Politik

Steigende Zinsen, explodierende Baustoffpreise, Förderkürzungen sowie die wachsende Unsicherheit der Verbraucher*innen machen der Baubranche auch in Bayern zunehmend zu schaffen. (Foto: dpa/Carsten Hoefer)

12.08.2022

"Düstere Aussichten"

Die Zahl der Auftragseingänge in der Baubranche brach zuletzt ein – die Unsicherheit in der Branche wächst

Max Heimerl ist jemand, der deutliche Worte findet: „Im Januar war die Welt noch in Ordnung“, sagt der Ostbayer. Der Chef des gleichnamigen Bauunternehmens in Schönthal im Landkreis Cham meint damit die Auftragslage bei seiner Firma, die bis zum Jahreswechsel glänzend war – so wie bei den meisten Betrieben der Branche. Doch seither habe sich die Situation spürbar verschlechtert, berichtet Max Heimerl, dessen Familienunternehmen mit circa 120 Beschäftigten vornehmlich schlüsselfertige Wohnhäuser baut. „Die Zahl der Anfragen für eine Erstberatung oder Planung sind im Vergleich zum Durchschnitt der letzten drei Jahre um 30 Prozent zurückgegangen.“

Ähnlich wie ihm gehe es derzeit vielen Bauunternehmern aus der Region, sagt Max Heimerl. Zwar seien die Auftragsbücher in der Regel noch voll – „in unserem Fall sogar bis Herbst nächsten Jahres“, so der Firmenchef. Doch angesichts der jüngsten Entwicklungen wachsen die Sorgen in einer Branche, die seit Jahren nur eine Richtung kannte – steil nach oben. Denn aktuell gebe es erste Warnzeichen, dass der Aufwärtstrend ein Ende finden könnte, sagt Max Heimerl. „Es ist noch nicht dramatisch, aber man merkt es.“

Wenger Baugenehmigungen

Für die sinkende Nachfrage macht der Unternehmer aus der Oberpfalz vor allem drei Faktoren verantwortlich. Erstens, die reduzierte Förderung für Energiesparhäuser seitens der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW). Zweitens, die „galoppierenden Baustoffpreise“, so Heimerl. Und drittens, die steigenden Zinsen für Bankdarlehen. „Wer heute einen Kredit über 300.000 Euro für 20 Jahre aufnimmt, der zahlt allein für die Zinsen 70.000 Euro mehr als noch vor einigen Monaten“, rechnet der Bauunternehmer vor.

Mit Blick auf die bundesweite Branchenlage sagt Felix Pakleppa, der Hauptgeschäftsführer des Zentralverbands Deutsches Baugewerbe: „Aktuell haben die Unternehmen noch viel zu tun. Wie lange dieser Trend anhält, kann aber keiner sagen.“ So spricht Pakleppa von „düsteren Aussichten“ mit Blick auf die jüngsten Zahlen des Statistischen Bundesamts zu den Auftragseingängen im Baugewerbe. Diese lagen im Mai um 7,5 Prozent niedriger als im Vorjahr. Und auch die Zahl der Baugenehmigungen in Deutschland sank in den ersten fünf Monaten des laufenden Jahres: Insgesamt bewilligten die Behörden von Januar bis Mai den Neu- und Umbau von 155.347 Wohnungen – mithin 1,6 Prozent weniger als im Vorjahreszeitraum.

Inflation schlägt durch

„Die Inflation schlägt hierzulande mehr und mehr durch und treibt die Preise für Energie und Baumaterial. Gleichzeitig klettern die Bauzinsen“, erläutert Felix Pakleppa vom Zentralverband Deutsches Baugewerbe. „Eine zunehmende Verunsicherung ist bei vielen Bauherren und Investoren angesichts der Preisentwicklungen zu spüren, hören wir.“

Mit Blick auf die Situation im Freistaat will Andreas Demharter indes noch keinen Alarm schlagen. Dem Hauptgeschäftsführer des Landesverbands Bayerischer Bauinnungen (LBB) zufolge sind die Unternehmen nach wie vor gut ausgelastet und verfügen in der Regel über ein solides „Auftragspolster“. Auch die jüngste Konjunkturabfrage des LBB im Frühjahr habe ein Bild gezeigt, wonach die Firmen ihre aktuelle Situation als gut bewerten. „Bei den Aussichten jedoch waren sie deutlich zurückhaltender“, sagt Andreas Demharter.

Der LBB-Geschäftsführer verweist in dem Zusammenhang auf eine Reihe von Erschwernissen, mit denen die Branche derzeit zu kämpfen habe. Eines davon sei die schwierige Baustoffversorgung infolge von Lieferengpässen. Zwar sei ihm aktuell keine Baustelle bekannt, die infolgedessen die Arbeit habe einstellen müssen, sagt Demharter. „Aber für die Unternehmen ist es oftmals extrem aufwendig, die Baustellen am Laufen zu halten.“

"Mittelgroße Delle"

Als noch gravierender bewertet der LLB-Vertreter jedoch zwei andere Faktoren. Zum einen den weiterhin verbreiteten Personal- und Fachkräftemangel, der gerade in Zeiten hoher Krankenstände aufgrund von Corona umso schwerer wiege. Zum anderen würden die steigenden Energiepreise die Baubranche zunehmend belasten, sagt Andreas Demharter. „Die Unternehmen selbst sind nicht besonders energieintensiv – aber die Stoffe, die sie verarbeiten.“ So bräuchten jeder Mauerstein genauso wie Zement, aber auch sämtliche bauchemische Produkte viel Energie bei der Herstellung, gibt der LBB-Geschäftsführer zu Bedenken. Sollten die Preise also wie vorhergesagt weiter kräftig steigen, „dann könnte das auch für die Baubranche ein Gamechanger sein“.

Wobei Andreas Demharter ausdrücklich darauf hinweist, „dass wir nicht vergessen dürfen, wo wir herkommen“. Nämlich von einem sehr hohen Level, auf das der Boom der Vorjahre die Baubranche gehievt hat. So sagt auch Max Heimerl über sein Unternehmen im Landkreis Cham: „Wir hatten in den letzten Jahren dreimal so viele Aufträge wie wir abarbeiten konnten.“ Allein in solch einer „Luxussituation“, so der Firmenchef, seien längst nicht alle Betriebe. Entsprechend rechnet Max Heimerl damit, dass das eine oder andere Unternehmen angesichts steigender Preise und sinkender Nachfrage womöglich ins Minus rutschen könnte. „Der Branche ging es viele Jahre sehr gut“, sagt der Firmenchef. „Doch jetzt rechne ich 2023 oder 2024 mit einer mittelgroßen Delle.“
(Patrik Stäbler)

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