Politik

Kurt Faltlhauser war insgesamt 34 Jahre Abgeordneter in Bayern und im Bund, 1995 holte ihn Stoiber als Staatskanzleichef nach München, von 1998 bis 2007 amtierte Faltlhauser als Finanzminister. (Foto: dpa/SZ Photo, Alessandra Schellnegger)

16.05.2025

"Die Bundesregierung muss Stellen einsparen"

Bayerns Ex-Finanzminister Kurt Faltlhauser (CSU) über den Schuldenrausch der Berliner GroKo, Sparpotenziale in Bund und Land und das Ansehen von Politikern

In Bayern fungierte Ex-Finanzminister Kurt Faltlhauser (84) neun Jahre als oberster Sparfuchs. Zusammen mit Ministerpräsident Edmund Stoiber zimmerte er ab 1999 ein umfangreiches Sparpaket. 2006 legte Bayern als erstes Land einen ausgeglichenen Etat vor. Die Megaschulden im Bund findet Faltlhauser trotzdem nicht verkehrt, Sparvorschläge hat er aber durchaus. Wobei – allzu viel Gemosere verkneift er sich, er mag „kein Klugscheißer sein“.

BSZ: Herr Faltlhauser, Sie waren ein strenger Finanzminister, legten unter Edmund Stoiber einen ausgeglichenen Haushalt vor, später tilgte Bayern sogar Altschulden. Graut es Ihnen, wenn Sie die Riesenschulden im Bund sehen?
Kurt Faltlhauser: Zwischen 1999 und 2006 hatten wir in Bayern permanent Steuerschätzungen, die nach unten gegangen sind. Trotzdem haben wir den ausgeglichenen Haushalt gewagt, zugegebenermaßen mit teilweise harten Sparmaßnahmen. Aber: Das war in einer anderen Zeit, mit weniger dramatischen Herausforderungen, es herrschte Frieden und Zufriedenheit. Heute ist das völlig anders. Totalitäre Systeme sind auf dem Vormarsch, wir haben es mit eruptiven wirtschaftlichen Rahmenbedingungen zu tun, siehe die Politik von Trump. Das fordert alle demokratischen Staaten heraus, auch Deutschland. Mit Sparsamkeit im Haushalt kann man die Ausgaben für unsere und die europäische Sicherheit nicht finanzieren. Die Schuldenprogramme sind alternativlos. Ich bin da also nicht empört. Im Gegenteil, ich habe das Friedrich Merz vor der Wahl in einem Brief sogar selbst vorgeschlagen.

 

BSZ: Das erklärt erstens nicht den Wortbruch von Merz, der derlei Schulden vor der Wahl ausgeschlossen hat, und zweitens nicht die weiteren 500 Millionen Schulden für Investitionen.
Faltlhauser: Dieser zweite Vorschlag kam ja nicht von der Union. Aber er ist nicht falsch. Vielleicht sind die zwölf Jahre Laufzeit, innerhalb derer diese Investitionen realisiert werden müssen, etwas zu lang. Man kann notwendige Investitionen auch vertrödeln. Ich habe auch keine Angst vor Inflation. Die Inflation geht zurzeit sogar zurück. Wir brauchen aber trotzdem ein Finanzierungsgerüst in Form der Schuldenbremse. Das bedeutet: Die Haushalte von Bund und Ländern müssen sich weiter an die verfassungsgemäßen Vorgaben halten.

 

BSZ: Der Wortbruch von Friedrich Merz stört Sie nicht?
Faltlhauser: Er hat ja durchaus angedeutet, dass zusätzliche Schulden möglich sind. Und in seinem Antwortschreiben auf meinen Brief hat er das auch klar signalisiert. Im Übrigen: In meinen 34 Jahren als Abgeordneter in Bund und Land habe ich kaum einen Wahlkämpfer erlebt, der seine Sprüche von vor der Wahl allesamt eingehalten hat.

 

"Es sind in den vergangenen zehn Jahren im Bund keine Sparprogramme durchgeführt worden."

 

BSZ: Trotz der Zusatzmilliarden für Sicherheit und Investitionen muss der Bund also Haushaltsdisziplin an den Tag legen. Wo liegt Sparpotenzial?
Faltlhauser: Es gibt eine Reihe von Programmen der Bundesregierung, die ich kritisch sehe. Das geht im Kleinen los. Wir haben eine Steigerung des Personals allein im Kanzleramt zwischen 2013 und 2024 von 271 Prozent! Und es gibt acht Bundesministerien, bei denen die Planstellensteigerung bei über 60 Prozent liegt.

 

BSZ:  Wie kann das sein? Wäre es nicht die Aufgabe von Bundesfinanzministern gewesen, hier einzuschreiten?
Faltlhauser: Es sind in den vergangenen zehn Jahren im Bund keine Sparprogramme durchgeführt worden. Hier hat Finanzminister Klingbeil eine große Aufgabe.

