Politik

„Die Generation, die nach uns kommt, wird sagen: Ihr müsst noch mehr tun“, sagt Kilian Gumpp. (Foto: dpa/Britta Pedersen)

05.11.2021

"Die Generationenkonflikte werden sich verschärfen"

Landjugend-Sprecher Kilian Gumpp über die UN-Klimaschutzkonferenz, Öko-Sorgen junger Menschen und mit welchen Mitteln sich der Klimawandel noch aufhalten lässt

Kilian Gumpp ist als Jugenddelegierter für die Katholische Landjugendbewegung Bayern bei der Weltklimakonferenz in Glasgow. Er fordert im BSZ-Interview mehr Investitionen in den Klimaschutz, den Ausbau alternativer Technologien und vor allem in Bayern ein Umdenken bei der CSU – auch um für junge Menschen wieder attraktiv zu werden.

BSZ: Herr Gumpp, Sie hätten wegen starker Unwetter beinahe nicht zur UN-Klimakonferenz nach Glasgow reisen können. Sind das schon die Auswirkungen des Klimawandels?
Kilian Gumpp: Es sieht fast so aus. Die Zuglinien nach Glasgow waren wegen Starkregen und Überflutungen gesperrt. Schade, dass die meisten Staats- und Regierungschefs mit dem Flugzeug anreisen und davon gar nichts mitbekommen. 

BSZ: Die erste Weltklimakonferenz fand 1979 statt. Haben Sie das Gefühl, dass diese Treffen tatsächlich etwas bewirken?
Gumpp: Ja! Es hat noch nie nicht geholfen, gemeinsam über ein Problem zu reden. Konkrete Maßnahmen, die das Ruder rumreißen, sind allerdings nicht zu erwarten. Die Veranstaltung dient eher dem Austausch und der weltweiten Berichterstattung, damit das Thema präsent bleibt.

BSZ: Wieso sollte das kleine Deutschland beim Klimaschutz voranschreiten, wenn sich zum Beispiel China, Indien oder die USA als Hauptverursacher von CO2 kaum an Abmachungen halten?
Gumpp: Wir haben als eine der am weitesten entwickelten Industrienationen mit einer fortschrittlichen Wissenschaft eine Vorbildrolle. Außerdem hat Deutschland in der Vergangenheit im Vergleich zum globalen Süden schon viel von seinem CO2-Budget verbraucht. Wir können uns daher jetzt nicht zurücklehnen und sagen: Das bringt sowieso alles nichts. 

BSZ: Die KLJB hat einen landwirtschaftlich geprägten Hintergrund. Unterscheiden sich Ihre Interessen beispielsweise von anderen Jugendbewegungen wie der vom Bund Naturschutz?
Gumpp: Bei der Kernforderung sind wir uns alle einig: Der globale Temperaturanstieg muss auf 1,5 Grad begrenzt werden. Unterschiede gibt es eher bei den Details, also wie ambitioniert das Ziel umgesetzt werden soll. Wir wollen aber nicht, dass jetzt alle Landwirte auf Bio umstellen. Wir fordern, sinnvoll mit den Ressourcen umzugehen. Da passiert in Bayern schon sehr viel. 

BSZ: Deutschland wird wegen der laufenden Koalitionsverhandlungen in Glasgow eine „lame duck“ genannt, also eine lahme Ente.
Gumpp: Das nehmen wir auch so wahr. Viele deutsche Spitzenpolitiker*innen reisen nur für wenige Tage oder wie Umweltministerin Svenja Schulze (SPD) erst am Ende an. Die Ampel-Koalition ist mit sich selbst beschäftigt. Ich glaube aber, dass die neue Regierung danach mehr gegen den Klimaschutz unternimmt als die vorherige. 

BSZ: Unter Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat Deutschland letztes Jahr sieben Milliarden Euro ausgegeben, um ärmere Länder beim Kampf gegen den Klimawandel zu unterstützen. Das ist viel Geld.
Gumpp: Wenn wir uns anschauen, wie viel Geld für die Corona-Krise lockergemacht wurde, ist das ein kleiner Beitrag für eine lebensfähige und lebenswerte Welt. Von den weltweit 100 Milliarden Euro für ärmere Länder sind wir außerdem noch weit entfernt – auch wenn Deutschland seine Zahlungen in Glasgow noch mal aufgestockt hat. 

BSZ: Wie soll der Klimawandel aufgehalten werden? Der Abbau der Rohstoffe, die für den Bau von Elektroautos oder Windrädern benötigt werden, zerstört teilweise ganze Landstriche.
Gumpp: Wir brauchen einen Technologiewandel. Natürlich ist aktuell vieles noch nicht perfekt. Aber wenn ich Technologien beispielsweise bei der Elektromobilität nicht einsetze, kommen wir gar nicht voran. Allein in den letzten ein, zwei Jahren sind so viele Ideen zur Marktreife gekommen, mit denen sich die Ressourcennutzung deutlich verringern lässt. Wir müssen jetzt in die Umsetzung kommen, um Prozesse weiter optimieren zu können. 

