für die Lehrerbildung in allen Ländern einheitlich und verbindlich zu regeln", erklärte Eisenmann am Montag. Eisenmann ist Koordinatorin der unionsregierten Länder in der KMK.

Hamburgs Bildungssenator Ties Rabe, Sprecher der SPD-geführten Ressorts, sieht allerdings große Hürden: "Ein Staatsvertrag aller 16 Bundesländer ist echte Herkulesaufgabe, da dieser so ausgehandelt werden muss, dass er am Ende von allen 16 Länderparlamenten gleichlautend verabschiedet wird." Zu unterschiedlich seien die Interessen, Traditionen und Voraussetzungen. "Die ständigen Amtswechsel in den Kultusministerien sowie mächtige Interessengruppen und Verbände in jedem Bundesland tun ihr übriges", erklärte Rabe. "Auch deshalb kommt die Kultusministerkonferenz bei der Harmonisierung des Bildungssystems nur sehr langsam voran."

Thüringens Bildungsminister Helmut Holter (Linke) forderte mehr Zusammenarbeit der Länder. "Dank der Süd-Länder haben wir nun anderthalb verlorene Jahre für unsere Schulen", kritisierte er.

Bayerns Kultusminister Michael Piazolo (Freie Wähler) betonte dagegen, es mache viel mehr Sinn, die drängenden Probleme im Rahmen der KMK anzugehen. Neben einem Staatsvertrag, der durch alle 16 Länderparlamente müsste, sei auch eine Ländervereinbarung möglich, erklärte er. "Die Frage ist noch offen." Bei einer solchen Ländervereinbarung könnte man stärker als bei einem eher abstrakten Staatsvertrag in konkrete Details gehen, argumentierte Piazolo.

Aus für Bildungsrat: Heftige Kritik von Verbänden und Gewerkschaften

Aus dem hessischen Kultusministerium hieß es aber am Montag, die weit überwiegende Mehrheit der Länder bevorzuge "ganz klar" einen Staatsvertrag, so auch der amtierende KMK-Präsident Lorz. Die KMK will kommende Woche erneut über das gesamte Thema beraten.

Heftige Kritik am Aus für den Bildungsrat kam von Verbänden und Gewerkschaften. Die Vorsitzende der Lehrergewerkschaft GEW, Marlis Tepe, kritisierte, mit dem Aus für den geplanten Bildungsrat habe Deutschland eine wichtige Chance für mehr Bildungsgerechtigkeit vertan. Es müsse dringend mehr dafür getan werden, dass Schüler unabhängig vom Wohnort und Elternhaus bundesweit den gleichen Zugang zu Bildung haben, sagte sie. Dies sei eine Grundsatzfrage - etwa bei der anstehenden Digitalisierung der Schulen, bei der Integration oder beim gemeinsamen Unterricht für Schüler mit und ohne Behinderung.

Der Vorsitzende des Verbandes Bildung und Erziehung (VBE), Udo Beckmann, bedauerte das Aus für den Bildungsrat und forderte "dringend eine Vision von einem gemeinsamen Bildungsverständnis". Zu dem geplanten Länderstaatsvertrag sagte er: "Ich kann mir zur Zeit nicht vorstellen, so wie ich die KMK kenne seit vielen Jahren, dass sie in der Lage ist, die Vision von einem gemeinsamen Bildungsverständnis zu entwickeln und dies staatsvertraglich festzuhalten." Die KMK sei für ihn "die politische Übersetzung für den kleinsten gemeinsamen Nenner". Deutschland sei weit entfernt von einem kooperativen Bildungsföderalismus "den wir eigentlich dringend brauchen - wir sind eher auf dem Weg zur Kleinstaaterei", klagte er.
(Andrea Löbbecke und Christoph Trost, dpa)

Kommentare (1)

  1. Miiich am 26.11.2019
    Ein Staatsvertrag könnte zumindest verbindliche Mindeststandarts setzen.
    Wenn ein Land diese nicht erfüllt, so muss es eben als Konsequenz hinnehmen, dass deren Hochschulaspiranten außerhalb des eigenen Bundeslande ggf. durch eine Aufnahmeprüfung müssen.

    Ei Staatsvertrag könnte ein Zeichen für ein eigenstaatliches Selbstbewußtsein und gegen den wachsenden Unitarismus in diesem Bundesstaat setzen. Am besten wäre es, wenn auch die übrigen deutschsprachigen Länder (Österrreich, Liechtenstein, Schweiz und Luxemburg) als Partner mit am Verhandlungstisch sitzen würden. Als zeichen für Subsidiarität und Zusammenarbeit in Europa über nationale Grenzen hinweg.
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