Politik

Das Ausbildungsjahr hat bereits am 1. September begonnen – und doch sind noch jede Menge Stellen frei. (Foto: dpa/Sebastian Gollnow)

16.10.2020

Corona trifft den Ausbildungsmarkt hart

Bayerns Betriebe suchen händeringend Azubis – die Krise macht es ihnen in diesem Jahr besonders schwer

Für die Spedition Leupold im oberfränkischen Oberkotzau wird es langsam eng. Sehr eng. Vier Ausbildungsstellen sind bei dem Mittelstandsunternehmen noch unbesetzt, obwohl das neue Ausbildungsjahr bereits am 1. September begonnen hat. Dringend gesucht unter anderem: ein angehender Fachlagerist. „Was uns aber wirklich auf den Nägeln brennt“, sagt Ausbildungsleiter Michael Lang, „sind unsere offenen Stellen für angehende Berufskraftfahrer.“ Diese zu besetzen sei zwar auch in den vergangenen Jahren nicht immer einfach gewesen, so Lang. Aber mit der Corona-Pandemie habe sich die Situation noch einmal verschlechtert.

Nicht nur die Spedition Leupold sucht händeringend Azubis. In ganz Bayern gibt es noch viele unbesetzte Stellen. Zu Beginn des Lehrjahrs – aktuellere Daten liegen der Agentur für Arbeit noch nicht vor – gab es noch über 32 000 freie Ausbildungsplätze. Und das, obwohl aufgrund der Corona-Krise die Zahl der gemeldeten Berufsausbildungsstellen im Vergleich zum Vorjahr von rund 109 000 auf 101 000 gesunken ist. Die meisten Betriebe wollen trotz Corona weiterhin ausbilden, doch vielen fehlt es an geeigneten Bewerber*innen. Auch weil viele Schulabgänger verunsichert sind, wie Bernd Rehorz, Leiter des Bereichs Berufliche Bildung bei der IHK Oberfranken, erklärt. „In vielen Hinterköpfen ist fälschlicherweise verankert, dass es coronabedingt keine Ausbildungsplätze gebe.“

Was die Lehrlingssuche in diesem Jahr ebenfalls erschwert: Eine Berufsorientierung fand durch Corona-Krise und Lockdown so gut wie nicht statt. „Normalerweise gehen wir an die Schulen, machen Betriebsführungen und bieten Schnupperpraktika an“, berichtet Lang von der Spedition Leupold. Das alles fiel heuer flach, genauso wie die Ausbildungsmessen. Digitale Alternativen aber wie die Infomesse LastWeek der Handwerkskammer (HWK) und der Stadt München konnten das nur bedingt auffangen. Sie fand Ende September statt und habe gezeigt, „dass der persönliche Kontakt zu den jungen Menschen und die direkte Ansprache nicht ohne Weiteres digitalisiert werden kann“, erklärt Harald Gerster, Abteilungsleiter bei der HWK für München und Oberbayern. Die Folge: freie Stellen in nahezu allen Gewerken. Vor allem am Bau oder im Nahrungsmittelhandwerk ist die Not groß.
Laut Bayerischem Industrie- und Handelskammertag (BIHK) ist die Zahl der

Unternehmen geben das Ausbildungsjahr noch nicht verloren

Ausbildungsvertragsabschlüsse im Vergleich zum Vorjahr um 13,5 Prozent zurückgegangen. Bernd Rehorz von der IHK Oberfranken betont: „Jede nicht besetzte Ausbildungsstelle bedeutet eine qualifizierte Fachkraft weniger in zwei bis drei Jahren.“ Die Corona-Krise verschärft damit den Fachkräftemangel – ohnehin ein akutes Problem für Bayerns Unternehmen. Die Zahl der Schulabsolventen sinkt seit Jahren, während immer mehr Angestellte in Rente gehen. Allein dieses Jahr seien es in Bayern 164 000 Arbeitnehmer, so BIHK-Präsident Eberhard Sasse. „Diese Zahl steigt bis 2024 auf 300 000 jährliche Renteneintritte.“

Dazu kommt: Ein Studium scheint vielen heute attraktiver als eine Lehre. Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (FW) legte deshalb gemeinsam mit den Kammern die Werbekampagne Elternstolz neu auf. Mit dieser Aktion sollen Müttern und Vätern die Vorteile einer Ausbildung nahegebracht werden. Auch im Arbeitsministerium setzt man auf Überzeugungsarbeit: Von der Staatsregierung geförderte Ausbildungsaquisiteure versuchen jungen Menschen eine Lehre schmackhaft zu machen.

Die Kammern und Unternehmen geben das Ausbildungsjahr, auch wenn es schon vor Wochen begann, noch nicht verloren. Sie setzen darauf, dass mit der sogenannten Nachvermittlung bis Ende des Jahres noch einige Neuverträge dazukommen. Denn auch das ist besonders in diesem Corona-Jahr: Die Betriebe stellen noch länger ein. Dass sich das lohnen kann, zeigt das Beispiel der Kulmbacher Brauerei. Auch dort tat man sich heuer besonders schwer, geeignete Azubis zu finden, erklärt Personalleiter Florian Kirchner. Doch dann kam sie doch noch auf seinen Tisch, die Bewerbung einer Kandidatin für die Industriekauffrau-Ausbildung. Nach dem 1. September zwar – aber dafür war sie zu „100 Prozent überzeugend“.
(Angelika Kahl)

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