Politik

Die Neuen im Kabinett von links: Sandro Kirchner, Christian Bernreiter, Ulrike Scharf und Markus Blume bekamen von Markus Söder (Mitte) ihre Ernennungsurkunden. (Foto: dpa/Sven Hoppe)

23.02.2022

Kabinettumbau: Kampfansage an die politische Konkurrenz

Der Schatten des Ukraine-Konflikts liegt auch über Bayerns Landtag - und damit über Markus Söders Kabinettsumbildung. Seine ersten Worte gelten der Krise im Osten. Dann wird aber deutlich, worum es dem CSU- und Regierungschef wirklich geht

Es dauert nicht lange, bis Markus Söder erstmals selbst das entscheidende Wort in den Mund nimmt: "2023 wird eine Schicksalswahl", sagt er. "Dann muss man auch danach handeln. Ich jedenfalls bin sehr entschlossen, das zu tun." Was an diesem Mittwoch dann folgt, darf man getrost als Zeichen für Söders Entschlossenheit werten. Mehr noch: Rund eineinhalb Jahre vor der Landtagswahl in Bayern ist es auch eine versteckte Kampfansage an die versammelte politische Konkurrenz, inklusive den Koalitionspartner Freie Wähler.

Doch eins nach dem anderen. An vier Stellen baut Söder sein Kabinett um. Wer aber die Personalien Christian Bernreiter, Ulrike Scharf, Markus Blume und Sandro Kirchner genauer betrachtet, erkennt schnell, dass hier nicht nur die Effekte für die tägliche Arbeit in den Ministerien entscheidend für die Berufungen waren. Hinter jedem Name steht auch eine strategische Weichenstellung für die Wahl im nächsten Jahr.

Ein gefährlicher Kontrahent für Aiwanger

Besonders eindrücklich zeigt sich dies am neuen Bau- und Verkehrsminister Bernreiter. Der bisherige Landkreistagspräsident und Landrat von Deggendorf ist in seiner niederbayerischen Heimat ein politisches Schwergewicht und, wie Söder es nennt, auch ein "klares Zeichen an den ländlichen Raum". Söders Kalkül dürfte auch sein: Mit Bernreiter stellt er Freie-Wähler-Chef Hubert Aiwanger im Wahlkampf abseits der Städte und Ballungszentren einen Kontrahenten entgegen, der diesem wahrlich gefährlich werden könnte. Zumindest gefährlicher als der bisherige niederbayerische Minister Bernd Sibler.

Ob Söders gesamte Strategie, die er nach eigenen Worten in den vergangenen Wochen und Monaten in unzähligen Gesprächen, Telefonaten und in Videokonferenzen mit mehr als 2500 Einzelkontakten ausgebrütet hat, erfolgreich ist, muss sich zeigen. In jedem Fall birgt sie auch Gefahren, wie die Berufung des bisherigen Generalsekretärs Markus Blume zum neuen Wissenschafts- und Kulturminister zeigt.

Nicht etwa, weil dieser dem Amt nicht gewachsen sein könnte - aber Söder muss nun bei der Planung des Wahlkampfes auf seinen Generalsekretär und damit einen seiner wichtigsten Männer in der Parteizentrale verzichten. Blume hatte 2018 übernommen, als die CSU 37,2 Prozent holte - seitdem wurden die Ergebnisse nicht besser. Auch das von Söder angekündigte neue Grundsatzprogramm der CSU muss nun Stephan Mayer in seinem Amt als neuer Generalsekretär verfassen.

Söders Strategie birgt auch Gefahren

Klar ist: Angesichts der schwierigen Lage der CSU und der schlechten bis durchwachsenen Ergebnisse bei den vergangenen Wahlen können sich Söder und die CSU keine Fehler bei der nächsten Wahlkampagne leisten. "Der Schuss muss sitzen, er hat nur den einen", heißt es im CSU-Vorstand.

