Ein Mann, der im Reichtum stirbt, der stirbt in Schande.“ Das soll der amerikanische Stahlmagnat Andrew Carnegie gesagt haben. Und er hat es tatsächlich geschafft, den größten Teil seines Vermögens bis zu seinem Lebensende 1919 für gemeinnützige Zwecke auszugeben, zum Beispiel für das Konzerthaus Carnegie Hall in New York oder die angesehene Carnegie Mellon University in Pittsburgh, Pennsylvania.
Amerikaner, vor allem die etwas betuchteren, zahlen gemeinhin prozentual deutlich weniger Steuern als Europäer. Das Geld, das ihnen dadurch bleibt, spenden sie häufig an wohltätige Institutionen oder gründen selbst eine Stiftung. Die meisten Deutschen halten es für gerechter, wenn Vater Staat etwas mehr Steuern einzieht und das Geld anschließend über das Land verteilt. Denn so entscheiden nicht ein paar wenige Vermögende, sondern die demokratische Mehrheit über die Ausstattung zum Beispiel des Sozialstaats oder zentraler Bildungseinrichtungen.
Neben der abgeschafften Vermögensteuer ist dabei immer wieder die Erbschaftsteuer ein Zankapfel. Das Bundesverfassungsgericht hatte im Dezember 2014 festgestellt, dass Betriebsvermögen nicht gegenüber sonstigem Eigentum bevorzugt werden darf. Bislang ist es so, dass Erben großer Firmen weit weniger Erbschaftsteuer zahlen müssen, als wenn sie denselben Wert in bar geerbt hätten. Als Hauptargument wird oft genannt, dass kein Firmenerbe Mitarbeiter entlassen müssen soll, um die Erbschaftsteuer bezahlen zu können.
Kurioser Vorschlag: Alle Bürger kriegen das gleiche
Bis Sommer 2016 muss die Große Koalition in Berlin nun eine Neuregelung finden. Diskutiert wird derzeit über einen neuen, recht komplizierten Vorschlag aus dem Bundesfinanzministerium. Einig ist man sich noch lange nicht. „Der jetzige Entwurf zur Erbschaftsteuerreform ist nicht zustimmungsfähig. Er wäre ein Verstoß gegen den Koalitionsvertrag“, sagt Bayerns Finanzminister Markus Söder (CSU) der Staatszeitung. Denn dieser Entwurf, so Söder, sei „eine klare Steuererhöhung. Selbst nach Aussage des Bundesfinanzministeriums müssen 1,5 Milliarden Euro mehr an Steuern bezahlt werden. Das belastet den Mittelstand und vernichtet Arbeitsplätze.“
Laut Thomas Mütze, haushaltspolitischer Sprecher der Grünen-Landtagsfraktion, ist es auch nach dem Entwurfpapier von Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) weiter möglich, dass „Betriebsvermögen von über 100 Millionen Euro steuerfrei weitergegeben werden können“. Er zweifelt, dass das Verfassungsgericht bei einer erneuten Prüfung damit einverstanden sein würde und schlägt stattdessen eine einheitliche, aber niedrige Erbschaftsteuer vor, die ausnahmslos für alle Vermögensarten gilt. „Noch haben wir Zeit für einen Kurswechsel“, sagt Mütze, „dazu braucht es Mut und ein wenig Standfestigkeit.“
Ein ganz anderer Kurswechsel schwebt den Freien Wählern im Landtag vor. Sie wollen die Erbschaftsteuer komplett abschaffen. „Es ist höchste Zeit, dieses ewige juristische und politische Gezerre um die Erbschaftsteuer sowie die Verunsicherung der Wirtschaft und Bürger diesbezüglich zu beenden“, heißt es aus der Fraktion. Die Erbschaftsteuer sei auch für den Staat nicht sinnvoll, denn sie mache nur 0,8 Prozent des Gesamtsteueraufkommens in Deutschland aus, decke aber in zahlreichen Bundesländern nicht einmal die Personalkosten für ihre Erhebung. Ähnlich wie die Freien Wähler sieht es die außerparlamentarische Opposition: „Wenn der Staat Familienunternehmen beim Generationenwechsel in die Tasche greift, vernichtet er Arbeitsplätze. Wir müssen entweder Betriebsvermögen von der Erbschaftsteuer verschonen oder, falls das rechtlich nicht möglich ist, die Erbschaftsteuer komplett abschaffen“, erklärt FDP-Landeschef Albert Duin.
Abschaffen will die Erbschaftsteuer auch die AfD in Bayern: „Es ist überhaupt nicht einzusehen, wieso der Staat ein größeres Recht auf diese Erbschaften haben sollte als die natürlichen Erben“, sagt der Landesvorsitzende Petr Bystron.
In Deutschland werden riesige Summen vererbt
Wenn es indes nach dem emeritierten Ökonomieprofessor Guy Kirsch geht, sollten wir über 100 Prozent Erbschaftsteuer nachdenken. Der 77-jährige Luxemburger, der lange im schweizerischen Freiburg gelehrt hat, will zu vererbendes Vermögen komplett in einen zentralen staatlichen Fonds fließen lassen, aus dem jeder erbberechtigte Hinterbliebene beim Tode eines nahen Verwandten die gleichhohe Summe erhält – unabhängig davon, ob Vater oder Erbtante 500 Millionen oder gar nichts hinterlassen haben. Schlupflöcher will Kirsch durch extrem hohe Schenkungssteuern schließen. Originell ist Kirschs Begründung. Er sei kein Kommunist, sagt er, sondern ein „individualistischer“ Liberaler. Denn der Liberalismus gehe davon aus, „dass mit jedem Individuum das Leben neu beginnt“ – also ohne ererbtes Vermögen. Kirsch will die herrschende Gesellschaftsordnung ordentlich durchrütteln, denn er befürchtet soziale Unruhen, wenn sich die Brisanz sozialer Ungleichheit immer weiter verschärft.
In Deutschland sollen bis zum Jahr 2020 rund 2,6 Billionen Euro vererbt werden. Das sind 28 Prozent des rund 10,2 Billionen Euro umfassenden Vermögensbestands der Deutschen. Für Bayern gibt es aktuell keine belastbaren Zahlen. Laut Finanzministerium ist eine Schätzung auf Grundlage der Erbschafts- und Schenkungssteuerstatistik „aufgrund der hohen persönlichen Freibeträge für Erwerber im engsten Familienkreis nicht aussagekräftig“. Dennoch ist es für Kenner des Freistaats kein gewagter Schluss, dass auch künftig zahlreiche Bayern frei nach Andrew Carnegie „in Schande“ sterben werden. (Jan Dermietzel)
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