Politik

CSU-Parteichef Markus Söder leitet am Freitag und Samstag den Parteitag in Augsburg. (Foto: dpa/Michael Matthey)

28.10.2022

Die CSU auf dem Weg in Söders Schicksalsjahr

Beim Parteitag in der Augsburger Messe hat Parteichef Markus Söder am Freitag und Samstag eine klare Aufgabe

Angesichts seines Termin- und Reisepensums dürfte der Parteitag an diesem Freitag und Samstag für CSU-Chef Markus Söder beinahe so etwas wie eine Ruhepause sein. Seit Monaten, seit es aus Söders Sicht die Corona-Krise zulässt, tourt der bayerische Ministerpräsident tagaus und tagein durch den Freistaat, kein Fest ist zu klein für einen Besuch, kein Richtfest zu weit entfernt. Nicht selten reihen sich die Termine in Söders Kalender wie eine Perlenkette aneinander. Dass Söder wie nun in Augsburg praktisch 24 Stunden an einem Ort ist, ist schon alleine durchaus bemerkenswert.

Söder macht das nicht ohne Grund: Nach den Corona-Jahren und dem von ihm selbst lange verantworteten strengen Kurs im Infektionsschutz soll der Draht zu den Bürgern wieder besser werden, getreu dem CSU-Motto "Näher am Menschen". Nicht wenige - auch in der CSU - sehen darin einen versteckten Vorwahlkampf. 2023 gilt als Söders Schicksalsjahr. Im Herbst wird in Bayern gewählt.

Fakt ist aber, dass Söders unstreitig extrem hohes Terminpensum bislang nichts Zählbares für die CSU bringt. In Umfragen verharrt die Partei seit März 2021 im Bereich des Wahlergebnisses von 2018 (37,2 Prozent), welches Söder selbst ja als "schmerzhaftes Ergebnis" wertete, aus dem die Partei Lehren ziehen müsse. Pünktlich zum Parteitag liefert aber ausgerechnet eine repräsentative Umfrage des Institutes Forsa mit 41 Prozent einen für die CSU psychologisch wichtigen Wert - in der Partei wird es nur wenige stören, dass die Umfrage im Auftrag der CSU erstellt wurde.

"Söder rackert viel, er arbeitet viel, aber er ist eben nicht jedermanns Liebling", versucht sich ein CSU-Vorstand in einer Erklärung über die stagnierenden Umfragewerte. Andere Analysen von Mitgliedern aus der Parteispitze fallen drastischer aus: Söder und damit die CSU hat ein Glaubwürdigkeitsproblem. Mehr dazu später.

Lautes Wehklagen gibt es in der CSU aber nicht. "Die Stimmung ist gut", fasst es wenig überraschend der bundesweit noch immer nur wenig bekannte CSU-Generalsekretär Martin Huber zusammen. Auch Söder betont immer wieder gern, wie gut bei seinen vielen Terminen die Stimmung sei, er erfahre dort viel Zuspruch, sagt er dann gern.

Tatsache ist aber, dass derartige Aussagen zum hohen Zuspruch bei Auftritten im Land schon vor der Pleite von 2018 zu hören waren. Auch damals zeigte sich hinterher im Wahlergebnis, dass es in Bayern wohl noch viele andere Menschen geben muss, die ihr Kreuz am Ende eben nicht bei der CSU mach(t)en.

Der Kompass ist maximal durcheinander geraten

Zurück zum Glaubwürdigkeitsproblem. In der Partei ist in diesem Kontext auffällig häufig dieser Ansatz zu vernehmen: Nach mehreren 180-Grad-Wendungen in den vergangenen Jahren ist der Kompass der CSU maximal durcheinander geraten. Als Beispiele werden der extrem konservative Kurs unter Söders Vorgänger Horst Seehofer (unter Beteiligung Söders) in der Asylfrage genannt, der einst beinahe die Unionsgemeinschaft mit der CDU zerstört hätte, dann der Schmusekurs zur CDU bis hin zu Söders "Vergrünung" der CSU samt Baumumarmungen und Sympathien für Koalitionen mit den Grünen.

