Einen Gewinner der 30. Weltklimakonferenz (COP 30) gab es bereits vor deren Beginn am 10. November: die Hoteliers der im Amazonasgebiet gelegenen brasilianischen, 1,5 Millionen Einwohner zählenden, Stadt Belém. Viele Zimmer kosten deutlich mehr als 1000 Euro pro Nacht. Kein Wunder: Neben Staats- und Regierungschefs werden rund 50 000 Gäste zu der bis zum 21. November dauernden Konferenz der Vereinten Nationen erwartet. Doch wegen der hohen Übernachtungskosten klagten Vertreter der besonders vom Klimawandel betroffenen Länder des Globalen Südens, man könne sich die Reise zum UN-Gipfel schlicht nicht leisten.
2,8 Grad wärmer - mehr Extremwetter
Klar ist: Die Herausforderungen der Weltgemeinschaft beim Klimawandel sind enorm. Die Erde steuert den Vereinten Nationen zufolge bis zum Ende des Jahrhunderts auf 2,8 Grad Erderwärmung gegenüber der vorindustriellen Zeit zu – wenn die Weltgemeinschaft ihre Anstrengungen beim Klimaschutz nicht erhöht.
Schreitet der Klimawandel voran, wird Forschern zufolge Extremwetter wie Starkregen, Hitzewellen oder Stürme in vielen Regionen der Erde zunehmen – mit fatalen Folgen für viele Milliarden Menschen.
Gerade einmal 6 Prozent des CO2-Aussstosses gehen auf das EU-Konto
2024 hat der globale Ausstoß an Kohlendioxid einen neuen Höchstwert von 39,6 Milliarden Tonnen erreicht. Mehr als vier Fünftel dieser Emissionen gingen auf die G20-Staaten zurück. Am meisten Treibhausgase pumpte im vergangenen Jahr China in die Atmosphäre – über 29 Prozent der CO2-Äquivalente verursachte das Reich der Mitte. Die USA kamen auf 11 Prozent, Indien auf über 8 Prozent – die EU rutschte zuletzt auf einen Anteil von weniger als 6 Prozent, Deutschland liegt bei knapp 1,3 Prozent.
Beim durchschnittlichen Pro-Kopf-Verbrauch lag im vergangenen Jahr unter den G20-Staaten Saudi-Arabien mit 17,7 Tonnen CO2 vor Kanada mit 14,9 Tonnen. Ein Chinese kam im Schnitt auf 9,1 Tonnen, eine EU-Bürgerin auf 5,6 Tonnen.
Wer hiesige Schlagzeilen liest, hat dennoch mitunter den Eindruck, dass es ganz wesentlich in der Hand der Deutschen liege, das Klima zu retten. Doch letztlich entscheidet sich die Frage, ob die Menschheit die Erderwärmung auf ein zumindest einigermaßen erträgliches Maß senken kann, weit entfernt vom alten Kontinent. Eine bittere Pille für den Klimaschutz ist, dass die USA unter Präsident Donald Trump Anfang des Jahres erneut das Pariser Klimaschutzabkommen gekündigt haben. Washington setzt seither stärker auf fossile Energiequellen.
Indien will erst 2070 klimaneutral sein
Und China baut zwar riesige Solar- und Windparks. Peking setzt jedoch noch immer im großen Stil auf fossile Brennstoffe: Im ersten Halbjahr nahm die Volksrepublik so viel Kohlekraft neu ans Netz wie seit fast einem Jahrzehnt nicht mehr. Und Indien baut eifrig Kohlemeiler. In den sozialen Medien verbreiteten Klimaaktivisten im Sommer hierzulande allerdings lieber die Meldung, dass mehr als die Hälfte des indischen Stroms aus erneuerbaren Energien stamme. Falsch – es handelt sich nur um die installierte Stromerzeugungskapazität. Zuletzt wurden in Indien noch immer mehr als zwei Drittel des Stroms mit dem Verbrennen von Kohle erzeugt. Erst im Jahr 2070 will Indien klimaneutral sein.
Deutschland dagegen peilt bereits für 2045 Klimaneutralität an – und ist dabei auf einem guten Weg. Die Treibhausgasemissionen sind im vergangenen Jahr dem Umweltbundesamt zufolge um weitere 3,4 Prozent gegenüber 2023 gesunken. Ihr selbst gestecktes Ziel hat die Bundesrepublik damit erreicht.
Doch zahlt Berlin dafür einen hohen Preis. Strom und Energie sind anderswo billiger – dies koste in Zeiten generell nachlassender Wettbewerbsfähigkeit immer mehr Jobs, klagt die Wirtschaft. Umweltverbände und manche Fachleute halten dagegen den Umstieg auf grüne Energien für zwingend, um langfristig wettbewerbsfähig zu bleiben.
Emissionshandel: Viele Tausend Jobs in Gefahr?
Unstrittig ist: Seit 2019 gingen über 200 000 Industriearbeitsplätze verloren. Vor allem energieintensive Branchen machten Fabriken dicht oder verlagerten Standorte ins Ausland. Doch in Indien oder anderen Ländern gelten oft weit niedrigere Umweltstandards.
Weil die Regeln für den Emissionshandel nun strenger würden, werde der Preis für Klimaschutzzertifikate die nächsten Jahre enorm steigen, prophezeit der Chemieriese BASF. Weitere mindestens 200 000 Jobs seien so in Gefahr, klagt auch der Spezialchemiekonzern Evonik.
Eine Hypothek für den selbsternannten Klimaschutz-Primus Deutschland. Denn bereits jetzt droht die Stimmung in Sachen Klimaschutz hierzulande zu kippen. Und opfert die Bundesrepublik noch mehr Industriearbeitsplätze und damit Wohlstand, kann sie dem Globalen Süden nicht mehr mit hohen Milliardensummen helfen, das Klima zu schützen.
Es gibt allerdings diverse Bereiche, in denen Deutschland dem Klima helfen kann – ohne negative Folgen für die Industrie. Bund und Länder sollten ÖPNV und Bahn konsequent ausbauen – und den Güterverkehr von der Straße auf die Schiene bringen. Im Verkehrssektor wurden die Emissionen anders als im Gebäude- und Industriesektor seit 1990 kaum abgesenkt.
In Belém werden derweil keine großen Fortschritte bei den Einsparzielen erwartet. Vor allem die Forderung Brasiliens, fossile Energieträger zugunsten von erneuerbaren Energien weltweit auslaufen lassen, wird unerfüllt bleiben. (Tobias Lill)
Dieser Artikel erschien am 14. November in der gedruckten Ausgabe der Bayerischen Staatszeitung.
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