BSZ: Erstwählende haben bei der Bundestagswahl zwar vor allem die Grünen, aber auch die FDP gewählt. Was sagt das über das Interesse der jungen Menschen am Klimaschutz aus?
Gumpp: Für mich ist das ein ganz klares Signal hin zum Aufbruch und weg von festgefahrenen Strukturen, wie wir sie durch die vielen Jahrzehnte CSU auch in Bayern haben. Die junge Generation wünscht sich Veränderung, dafür stehen Grüne und FDP. Ob das dann auch bei der Ampel-Koalition zu spüren ist, steht auf einem anderen Blatt. (lacht) 

„Nachhaltiges Einwegbesteck? Viele Marketing-Versprechen sind im Detail oft alles andere als grün“

BSZ: Da die Politik nicht handelt, versuchen Umweltorganisationen wie die Deutsche Umwelthilfe immer häufiger, den Klimaschutz vor Gericht zu erstreiten. Eine gute Idee?
Gumpp: Auf jeden Fall. Das Bundesverfassungsgericht hat im Frühjahr dieses Jahres entschieden, dass die Politik mehr gegen den Klimawandel tun muss und das Problem nicht nachfolgenden Generationen überlassen darf. Für uns war das ein Zeichen, dass die Gewaltenteilung bei uns funktioniert. Scheinbar war dieses „Anschuggerle“ aus der Judikative nötig. 

BSZ: Wie bewerten Sie die Klimapolitik der bayerischen Staatsregierung?
Gumpp: Gerade in Bayern haben wir beim Umweltschutz noch eine weite Strecke vor uns. Allein, wenn man sich anschaut, wie viele Freiflächen jeden Tag mit Neubauten versiegelt werden, obwohl die Stadtzentren vielerorts immer leerer werden. Speziell für den Klimaschutz müsste vor allem damit aufgehört werden, Moore für Äcker und Weiden trockenzulegen. Aus dem Torf entweichen enorme Mengen Treibhausgas. Die bis 2030 geplante klimaneutrale Verwaltung klingt zwar schön und gut. Aber ohne entsprechende Technologien können wir momentan noch gar nicht klimaneutral agieren, sondern nur unseren Verbrauch anderweitig kompensieren. Das ist aber nur die zweitbeste Lösung. 

BSZ: Klimaschutz wird von Befürwortern und Gegnern immer sehr emotional diskutiert. Warum?
Gumpp:Weil die jungen Menschen erkennen, dass es so nicht weitergehen kann und wir unsere Lebensweise ändern müssen. Wenn wir das 1,5-Grad-Ziel nicht erreichen, werden sich die Klimaeffekte deutlich beschleunigen. Davor fürchten wir uns. Dann müssen sich spätestens unsere Enkel und Urenkel drastisch einschränken. Natürlich ruft der Wandel aber auch bei älteren Menschen Unsicherheiten hervor. Diese sorgen sich um ihren Arbeitsplatz und den damit verbundenen Strukturwandel. 

BSZ: Wie unterscheidet sich denn das Verhalten Ihrer Generation beim Klimaschutz von dem älterer Semester?
Gumpp: Ich glaube, wir haben ein größeres Bewusstsein für die Thematik. Wir wissen, Flugreisen sind nicht der perfekte Weg, und wenn, muss es die Strecke rechtfertigen. Von München nach Berlin bin ich mit dem Zug genauso schnell. Aber das war vor 30, 40 Jahren noch anders. Damals gab es auch noch keine Videomeetings, um sich den Businesstrip zu sparen. Ich möchte daher den vorherigen Generationen keine Vorwürfe machen. 

BSZ: Die Fridays-for-Future-Welle haben viele als kurzzeitiges Phänomen abgetan. Wie nachhaltig ist das Thema?
Gumpp: Solange es bei Symbolpolitik statt effektiver Maßnahmen bleibt, wird dieser Generationenkonflikt bestehen bleiben und sich noch verschärfen. Denn die, die nach uns kommen, werden sagen: Ihr müsst noch mehr tun. Inzwischen engagieren sich aber auch immer mehr Erwachsene bei Fridays for Future. Kürzlich haben wir gemeinsam mit den Christians for Future ein Forderungspapier an den Augsburger Bischof übergeben.

BSZ: Was kann jeder Mensch ganz konkret im Alltag tun, um das Klima zu schützen? Und was ist Aktionismus?
Gumpp: Es sind oft Kleinigkeiten: Muss es der Erdbeerkuchen im Winter sein oder der Kaffee aus der Kapselmaschine? Das sind Entscheidungen, mit denen ich meinen Klima-Fußabdruck selbst beeinflussen kann. Ganz konkret also: Lieber regional vom Erzeuger aus der Region und Obst und Gemüse in der Saison kaufen. Für Aktionismus halte ich die vielen Marketing-Versprechen der Konzerne, die im Detail oft gar nicht grün sind. Mein Lieblingsbeispiel ist das „nachhaltige Einwegbesteck“.

BSZ: Ihre Vision vom Jahr 2030?
Gumpp: Wir haben es geschafft, den Individualverkehr aus den Städten rauszuhalten, was weniger CO2 bedeutet. Gleichzeitig haben wir es hinbekommen, auf dem Land neue Mobilitätskonzepte anzubieten, damit der ländliche Raum nicht abgehängt wird. Alle Gebäude wurden klimafreundlich gebaut oder entsprechend saniert. Gerade in Bayern wäre das gut umsetzbar. Dann haben wir eine reelle Chance, das 1,5-Grad-Ziel einzuhalten. (Interview: David Lohmann)

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