Um dies zu erreichen, ist ein enger Draht und blindes Vertrauen zwischen Parteichef und Generalsekretär unverzichtbar. Dass Söder sich mit Mayer nun einen der einst engsten Vertrauten von Vorgänger Horst Seehofer an die Seite holt, ist zumindest bemerkenswert. Mayer wird allerdings in der Partei, so hört man, weithin geachtet und geschätzt. Und sicher steht auch das Kalkül bei Söder dahinter, dass Mayer in der konservativen Stammwählerschaft Stimmen sichern soll.

Für Söder und die CSU kommt es nun darauf an, sich schnell aus der seit Jahren auch die Partei lähmenden Corona-Apathie zu befreien. Wie kaum eine andere Partei braucht die CSU die Nähe zu den Menschen. Egal ob auf Marktplätzen, in Bierzelten oder an den Stammtischen - für gute Wahlergebnisse ist die Überzeugungsarbeit an der Basis elementar. Sollte die CSU hier ein Comeback schaffen, könnte das in Umfragen sicher die aktuellen Werte von 36 bis 37 Prozent steigern.

Söders Ziehvater Edmund Stoiber betonte ja unlängst sogar, er halte weiterhin eine absolute Mehrheit der CSU für möglich - im Gegensatz zu Söder, der dies wiederholt als nicht mehr erreichbar bezeichnete. 2013 hatte die CSU, damals unter Seehofer, letztmals die absolute Mehrheit geholt - nicht nach Prozenten, aber bei den Landtagssitzen.

Kritische Stimmen zur Abberufung Schreyers

In der CSU gibt es aber auch Stimmen, die nicht an die von Söder beschriebenen Effekte glauben, dass die Partei mit den Neuen am Kabinettstisch in den sieben Regierungsbezirken "einen Ticken" (Söder) mehr Erfolg haben kann und wird. Sie sehen auch die Abberufung einzelner bisheriger Minister kritisch, denen Söder zwar offen dankte, bei denen es aber offenkundig nicht zum Verbleib im Amt reichte. So sei es etwa ungerecht, dass Kerstin Schreyer als Bauministerin für fehlende Wohnungen angegriffen wurde, die einst Söder ankündigte, "die aber niemand hätte bauen können, nicht mal Barack Obama", wie ein Parteivorstand unter der Hand argumentiert.

Das ist auch das Problem der alten und der neuen Minister: Sie können es dem Chef kaum recht machen. Zu leise gefällt nicht. Zu laut aber auch nicht. "Team Ich" lästerte SPD-Chef Florian von Brunn zuletzt über Söder. Die Minister seien nur "Gehilfen", sagt Grünen-Fraktionschefin Katharina Schulze und wirft Söder "Führung durch Angst, Führung durch Druck" vor. Aber auch in der CSU gibt es viele, die Söder seit langem mangelndes Teamplay vorwerfen: dass nur er sich profilieren, dass er im Zweifel alle Aufmerksamkeit auf sich ziehen will.

Letztlich, da sind sie sich in der CSU alle einig, wird das Wohl und Wehe der Partei im Wahlkampf und bei der Schicksalswahl 2023 einzig und allein an Söders Performance hängen. Und, auch das ist parteiintern zu hören: Söder selbst müsse sich hier im Vergleich zum Bundestagswahlkampf deutlich steigern. Auf Rückendeckung aus Berlin kann dieser dabei anders als bei früheren Wahlen nicht hoffen. Zwar hat ihm der neue CDU-Chef Friedrich Merz wiederholt eine gute Zusammenarbeit angeboten, der CSU fehlt aber trotzdem eine eigene bundespolitische Schlagkraft. Seit der Bundestagswahl gibt es keine CSU-Bundesminister und damit einen Bonus für die Partei mehr.

Sollte sich die CSU in der Wählergunst nicht deutlich steigern, dürfte auch Söders bisher stabiles Machtfundament Schlagseite bekommen. So treu die Partei sich vor Wahlen hinter ihren Vorsitzenden stellt: Wenn die Ergebnisse nicht dem eigenen Anspruch gerecht werden, kann auch Söder die Fliehkräfte nicht aufhalten. Das weiß kaum jemand besser als er: Auch er nutzte sie einst im Machtkampf mit Seehofer für seinen Wechsel an die Parteispitze.
(dpa)

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