Politik

Im April hatte der Europäische Gerichtshof (EuGH) Binnengrenzkontrollen im Schengen-Raum für unzulässig erklärt. Deutschland kontrolliert dennoch weiter. (Foto: Sven Hoppe/dpa)

09.09.2022

Der geplatzte Traum von Schengen

Seit sieben Jahren kommt es wegen der Grenzkontrollen zu Staus – eine Änderung ist trotz eines neuen Urteils nicht in Sicht

In Bayern enden dieses Wochenende die Sommerferien. Der ADAC warnt bereits vor langen Staus durch die deutschen Grenzkontrollen. „Autofahrer sollten mindestens 30 bis 60 Minuten Wartezeit an den Grenzübergängen von Österreich nach Deutschland einplanen“, erklärt ein Sprecher der Staatszeitung. Stau-Hotspot sei der Grenzübergang Passau-Suben.

Bahnreisenden ergeht es nicht besser. Vor allem in Zügen, die aus dem ungarischen Budapest Richtung Deutschland fahren, kontrolliert die bayerische Polizei besonders intensiv. Der Deutschen Bahn liegen nach eigenen Angaben keine Durchschnittswartezeiten für die „außerplanmäßigen Halte“ vor. Pendler*innen berichten aber regelmäßig von Grenzaufenthalten von bis zu 45 Minuten.

Der Grund für die deutschen Grenzkontrollen, die der Schengener Grenzkodex 1985 eigentlich für immer beenden sollte, wirkt mittlerweile anachronistisch. 2015 erklärte der amtierende Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU), sie seien noch „eine Weile“ nötig, um „den Zustrom nach Deutschland zu begrenzen“. Zu dieser Zeit erreichten rund 750 000 Flüchtlinge jährlich die Bundesrepublik. Inzwischen sind es ohne ukrainische Flüchtlinge keine 200 000 – weniger als 1994.

Selbst als die Zahlen rapide sanken, hielt Horst Seehofer (CSU), der das Amt des Innenministers 2019 übernahm, an den Grenzkontrollen fest. Überraschend: Sogar seine Nachfolgerin Nancy Faeser (SPD) hat die Kontrollen im April um weitere sechs Monate verlängert. Ob sich das zum nächsten Stichtag am 11. November ändert, darf bezweifelt werden. „Der Meinungsbildungsprozess ist noch nicht abgeschlossen“, sagt eine Ministeriumssprecherin auf BSZ-Anfrage. Ernsthaft?

Erst im April hatte der Europäische Gerichtshof (EuGH) Binnengrenzkontrollen im Schengen-Raum für unzulässig erklärt. Erlaubt wären sie nur bei einer ernsten Gefahr für die innere Sicherheit – und selbst dann maximal für sechs Monate. Konkret ging es bei dem Urteil um die Kontrollen an der österreichisch-slowenischen Grenze.

Das Bundesinnenministerium will dazu keine Stellung nehmen – zur Freude des bayerischen Innenministeriums. Der Bund müsse „auch mit Blick auf das EuGH-Urteil alle rechtlichen Spielräume nutzen, um die Grenzkontrollen weiterhin anzuordnen“, sagt ein Sprecher. 

Für den Europa-Experten im Landtag, Markus Rinderspacher (SPD), hingegen sind offene Grenzen „der Inbegriff des geeinigten Europas“: „Ich bin überzeugt, dass Innenministerin Faeser dies bei ihren Erwägungen im Blick hat und zur Entscheidung kommt, dass es mobile, kurzfristige Grenzraumkontrollen und eine effiziente Schleierfahndung auch tun.“ Hoffentlich behält er recht. (David Lohmann)
 

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