Rainer Kirchdörfer ist wütend. Der Stuttgarter Rechtsanwalt ist Vorstand der Stiftung Familienunternehmen. Im zusammen mit dem Ifo-Forscher Klaus Wohlrabe erstellten Jahresmonitor des Lobbyverbands ist nachzulesen, dass es in der digitalen Kommunikation zwischen Wirtschaft und Verwaltung noch immer heftig hakt. 1800 Unternehmen haben Wohlrabe und sein Team befragt, das Ergebnis ist ernüchternd. Nur bei 8,5 Prozent der Firmen funktionierte die digitale Abwicklung bürokratischer Vorgänge mit Ämtern und Behörden technisch einwandfrei, bei 51,4 Prozent immerhin noch „teilweise reibungslos“, bei rund einem Drittel dagegen schlecht bis gar nicht. Kirchdörfer sieht den Staat in der Pflicht.
Die Zahlen beziehen sich auf ganz Deutschland, Daten für Bayern gibt es nicht. Auch wenn diese vielleicht etwas besser sein mögen, die grundlegende Analyse der Ifo-Forscher dürfte auch hierzulande gelten: Die Nutzerfreundlichkeit der digitalen Verwaltungsdienstleistungen müsse besser werden, nötig sei eine Neukonzeption staatlichen Verwaltungshandelns. Die einfache Übertragung bestehender Prozesse und Formulare in die Onlinewelt reiche nicht aus. Außerdem funktioniere der Datenaustausch zwischen verschiedenen Behörden häufig nicht. „Oftmals sind die Systeme nicht ausreichend miteinander verknüpft, was zu ineffizienten Prozessen und unnötigem Aufwand für die Nutzer führt“, heißt es in der Studie.
Die zuständigen Minister kennen die Probleme
Die in Bayern zuständigen Minister Albert Füracker (CSU, Finanzen) und Fabian Mehring (Freie Wähler, Digitales) kennen die Probleme, wollen die Kritik aber so nicht stehen lassen und verweisen auf den Bitcom Länderindex 2024, nach dem Bayern bei der Digitalisierung den Spitzenplatz unter den deutschen Flächenländern belegt. Beide räumen aber auch ein, dass man noch nicht am Ziel aller Wünsche ist. „Die End-to-End-Digitalisierung haben wir noch nicht in Perfektion, aber wir arbeiten intensiv an Lösungen, damit es besser wird,“ beteuert Füracker. Mehring ergänzt: „Mein Anspruch ist es, dass wir zu den führenden EU-Staaten Dänemark und Estland aufschließen.“
Als ein gewichtiges Hindernis dorthin haben die Minister ausgemacht, dass die bayerischen Kommunen verschiedene digitale Systeme nutzen. Diese Insellösungen seien miteinander nicht kompatibel, was zu Zeit- und Reibungsverlusten führe. Dabei gäbe es ein einheitliches System: das Bayerische Behördennetz (BYBN). „Ich empfehle dringend die Nutzung des Behördennetzes, kann das aber nicht verordnen“, erklärt Füracker. Denn würde er es tun, müsste er das auch bezahlen – Stichwort Konnexität. Ungeachtet dessen ist es Füracker aber ein „großes Rätsel“, warum noch nicht längst alle Kommunen dabei seien. Schließlich biete das BYBN laufenden technischen Support und eine IT-Sicherheitsstruktur zum Schutz vor Cyber-gefahren. Zudem ermögliche es die bruchfreie digitale Kommunikation zwischen der staatlichen Verwaltung und den Kommunen.
„Föderalismus ist der Endgegner der Digitalisierung“
Auch Mehring setzt auf einheitliche Lösungen. „Föderalismus ist der Endgegner der Digitalisierung“, sagt er. Unter Fürackers Federführung hat die Staatsregierung nun die Zukunftskommission „#Digitales Bayern 5.0“ mit den kommunalen Spitzenverbänden eingerichtet. Mehring verweist auf Fortschritte wie die Bayern-Packages für einheitliche Onlinelösungen. Speziell für Unternehmen werde es ab 2025 ein eigenes Portal mit einem Single-Zugangspunkt geben, über den alle Kontakte mit Behörden laufen könnten inklusive leicht handhabbarer Authentifizierung. Am liebsten wäre Mehring, wenn sukzessive alle Verwaltungsschritte digital würden, ohne analoges Backup. „Das wäre billiger und effizienter“, sagt Mehring, und es würde den Druck zur Digitalisierung in Ämtern und Behörden erhöhen.
Beim Bayerischen Gemeindetag sieht man dazu durchaus den Willen. Dass es derzeit noch einen „Wildwuchs“ der Systeme gibt, begründet der zuständige Referent Florian Eckert mit der fehlenden Steuerung durch den Freistaat in den vergangenen Jahren. Lange habe es geheißen: „So, Kommune, jetzt digitalisier mal!“ Also hätten sich die Kommunen nach ihren Bedürfnissen – von der Landeshauptstadt bis zur 1000-Einwohner-Gemeinde – auf dem Markt mit Softwarelösungen eingedeckt. Eckert wertet es als positiv, dass nun mithilfe der Zukunftskommission an einer bayernweiten Gesamtstrategie gearbeitet wird.
(Jürgen Umlauft)
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