Politik

Viele ältere Menschen wollen ihre Rente aufbessern. Doch so einfach ist das gar nicht. (Foto: dpa)

03.07.2015

Die Fallstricke der Flexi-Rente

Alle wollen ein flexibleres Renteneintrittsalter – Arbeitnehmervertreter warnen allerdings vor den Folgen

Die Große Koalition in Berlin will älteren Beschäftigten ermöglichen, im Berufsleben zu bleiben, ist sich aber uneins über die Details. Am heutigen Freitag berät der Bundestag über einen Antrag der Grünen zur sogenannten Flexi-Rente, für die sich auch Bayerns Wirtschaftsministerin Ilse Aigner (CSU) starkmacht: „Viele Betriebe klagen über den Abgang hochqualifizierter Mitarbeiter, der Fachkräftemangel verschärft sich“, so Aigner. „Wir müssen echte Anreize für längeres Arbeiten schaffen.“ Nach Aigners Vorstellungen sollen für Arbeitnehmer im Rentenalter keine Beiträge zur Arbeitslosenversicherung mehr fällig werden – und zwar weder für Arbeitnehmer noch für Arbeitgeber. Sofern der länger arbeitende Arbeitnehmer seinen Beitrag zur Rentenversicherung weiter zahlt, soll er indes künftig auch zu einer höheren Rente führen.

Die Flexi-Rente bringt Arbeitnehmern derzeit nichts


All das klingt vernünftig. Wieso nutzen so wenige die Flexi-Rente? Weil sie ihnen bislang nichts bringt. Bisher zahlt der Arbeitgeber zwar für seinen Flexi-Renten-Arbeitnehmer Rentenversicherungsbeiträge. Aber dessen Rente steigt dadurch nicht.
Kerstin Celina, arbeitsmarktpolitische Sprecherin der Landtagsgrünen, findet „Flexibilität in jede Richtung beim Renteneintrittsalter richtig und wichtig“. Es dürfe allerdings nicht dazu kommen, dass die Sozialversicherungen belastet werden. Ähnlich sieht das der Landesvorsitzende der Arbeiterwohlfahrt, Thomas Beyer. Er begrüßt „flexiblere Übergangsmodelle, die frühere Teilrenten ermöglichen, ohne die Beitragszahler insgesamt zu belasten“. Beyer warnt allerdings davor, dass durch Flexibilisierung Druck entsteht: „Bei der konkreten Ausgestaltung muss darauf geachtet werden, dass Freiwilligkeit gewahrt bleibt.“ Niemand solle sich gezwungen fühlen, wegen einer Mini-Rente weiterzuarbeiten. „Die Flexi-Rente darf kein Alibi sein, um das Rentenniveau weiter zu senken“, so Beyer. So sieht das auch Gabi Schmidt, arbeitspolitische Sprecherin der Freien Wähler im Landtag. Sie fordert darüber hinaus „eine gezielte Personalpolitik, die sich auch nach den Bedürfnissen der älteren Beschäftigten richtet“.
Wer einmal in Rente ist und sich erst dann entscheidet, wieder arbeiten zu wollen, steht vor einem Problem. „Dies ist derzeit nur unter sehr restriktiven Voraussetzungen möglich“, heißt es im bayerischen Wirtschaftsministerium. Von der Möglichkeit, den Rentenbeginn nach hinten zu verschieben, machen derzeit nur zwei Prozent der „Altersrenten-Neuzugänge“ Gebrauch. Ein Sprecher des Wirtschaftsministeriums wettert zudem gegen die Rente mit 63, das Gegenmodell zur Flexi-Rente, das die SPD in der Großen Koalition durchgesetzt hat: „Um in Zeiten des demografischen Wandels zukunftsfähig zu bleiben, brauchen wir keine neuen Anreize zur Frühverrentung, sondern gute Rahmenbedingungen, damit die Menschen länger arbeiten.“

Was das Ganze kostet


Und was kostet das alles? Konkrete Zahlen will niemand nennen. In Aigners Wirtschaftsministerium heißt es, eine „mutig ausgestaltete Flexi-Rente“ sei für alle ein Gewinn: Zwar fehlten Einnahmen im Sozialversicherungssystem, wenn man Beiträge streiche. „Aber wer länger arbeitet, zahlt dafür auch Steuern. Unter dem Strich ist der Nutzen deutlich höher als die Kosten“, verspricht der Aigner-Sprecher.
Daran glaubt auch Bayerns FDP-Chef Albert Duin. Er fordert: „Jeder Bürger soll frei entscheiden können, wie lange er am Erwerbsleben teilnimmt.“ Und auch Eberhard Sasse, Präsident des bayerischen Industrie- und Handelskammertags, wünscht sich mehr Anreize für einen späteren Renteneintritt. Die Fachkräftelücke in Bayern liege derzeit bei 132 000 Beschäftigten und werde bis 2030 auf 347 000 ansteigen. Sasse wünscht sich, dass vor allem Mechatroniker, Automatisierungstechniker, Maschinenbauer und Elektroniker im Freistaat ihren Ruhestand nach hinten verschieben. (Jan Dermietzel)

Kommentare (3)

  1. Sebastian am 07.07.2015
    "Niemand solle sich gezwungen fühlen, wegen einer Mini-Rente weiterzuarbeiten. „Die Flexi-Rente darf kein Alibi sein, um das Rentenniveau weiter zu senken“ Bei der deutschen Post AG schon!
  2. Roland am 06.07.2015
    Flexi Rente ist mir völlig Wust!
    In 5 Jahren ist eh alles vorbei, dann brauch eh
    keine Flexi mehr!

    Im übrigen wäre man dumm, wenn man bei diesen
    sozialen Gefälligkeiten (weniger Lohn/bei gleicher Arbeit) bei der
    Post nicht früher
    verschwindet!

    Pfui Teibl!
  3. Zitrone am 04.07.2015
    Wenn sich die CSU bei Arbeitnehmerbelangen meldet, müssen bei diesen die Alarmglocken läuten. Dann geht es regelmäßig zu ihren Lasten und zu Gunsten der Wirtschaft. Siehe den Widerstand gegen den Mindestlohn, Werkverträge bei BMW und AUDI und und und.
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