Politik

Mit neun Transportfahrzeugen brachte Gerhard Hopp vergangene Woche Hilfsgüter an die polnisch-ukrainische Grenze. (Foto: privat)

25.03.2022

"Der Abgesang auf die Volksparteien ist voreilig"

Der CSU-Landtagsabgeordnete und Europapolitiker Gerhard Hopp über den Krieg in der Ukraine und die Herausforderung, seiner Partei ein neues Grundsatzprogramm zu schreiben

Der oberpfälzische Landtagsabgeordnete leitet die Kommission, die das neue CSU-Grundsatzprogramm schreibt. Der 41-Jährige, der sich seit Langem für bessere Beziehungen zum Nachbarn Tschechien engagiert, war diese Woche mit dem Europaausschuss in Bosnien-Herzegowina unterwegs. Zuvor hat er Hilfsgüter an die polnische-ukrainische Grenze gebracht.

BSZ Herr Hopp, Sie sind mit dem Europaausschuss diese Woche nach Bosnien-Herzegowina gereist. Mit welchen Zielen?
Gerhard Hopp Wir waren in Banja Luka, dort haben wir unter anderem das Europa-Zentrum für Frieden und Verständigung und zwei Europaschulen besucht. Und in Sarajevo steht noch ein Treffen mit dem EU-Sonderbeauftragten Johann Sattler an.

BSZ War auch der Ukraine-Krieg ein Thema?
Hopp Wir sind ganz bewusst in eine Region Europas gefahren, die auch aufgrund des Zusammenlebens verschiedener Ethnien und der schwierigen Vergangenheit als einer der Brennpunkte Europas gilt. Eine Region, auf die auch Putin versucht, Einfluss zu nehmen. Darüber haben wir mit dem Bürgermeister und dem Landrat gesprochen, es ging aber auch um Themen wie die Aufarbeitung der gemeinsamen Geschichte.

BSZ Manfred Weber, CSU-Vize und EVP-Chef im Europäischen Parlament, fordert, dass die Ukraine einen EU-Kandidatenstatus erhalten soll. Sie auch?
Hopp Es ist ganz wichtig, der Ukraine ein Signal zu geben, dass wir sie an die demokratischen Staaten in Europa anbinden wollen, auch wenn der Weg zu einer vollen Mitgliedschaft weit ist. Gerade in dieser schwierigen Zeit, in der der Angriff Putins auf die Ukraine auch ein Angriff auf die Demokratie in Europa ist, ist das ein wichtiges Zeichen.

BSZ Aber doch eher ein symbolisches, oder? Länder des westlichen Balkans befinden sich seit Jahren in einer Warteschleife zum EU-Beitritt. Montenegro zum Beispiel ist seit 2010 Beitrittskandidat.
Hopp Ja, aber es gab ja schon vor dem Angriff Putins Gespräche und eine Zusammenarbeit mit der Ukraine. Dass der Beitrittsprozess ein langer sein wird und mit vielen Fragen verbunden, weiß auch die Ukraine. Aber dass wir zusammenstehen, ist klar.

BSZ Ein Schnellverfahren für den Beitritt ist ausgeschlossen?
Hopp Das ist in meinen Augen schwierig und in der jetzigen Lage auch nicht realistisch. Ich denke auch, darum geht es nicht. Sondern um das Zeichen: Wir stehen an der Seite der Ukraine. Wir sind zur Zusammenarbeit bereit. Dazu gehört zum Beispiel auch, dass die EU die Militärhilfe für die Ukraine jetzt auf eine Milliarde Euro verdoppelt hat. Oder der Beschluss, dass die EU eine neue militärische Eingreiftruppe bekommen soll und deren Kern Deutschland stellen will. Hier kommt gerade viel in Bewegung. Und ich glaube, Putin hat unterschätzt, wie stark die Europäer, aber auch die Nato-Mitgliedstaaten zusammenstehen.

„Bei der EU geht es um weit mehr als Geld. Das kommt jetzt bei immer mehr Menschen an. Auch bei uns.“

BSZ Die Eingreiftruppe soll bis 2025 stehen, für den Ukraine-Krieg zu spät. Ukraines Präsident Selenskyj hat sich vergangene Woche im Bundestag über die Zurückhaltung Deutschlands beklagt. Zurecht?
Hopp Ich kann seine Lage absolut nachvollziehen. Selenskyj ist in den vergangenen Wochen zu einer Galionsfigur der Freiheit geworden. Auch persönlich habe ich großen Respekt vor ihm. Genauso vor jedem Ukrainer, der für die Freiheit kämpft. Deutschland tut im Rahmen seiner Möglichkeiten aber sehr, sehr viel. Unser Land ist von den Sanktionen mit am meisten betroffen, das darf man nicht unterschätzen. Ja, anfangs gab es ein Zögern und die Frage, wie sich Deutschland positionieren will. Aber diese Frage ist dann sehr deutlich beantwortet worden.

BSZ Die Debatte über die Abhängigkeit Deutschlands und gerade Bayerns von russischer Energie hat jüngst auch das Verhältnis der CSU zu Putin in den Fokus gerückt. War man da blauäugig?
Hopp Wir haben alle gelernt – auch ich –, dass es Freiheit ohne Sicherheit nicht geben kann. Ohne innere Stärke. Es ist eine bittere Lehre. Ich glaube, es muss ein neuer Realismus in die internationale Politik einziehen. Dazu gehört gerade die Energiepolitik, aber auch Sicherheit.

