Energiepreispauschale, Heizkostenzuschüsse, Tankrabatt, 9-Euro-Ticket – selbst viele Fachleute dürften mittlerweile den Überblick über die finanziellen Entlastungsmaßnahmen verloren haben, die die Bundesregierung vor dem Hintergrund explodierender Kosten für Energie und Lebensmittel auf den Weg gebracht hat. Zumal Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) kürzlich noch einen weiteren Vorschlag präsentiert hat, der ebenfalls in diese Richtung zielt: Nach seinem Willen soll es ab dem kommenden Jahr ein sozial gestaffeltes Klimageld geben – für Alleinstehende, die monatlich weniger als 4000 Euro brutto verdienen, sowie für Verheiratete, die zusammen auf weniger als 8000 Euro pro Monat kommen. Das könne aus den Einnahmen der CO2-Bepreisung finanziert werden, regte er kürzlich in einem Interview an.
Klimageld nur für ökologisch Bewusste?
Dass gerade Menschen mit niedrigeren Einkommen durch die Preissteigerungen und die galoppierende Inflation so arg gebeutelt werden, dass sie dringend staatlichen Beistand brauchen, dürften selbst hartleibigste Wirtschaftsliberale kaum noch bestreiten. Wie das geschehen sollte, darüber gehen die Meinungen allerdings weit auseinander.
Wenig verwunderlich, dass die CSU – in Berlin in der Opposition – Heils Klimageld-Vorschlag in Bausch und Bogen ablehnt. Der Vorstoß sei „reine Schaufensterpolitik“, findet der sozialpolitische Sprecher der CSU-Landtagsfraktion, Thomas Huber: „Vor allem die geplanten Einkommensgrenzen sind völlig realitätsfern.“ Dass der Minister nur zwischen Alleinstehenden und Verheirateten differenziere, sei „deutlich zu kurz gegriffen“. Denn, so Huber, „es macht einen großen Unterschied, ob ein, zwei, drei oder mehr Kinder in einer Familie leben oder ob es sich um Alleinerziehende handelt“. Zudem könnte das Klimageld einen enormen bürokratischen Aufwand verursachen.
Aber auch in der Ampel-Koalition selbst gibt es kritische Stimmen, vor allem in der FDP. Ein einkommensgestaffeltes Klimageld habe „nichts mit einem sinnvollen Sozialausgleich für den Klimaschutz zu tun, sondern wäre nur ein gewöhnliches bürokratisches Umverteilungsprogramm“, urteilt beispielsweise der bayerische FDP-Generalsekretär Lukas Köhler. Die Grünen wiederum signalisieren zwar Zustimmung, allerdings unter Vorbehalt. „Klimaschutz und Klimageld müssen aneinandergebunden sein – alles andere wäre Etikettenschwindel“, betont etwa der bayerische Grünen-Vorsitzende Thomas von Sarnowski. Sprich: Nur wer weniger Energie verbraucht oder erneuerbare nutzt, soll finanziell profitieren.
Wirtschaftsvertreter können sich mit dem Vorschlag des Arbeitsministers ebenfalls nicht anfreunden. Grundsätzlich sei es zwar richtig, die Belastungen der Bürger aufgrund steigender Energie- und Lebensmittelpreise auszugleichen, räumt Bertram Brossardt, Hauptgeschäftsführer der Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft (vbw) ein. Ein Klimageld halte man dennoch für ungeeignet. „Aufgrund der hohen Belastungen durch die Energiepreise ist vielmehr die Aussetzung des CO2-Preises gerechtfertigt, da es sich hierbei um eine politisch gewollte Verteuerung des Energieeinsatzes handelt, die sowohl die Bürger als insbesondere auch die Wirtschaft belastet“, erklärt Brossardt.
Stehen Heil und die SPD in Sachen Klimageld also allein auf weiter Flur? Mitnichten, denn vor allem aus den Sozial- und Umweltverbänden kommt Beifall für die Idee. Eine solche Hilfe wirke zielgenau und sei „sozialpolitisch und ökologisch das richtige Signal“, heißt es beispielsweise in einer gemeinsamen Presseerklärung des Paritätischen Wohlfahrtsverbands und des Bunds für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND). Und auch für den VdK geht die Initiative in die richtige Richtung. „Das Klimageld macht durchaus Sinn“, sagt der bayerische VdK-Landesgeschäftsführer Michael Pausder – gerade im Hinblick auf die steigende Altersarmut. Nach Angaben des Statistischen Bundesamts gelten allein im Freistaat 26 Prozent der Frauen über 65 Jahre als armutsgefährdet, bei den Männern sind es immerhin noch 19,5 Prozent.
Eines machen die Sozialverbände jedoch deutlich: Allein das Klimageld wird die Probleme einkommensschwächerer Menschen kaum beseitigen. Der Paritätische Wohlfahrtsverband fordert deshalb eine deutliche Erhöhung der Leistungen in Hartz IV und Altersgrundsicherung. Entscheidend sei, dass „an verschiedenen Stellschrauben gedreht wird, damit sich die soziale Ungleichheit nicht noch weiter verstärkt“, sagt auch Michael Pausder.
Auch den Vorschlag eines Lastenausgleichs gibt es
Deshalb plädiert der VdK beispielsweise für eine Senkung der Mehrwertsteuer auf Medikamente und Lebensmittel. Und für ein Umdenken in der Steuerpolitik. Vielleicht eine Steuerreform, wie sie Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) kürzlich ins Gespräch brachte, als Gegenmodell zu Heils Klimageld? Nein, lehnt der VdK-Landesgeschäftsführer schnell ab: „Wenn die FDP so einen Vorschlag macht, dann läuten bei uns die Alarmglocken.“ Weil es dann meist um Steuerentlastungen für diejenigen gehe, die ohnehin überdurchschnittlich verdienten.
Stattdessen bringt Pausder lieber das Wort „Umverteilung“ ins Spiel. Etwa durch eine einmalige Vermögensabgabe wie beim Lastenausgleich nach dem Zweiten Weltkrieg – „laut Grundgesetz wäre das möglich“. Dass sich Liberale bei dieser Idee vermutlich mit Grausen abwenden, ficht ihn nicht an. „Man muss groß denken“, sagt er vielmehr – um den wachsenden Nöten von Menschen mit geringen Einkommen endlich wirksam zu begegnen.
(Brigitte Degelmann)
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