Politik

"Handwerk ist die neue High Society": Hubert Aiwanger will das Handwerk durch Digitalisierung attraktiver machen. (Foto: dpa)

14.12.2018

"Das ist reine Stimmungsmache gegen mich"

Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler) über die schwächelnde Automobilbranche, die Weltraumpläne Söders und seinen Ärger mit Flutpoldern

Diese Woche hat Hubert Aiwanger (FW) den Startschuss für den Mobilfunkpakt zur Abdeckung weißer Flecken beim Handy-Empfang in Bayern gegeben. Wie nötig das ist, zeigt sich beim Interview mit dem Wirtschaftsminister, das er aus Termingründen aus dem Auto heraus führen muss. Fünf Mal bricht die Verbindung zusammen – wegen Funklöchern entlang der Autobahn.

BSZ Herr Aiwanger, sind Sie inzwischen Mitglied im Markus-Söder-Fanclub?
Hubert Aiwanger Nein, so weit ist es noch nicht. Wir sind Mitglied in einer Regierungsgemeinschaft, die gut funktioniert.

BSZ Und wie läuft es bei den Freien Wählern? Man hört von fehlender Abstimmung unter den Regierungsmitgliedern und mit der Landtagsfraktion.
Aiwanger Das sind aufgebauschte Geschichten, da ist substanziell nichts dran. Wir reden miteinander und stimmen uns eng ab.

BSZ Ein offensichtlicher Streitpunkt sind die Flutpolder an der Donau. Wer ist da jetzt zuständig? Sie oder Umweltminister Glauber?
Aiwanger Da ist jeder Landtagsabgeordnete von Schwaben über Oberbayern und die Oberpfalz bis nach Niederbayern in seiner regionalen Betroffenheit zuständig. Die politische Frage ist doch, ob man beim Hochwasserschutz monothematisch auf die Polder setzt oder die Problematik ganzheitlich anpackt mit der Sanierung von Dämmen, dezentralem Hochwasserschutz und einem intelligenten Staustufenmanagement. Nach dem großen Hochwasser 2013 hat man in einem Aktionismus schnell den Bau von zwölf Poldern entlang der Donau geplant, obwohl beispielsweise die Katastrophe bei Deggendorf von maroden Dämmen an der Isar ausgelöst wurde. Wenn man das Schicksal Bayerns an ein paar Polder hängt, die erst in 20 Jahren fertig sind, dann ist mir das nicht zielführend genug. Zumal die Polder bei Neuburg und Regensburg –  unabhängig davon, ob da ein Landrat der Freien Wähler ist oder ich verwandtschaftliche Beziehungen habe – für den Hochwasserschutz in Niederbayern kaum etwas bringen.

BSZ
Was dann?
Aiwanger Wir müssen jetzt das Thema Staustufenabsenkung forcieren. An der Donau gibt es rund 15 Staustufen für die Wasserkraftgewinnung. An denen ist der Fluss bis zu neun Meter hoch angestaut. Da raten uns Ingenieure, den Wasserstand rechtzeitig vor dem Eintreffen eines Hochwassers abzusenken und damit Millionen Kubikmeter Stauraum für eine Flutwelle zu haben. Wenn ich diese Möglichkeit politisch durchsetze, dann haben wir ab morgen für Deggendorf oder Passau eine deutliche Verbesserung beim Hochwasserschutz. Was in der Frage der Polder gegen mich betrieben wird, ist Stimmungsmache, um Versäumnisse in der Vergangenheit bezüglich Ausbau HQ100 (Bemessungsgröße im Hochwasserschutz für ein Hochwasser, das statistisch einmal in hundert Jahren eintritt – Anmerkung d. Red.) zu kaschieren, und lenkt sogar von sinnvollen Lösungen ab. Ich habe es mir zur Aufgabe gemacht, jetzt gemeinsam mit Umweltminister Glauber sinnvolle und schnell wirksame Lösungen auf den Weg zu bringen.

"Die Polder bringen in Niederbayern kaum etwas"

BSZ Ihre erste Initiative im Amt galt einem Förderprogramm für Wirtshäuser. Bei den Wirtschaftsverbänden hat diese Prioritätensetzung für Verwunderung gesorgt.
Aiwanger Da haben wohl manche die Zusammenhänge nicht ganz verstanden. Die bayerische Hotel- und Gaststättenbranche ist neben der Automobilindustrie eine Leitökonomie für Bayern. Beide haben ähnliche Beschäftigten- und Umsatzzahlen. In Hotels und Gaststätten haben wir krisensichere Arbeitsplätze, da wird gutes Geld verdient. Ich lasse nicht zu, dass Branchen bezüglich ihrer Bedeutung gegeneinander ausgespielt werden. Die Förderung von Investitionen in Gaststätten ist gut angelegtes Geld. Die Automobil- und Zulieferbranche schwächelt gerade etwas.