Auch Söders verlorener Kampf um die Unionskanzlerkandidatur und seit der dadurch mitverschuldeten Pleite bei der Bundestagswahl seien nach wie vor nicht verdaut. "Gerade in den reflektierenderen Milieus hat das für viel Verwirrung und auch Skepsis wegen fehlender Konstanz gesorgt", heißt es aus hohen Parteikreisen. Erst habe Söder sich mit Sätzen wie "Wer nicht mit der Zeit geht, geht mit der Zeit" als Modernisierer inszeniert, nun arbeite er auch aus Sorge um die konservativen Stammwähler an einer Renaissance der "Bayern gegen Berlin-Politik", fordere die Rückkehr jener Atomkraft, deren Ende er selbst einst forderte. Vor wenigen Wochen kassierte Söder auf der Bühne bei der Jungen Union sogar die von ihm geforderte Frauenquote wieder ein, "völlig ohne jede Not", meinen kopfschüttelnde Kritiker.

Das sei aber nicht das einzige Problem, ist zu hören. Letztlich fehle ein überzeugendes Konzept, ein in sich schlüssiger Gegenentwurf, der über das "Weite so in Bayern" und das "Dagegen im Bund" hinausgehe. Gerade auch mit Blick auf die Landtagswahl. "Was immer die CSU jetzt an der Energiepolitik des Bundes kritisiert, nach 16 Jahren als Teil der Bundesregierung sind wir in der Mithaftung", sagt ein Vorstandsmitglied. "Da kommen wir nicht aus der Verantwortung, da können wir meckern und mit dem Finger nach Berlin zeigen, wie wir wollen." Aus diesem Grund profitiere die CSU in Umfragen auch nicht von der schwächelnden Ampel-Regierung im Bund.

Doch was bedeutet das für die Zukunft? Bis zur Wahl im Herbst 2023 sitzt Söder fest im Sattel. Die CSU ist berühmt für ihre Loyalität bis zum Wahltag. Sollte das Ergebnis aber unter der 37 Prozentmarke landen, wird die Luft eng - auch wenn die CSU dann weiter die klare Nummer Eins im Land ist.

"Söders Glück ist, dass er hinter sich keinen Söder hat", sagt ein Vorstand und beschreibt damit ein weiteres Problem der Partei. Denn letztlich kann die CSU derzeit wahrlich nicht auf ein Füllhorn potenzieller Nachfolger oder gar Anwärter für den Parteichefsessel verweisen. Sollte dies so bleiben, könnte es sogar dazu kommen, dass die CSU einst Söder beknien müsste, auch bei der übernächsten Wahl in die Bresche zu springen. Denn nach eigenen Worten reichen Söder ja zehn Jahre als Ministerpräsident. Das sagte er es zumindest 2018. (Marco Hadem, Christoph Trost und Felix Müschen, dpa)

Kommentare (0)

Es sind noch keine Kommentare vorhanden!
Die Frage der Woche

Soll das Gesetz für mehr Barrierefreiheit gelockert werden?

Unser Pro und Contra jede Woche neu
Diskutieren Sie mit!

Die Frage der Woche – Archiv
X
Vergabeplattform
Vergabeplattform

Staatsanzeiger eServices
die Vergabeplattform für öffentliche
Ausschreibungen und Aufträge Ausschreiber Bewerber

Jahresbeilage 2024

Nächster Erscheinungstermin:
28. November 2025

Weitere Infos unter Tel. 089 / 29 01 42 54 /56
oder
per Mail an anzeigen@bsz.de

Download der aktuellen Ausgabe vom 29.11.2024 (PDF, 19 MB)

E-Paper
Unser Bayern

Die kunst- und kulturhistorische Beilage der Bayerischen Staatszeitung

Abo Anmeldung

Passwort vergessen?

Geben Sie Ihren Benutzernamen oder Ihre E-Mail ein um Ihr Passwort zurückzusetzen. Bei Fragen wenden Sie sich bitte an: vertrieb(at)bsz.de

Zurück zum Anmeldeformular 

Bei Problemen: Tel. 089 – 290142-59 und -69 oder vertrieb@bsz.de.

Abo Anmeldung

Passwort vergessen?

Geben Sie Ihren Benutzernamen oder Ihre E-Mail ein um Ihr Passwort zurückzusetzen. Bei Fragen wenden Sie sich bitte an: vertrieb(at)bsz.de

Zurück zum Anmeldeformular 

Bei Problemen: Tel. 089 – 290142-59 und -69 oder vertrieb@bsz.de.