 

"Ich kann Probleme nicht immer nur damit lösen, dass Personal aufgestockt wird."

 

BSZ: Was hat Sie in den letzten Jahren konkret aufgeregt und was würden Sie tun?
Faltlhauser: Ich würde wie gesagt beim Personal in Berlin massiv rangehen. Ich kann Probleme nicht immer nur damit lösen, dass Personal aufgestockt wird. Lassen Sie mich ein Beispiel aus Bayern nennen.

 

BSZ: Bitte.
Faltlhauser: Wir hören von allen Seiten, dass wir mehr Planstellen für Lehrkräfte brauchen. Gleichzeitig sind 60 Prozent der Lehrkräfte an bayerischen Schulen in Teilzeit. Das sind nicht nur die jungen Mütter, sondern auch 40- und 50-Jährige haben extrem hohe Teilzeitquoten. Ich finde die neue Schulministerin gut (Anna Stolz, Freie Wähler, d. Red.), aber ihr Plan des finanziellen Anreizes, um Mehrarbeit zu erreichen, wird nicht funktionieren. Man muss die Teilzeit gesetzlich begrenzen. Dass Teilzeit unter 20 Prozent der Vollarbeitszeit liegt, geht gar nicht.

 

BSZ: Aber immer weniger junge Menschen entscheiden sich für den Lehrberuf. Die Teilzeitmöglichkeit ist für viele mit ausschlaggebend.
Faltlhauser: Besser wäre es, den Leuten einen Aufstieg zu ermöglichen. Ich habe in meiner Amtszeit nie verstanden, warum Grundschullehrer nicht über die Besoldungsstufe A12 hinauskamen. Man muss Anreize schaffen! Eine weitere Sparmöglichkeit liegt bei der Arbeitszeit im öffentlichen Dienst allgemein. In meiner Amtszeit haben wir die Arbeitszeit auf 42 Stunden erhöht. Jeden Tag gab’s damals Demonstrationen dagegen. Irgendwann hat der Beamtenbund nicht mehr protestiert. Aber dann kam Horst Seehofer und hat als Ministerpräsident bei einer Veranstaltung erklärt, die Arbeitszeiterhöhung wird abgeschafft. Das hat 300 Millionen Euro pro Jahr gekostet. Drittes Beispiel: Die Staatsregierung hat ein Pflegegeld eingeführt, 1000 Euro pro Jahr ab Pflegestufe 2, einkommensunabhängig. Ab kommendem Jahr wurde das auf 500 Euro halbiert. Warum schafft man das nicht ganz ab?

 

"Die Mehrwertsteuersenkung für die Gastronomie ist nicht richtig"

 

BSZ: Zurück zum Bund. Stelleneinsparungen mögen sinnvoll sein. Aber die großen Ausgabenblöcke sind Migration und Soziales.
Faltlhauser: Die neue Bundesregierung ist dran. Ich hoffe, dass die Vorschläge des Kanzlers von der SPD akzeptiert werden. Es sollten vor allem keine teuren Programme aufgelegt werden. Thema Rente: Die sehr schwierige Rentenproblematik kann nicht durch einen Schnellschuss von Bärbel Bas (die neue Arbeitsministerin/SPD,d. Red.) kurz nach der Amtseinführung gelöst werden. Da muss die gesamte Bundesregierung intensiv mitarbeiten.

 

BSZ: Was ist denn dann mit der neu von der CSU ausverhandelten Erhöhung der Mütterrente? Ihr Parteifreund Erwin Huber hat bereits auf die hohen Kosten hingewiesen.
Faltlhauser: Ich widerspreche meinem Freund Erwin Huber ungern. Auch bei diesem Thema nicht.

 

BSZ: Thema Mehrwertsteuersenkung für die Gastronomie: Richtig?
Faltlhauser: Nein.


BSZ: Der neue Bundesfinanzminister ist Sozialdemokrat. Franz Josef Strauß hat gelästert, eher lege ein Hund einen Wurstvorrat an, als dass ein Sozialdemokrat spart.
Faltlhauser: Ich bin optimistisch. Mir gefällt, dass eine „kleine große Koalition“ mit der SPD da ist. SPDler sind seriöse Partner.

 

BSZ: Sie haben den Großteil Ihres Berufslebens der Politik gewidmet und kennen auch die Schattenseiten. Angenommen, einer Ihrer Enkel würde den Wunsch äußern, in die Politik zu gehen: Würden Sie sich freuen?
Faltlhauser. Akzeptieren, freuen nicht. Das Ansehen von Mandatsträgern ist miserabel geworden. Das war früher anders. Der Anreiz, diese Laufbahn einzuschlagen, ist angesichts des Rufes der Politiker nicht mehr groß. Daran sind auch die Medien schuld. Aber Politik ist eine Leidenschaft, das kann man nicht rational beurteilen. So kamen auch meine Entscheidungen für die politische Arbeit zustande.
(Interview: Waltraud Taschner)

 

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