BSZ Wie schätzen Sie die Lage ein?
Aiwanger Wir haben es hier viel mit Einflüssen von außerhalb Bayerns zu tun. Ich nenne nur die Debatte um Strafzölle von US-Präsident Trump und die rückläufigen Exporte nach China. Ich sehe noch nicht die ganz große Bedrohung, aber es gibt deutliche Warnzeichen, auf die wir in Bayern reagieren müssen –  soweit das in unserer Macht steht.

BSZ Was gibt es da an Möglichkeiten?
Aiwanger Wir müssen die Elektromobilität und die Technologie für alternative Antriebe voranbringen. Wir müssen bei der Digitalisierung und beim autonomen Fahren sowie bei Fahrassistenzsystemen mit deutscher Technik an die Weltspitze kommen. Wenn wir da den Anschluss verpassen, dann könnte schon einiges ins Wanken geraten. Noch sehe ich diese Gefahr aber nicht.

BSZ Und die Diesel-Krise?
Aiwanger Dieses Thema müssen wir rasch vom Tisch bekommen. Dazu gehört, dass die Standorte und die Verfahren der Messstationen in den Städten nach realistischen Vorgaben überprüft werden, und dass Nachrüstungen an den Fahrzeugen schnell umgesetzt werden, soweit es gesetzlich durchsetzbar ist. Mittelstand und Handwerk klagen über Fachkräftemangel.

BSZ Mit welchen Initiativen wollen Sie Abhilfe schaffen?
Aiwanger Dazu will ich das Handwerk auf eine neue Stufe heben. Ich sage nicht umsonst: Handwerk ist die neue High Society. Mit Handwerk verbinden viele heute noch immer in erster Linie Hammer, Meißel und Staub, was vielfach so nicht mehr stimmt. Wir müssen das Handwerk auch für Gymnasiasten und Studierende attraktiver machen durch Digitalisierung und technische Aufrüstung. Wenn Handwerksbetriebe Hightech-Betriebe sind, dann sind sie auch interessant für Höherqualifizierte. Als Politiker müssen wir dafür sorgen, die Begeisterung fürs Handwerk auch mehr in die Gymnasien und an die Hochschulen zu bringen. Und mit unserer Technologieförderung und dem Digitalbonus unterstützen wir Handwerksbetriebe beim technologischen Fortschritt. Zu einem Imagegewinn des Handwerks würde auch beitragen, wenn wir die Meisterpflicht in vielen Gewerken wiedereinführen würden. Deshalb unterstütze ich diese Bestrebungen.

BSZ Als Wirtschaftsminister werden Sie künftig für die Landesplanung verantwortlich sein. Werden Sie das Landesentwicklungsprogramm noch einmal überarbeiten?
Aiwanger In einem ersten Schritt haben wir ja schon beschlossen, die Änderungen am Alpenplan in Zusammenhang mit dem Riedberger Horn zurückzunehmen. Als Nächstes werden wir uns noch einmal mit dem Anbindegebot bei der Ausweisung von Gewerbeflächen beschäftigen. Die 2017 beschlossene Lockerung war über das Ziel hinausgeschossen. Wir haben zu viel Wildwuchs und Flächenverbrauch auf der grünen Wiese und gleichzeitig negative Auswirkungen auf die Ortskerne.

BSZ Was wollen Sie da konkret machen?
Aiwanger Wir wollen das Anbindegebot an die bestehende Bebauung wieder enger fassen, damit sich die Entwicklung stärker auf innerorts und Ortsrand konzentriert. Ausnahmen soll es bei Betrieben mit starker Lärm- oder Emissionsentwicklung geben. Es geht darum, den Einzelfall wieder sensibler zu betrachten. Ich will wegkommen vom generellen „Feuer frei!“

BSZ Wie groß ist die Bedeutung der Luft- und Raumfahrt für Bayern?
Aiwanger Sehr groß. Wir müssen das nur anders kommunizieren, als das im Wahlkampf geschehen ist. Wir müssen vor allem die Initiativen in der Raumfahrt mehr anwenderorientiert denken und kommunizieren. Die Chancen sind riesig, aber man muss immer im Blick haben, welchen Nutzen ein Projekt für die Praxis und die reale Wertschöpfung hat.

BSZ Das heißt also, Sie haben – wie angekündigt – Markus Söder in dieser Frage „vom Mond geholt“?
Aiwanger Er war ja noch nicht oben.
(Interview: Jürgen Umlauft)

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