Politik

Kompliziertes Reisen: Wer einmal um den Bodensee fährt, gilt mal für drei, sechs oder neun Monate als genesen. (Foto: dpa/Felix Kästle)

11.02.2022

Chaos statt Reisefreiheit

Corona-Regeln in der EU und deutsche Strenge

Auch im Jahr drei nach Corona bleibt Reisen in Europa kompliziert. Während Spanien nach einer doppelten Impfung auf einen PCR-Test verzichtet, bleibt dieser bei der Einreise nach Österreich verpflichtend. Dort verlieren zudem doppelt Geimpfte nach sechs Monaten ihren Impfstatus. Auch um nach Tschechien zu kommen, benötigt man einen PCR-Test. Fünf Tage nach der Einreise wird auch für doppelt Geimpfte ein zweiter fällig. Italien verlangt hingegen nur von Ungeimpften einen Test – und es darf auch ein Schnelltest sein. Angesichts des Regel-Wirrwarrs scheint selbst das Auswärtige Amt keinen Durchblick mehr zu haben. Für Liechtenstein heißt es dort etwa aktuell, sei wie in der Schweiz für „alle Einreisenden“ ein PCR-Test nötig – dabei ist dieser in Helvetien lediglich für Ungeimpfte und Nichtgenesene vorgeschrieben.

Für den Landtagsabgeordneten Albert Duin (FDP) zeigt sich die Absurdität unterschiedlicher Corona-Regelungen in Europa besonders, wenn er einmal um den Bodensee fahre. „Dort gelte ich mal für drei, sechs oder neun Monate als genesen“, klagt er. Die vom Robert Koch-Institut ohne Vorlaufzeit beschlossene Verkürzung des Genesenenstatus auf drei Monate ist in seinen Augen verfassungswidrig. Immerhin hatte die Europäische Union beschlossen, die Dauer auf sechs Monate festzulegen.

Duin beunruhigt zusätzlich, dass Beschränkungen wie die 2G-Regel nicht nur die Arbeit für viele Tourismusbetriebe unwirtschaftlich mache. Vielen Familien würde auch die Lust am Urlaub verdorben.

Mit ungeimpften Kindern ist eine Auslandsreise kaum drin

Dazu kommt: Bei der Rückkehr aus einem Hochrisikogebiet müssen alle ungeimpften Personen trotz negativem PCR-Test in Isolation. Auch Kinder. Da Deutschland alle Nachbarländer zu Hochrisikogebieten erklärt hat, bedeutet das selbst nach einem Wochenende in Österreich: Quarantäne. Fünf Tage sind für Kinder unter sechs Jahren verpflichtend, zehn für ältere. Auslandsreisen sind so de facto für Familien mit ungeimpften Kindern kaum möglich. Diese Regel gibt es so nur in Deutschland. Besonders irritierend dabei: Die Ständige Impfkommission empfiehlt eine Impfung für gesunde Kinder erst ab zwölf Jahren.

Die Landtags-Grünen fordern Ausnahmeregeln für Menschen, die sich nicht impfen lassen können. Geben wird es die in naher Zukunft aber wohl nicht. „Das Einreiserecht richtet sich ausschließlich nach den Handhabungen des Bundes“, heißt es aus dem bayerischen Gesundheitsministerium. Und der Bund selbst plant keine Ausnahmen. Deutschland setze die EU-Empfehlungen zwar weitestgehend um, „nimmt aber auch sein Recht zu Abweichungen wahr, wenn dies aus epidemiologischen Gründen gerechtfertigt ist“, heißt es vom Bundeswirtschaftsministerium. Bleibt die Frage, warum Kinder bei einer Inzidenz von über 2000 in München in die Schule dürfen, nach einem Aufenthalt in einem abgeschiedenen Ferienhaus in Österreich aber trotz negativem PCR-Test in Quarantäne müssen.

Gift für den Tourismus

Im bayerischen Wirtschaftsministerium glaubt man nicht, dass es zuvorderst die Einreisebestimmungen sind, die Menschen vom Urlaub abhalten. „Es geht etwa auch um die Frage des Reisebudgets, um die Sorge vor einer Ansteckung auf Reisen oder die Verfügbarkeit von Urlaubstagen“, so eine Sprecherin. Der Chef von Bayerns Hotel- und Gaststättenverband Dehoga, Thomas Geppert, sieht das anders: „Verunsicherung ist Gift für den Tourismus“, klagt er. Sein Wunsch: möglichst klare und einheitliche Regeln in ganz Europa. Und da sehe er vor allem Deutschland in der Pflicht. Dass der Genesenenstatus über Nacht geändert wurde, habe ihn „entsetzt“.

Für einheitliche Regelungen setzt sich auch die EU ein. Seit 1. Februar soll etwa eine Impfung ohne Booster überall nur noch neun Monate gültig sein. „Um Abweichungen und Verwirrung für Reisende zu verringern, werden die Mitgliedstaaten aufgefordert, ihre Vorschriften im Inland anzugleichen“, sagt der EU-Vertreter in Deutschland, Jörg Wojahn. Außerdem sollten die Länder doch bitte die Reisefreiheit nicht mehr von der Inzidenz im jeweiligen Land, sondern nur noch vom EU-Covid-Zertifikat abhängig machen. Das Problem: Die EU kann nur Empfehlungen aussprechen, für die Umsetzung sind die Mitgliedstaaten
verantwortlich.

Richtig kompliziert wird es derzeit bei Kreuzfahrten. Obwohl etwa bei Tui Cruises alle Passagiere geimpft und ab 18 Jahren zusätzlich geboostert sein müssen, benötigen sie bei Landgängen innerhalb Europas jeweils einen neuen Test. Der einzige Vorteil: Tui hat eine eigene Abteilung, die täglich die Einreisebedingungen an den Häfen in Europa und der Welt abfragt – und vor jedem Stopp an die Passagiere weitergibt. Von einem solchen Service können Durchschnittsreisende nur träumen.
(David Lohmann)

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