BSZ Sie haben vergangene Woche persönlich mit Menschen aus Ihrer Region Hilfsgüter an die polnisch-ukrainische Grenze gebracht. Was haben Sie da erlebt?
Hopp Die Helden sind andere, ich habe da nur mitgeholfen. Aber wir waren ein ganz ansehnlicher Transporttrupp mit zwei Lkw und sieben Sprintern. Einfach waren wir zwölf Stunden unterwegs. Das ist unvorstellbar: Man ist in einem halben Tag an der Grenze eines Landes im Krieg! Auf unserem Weg durch Tschechien und Polen wurde die Unsicherheit der Menschen immer spürbarer, je näher wir an die ukrainische Grenze kamen. Und dort sahen wir dann in der Entfernung auch die große schwarze Rauchsäule am Himmel, verursacht von dem Raketenangriff auf eine Militärbasis in der Nähe von Lwiw. Das macht den Krieg erschreckend greifbar, man merkt, wie nah er an uns herangerückt ist. Dort an der Grenze haben wir eine Lagerhalle angemietet und den Weitertransport der Hilfsgüter in die Ukraine organisiert.

BSZ Sie setzen sich seit Langem für bessere Beziehungen zu Tschechien ein. Welche Auswirkungen hat der Ukraine-Krieg auf sie?
Hopp Die Flüchtlingskrise 2015/16 war ja keine einfache Zeit. In der Flüchtlingsfrage gab es mit Tschechien, aber auch Ungarn und Polen großen Dissens. Jetzt aber, auch durch die Nähe des Krieges, durch die unmittelbare Bedrohung der Demokratie, zeigen auch diese Staaten unglaubliches Engagement. Man spürt eine Stärkung des Zusammenhalts – auch mit Blick auf die europäische Wertegemeinschaft, deren Ansehen auch in Tschechien neuen Aufschwung erhält. Das gibt trotz der schrecklichen Zeit auch ein Stück weit Hoffnung. Die Europäische Gemeinschaft ist das größte Friedensprojekt in der europäischen Geschichte. Es geht um weit mehr als die Verteilung von Geld – und das kommt jetzt bei immer mehr Menschen an. Auch bei uns.

BSZ Was anderes: Vor Ihnen steht eine große Aufgabe. Sie leiten die Grundsatzkommission, die in den nächsten Monaten ein neues CSU-Grundsatzprogramm schreiben soll. Wie geht man das eigentlich an?
Hopp Ich war total überrascht, dass man mich mit der Aufgabe betraut hat. Und habe auch echt Respekt davor. Ein großer Vorteil ist, dass mein Landtagskollege Martin Huber und ich da als Duo unterwegs sind. Aktuell stellen wir die Kommission zusammen, das wird in den nächsten Tagen bereits konkreter. Und wir unterhalten uns in jeder freien Minute mit Gesprächspartnern aus den verschiedensten gesellschaftlichen Bereichen – aus der Forschung oder Wirtschaft zum Beispiel. Ab April stürzen wir uns dann in die Arbeit. Die Grundfragen dabei: Wo stehen wir eigentlich und welche Werte verkörpert die Partei? Die Welt hat sich unglaublich stark verändert, nicht zuletzt durch die Klima-Krise, die Ukraine-Krise und die Corona-Krise. Ich glaube übrigens, dass der Abgesang auf die Volksparteien voreilig ist.

BSZ Ist die CSU angesichts der mauen Wahl- und Umfrageergebnisse denn noch eine Volkspartei?
Hopp Aber ja, und angesichts der eruptiven Entwicklungen und der Polarisierung in der Gesellschaft brauchen wir Volksparteien dringender denn je. Denn nur bei ihnen finden sich unterschiedliche Gruppen zusammen, wodurch sie eine integrative Kraft entwickeln können. Volksparteien müssen in meinen Augen gegensätzliche Positionen aushalten – sie diskutieren und zusammenführen. Martin und ich wollen mit dem neuen Grundsatzprogramm auch für ein neues Miteinander stehen.

BSZ Das aktuelle Grundsatzprogramm ist von 2016. Dort zieht sich die Leitkultur wie ein roter Faden durch. Es ist von Genderideologie die Rede und vom besonderen Wert der Ehe zwischen Mann und Frau. Passt das noch zu diesem neuen Miteinander?
Hopp Man muss ja auch die Zeit sehen, in der das geschrieben wurde – damals ging es ganz klar um die Handlungsfähigkeit des Staates in der Flüchtlingskrise. Und dass die Familie für uns als Keimzelle der Gesellschaft gilt, bleibt aktuell. Und das sind Fragen, die wir diskutieren wollen.

BSZ Gerade haben Sie Ihren zweiten Krimi „Maximilianeum“ veröffentlicht, der wieder im Landtag spielt. Was macht mehr Spaß: Krimis schreiben oder ein Grundsatzprogramm für die CSU?
Hopp Fragen Sie mich das in einem Jahr. Meine Maxime ist: Man muss das tun, was einem Spaß macht, und dann klappt es auch besser. Der Krimi hat mir viel Freude bereitet, das macht er hoffentlich auch den Lesern. Beim Grundsatzprogramm habe ich mir das auch vorgenommen, auch dass wir Optimismus und Empathie verkörpern. Und wenn wir es hinkriegen, dass es gelesen wird und dass darüber diskutiert wird – auch darüber, ob es heute noch Volksparteien braucht –, dann haben wir viel geschafft.
(Interview: Angelika Kahl)

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