Politik

Ursula Münch meint: Eine CDU-Mitgliederbefragung ist nicht hilfreich. (Foto: apb)

14.02.2020

"Eigentlich müsste Merkel zurücktreten"

Ursula Münch, Direktorin der Akademie für Politische Bildung in Bayern, über den Rückzug von CDU-Chefin Kramp-Karrenbauer, mögliche Nachfolger und den Zeitplan zur Kandidatenkür

Nach dem angekündigten Rückzug Annegret Kramp-Karrenbauers als Parteichefin und ihrem Verzicht auf die Kanzlerkandidatur steht die Union Kopf. Vor allem Kramp-Karrenbauers Plan, noch monatelang im Amt zu bleiben, sorgt für Irritationen. Die CSU warnt vor einer inakzeptablen Hängepartie. Unklar ist, wer AKK als Parteichef und Kanzlerkandidat nachfolgt.

BSZ: Frau Münch, kam Kramp-Karrenbauers Rückzugsankündigung überraschend für Sie?
Ursula Münch: Nein. Die Ankündigung, nicht mehr als Kanzlerkandidatin zur Verfügung zu stehen, hat mich nicht überrascht. Ich habe damit gerechnet, dass das spätestens im Sommer erfolgt. Dass sie nun zwangsläufig auch den Parteivorsitz abgibt, war ebenfalls keine Überraschung. Was mich allerdings schon erstaunt hat, war, wie sie sich die zeitlichen Abläufe vorstellt. Ob das so funktioniert, wage ich zu bezweifeln.

BSZ: Warum waren Sie nicht überrascht? Weil Sie AKK für ungeeignet halten?
Münch Ein nennenswerter Teil der CDU war darauf bedacht, Kramp-Karrenbauer zu schwächen, ihre Autorität zu untergraben. Andererseits ist offensichtlich, dass AKK im politischen Handeln kein glückliches Händchen hatte, sachliche Fehler gemacht hat, immer wieder in alle möglichen Fettnäpfchen hineingetreten ist. Dass der CDU-Landesverband Thüringen sie systematisch hat auflaufen lassen, war dann der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen gebracht hat.

BSZ: Was ist so schlimm daran, wenn der CDU-Parteitag im Dezember den Nachfolger bestimmt?
Münch: Die Republik kann doch jetzt nicht ein halbes Jahr lang mit einer Kandidatensuche behelligt werden. Erst haben wir monatelang die Kandidatensuche der SPD miterleben müssen und die Frage, ob die Groko bestehen bleibt oder nicht. Jetzt haben wir das endlich abgewendet – und sollen Zeugen werden von einer Kandidatenkür der CDU. Die Republik hat andere Sorgen als ständige Personaldebatten.

BSZ: Wie sollte die CDU jetzt am besten verfahren?
Münch: Ein Problem, das gelöst werden muss – und das ja auch Kramp-Karrenbauer Schwierigkeiten bereitet hat –, ist die unglückliche Aufspaltung von Kanzleramt und Parteivorsitz. Ich könnte mir vorstellen, dass Frau Kramp-Karrenbauer eventuell die altruistische Idee hatte, dass sie das dem Nachfolger ersparen möchte. Dass also beim CDU-Parteitag im Dezember ein neuer Parteivorsitzender bestimmt wird, der dann zugleich Kanzlerkandidat wird. Eigentlich müsste man der CDU raten, dass Kanzlerin Merkel vorzeitig zurücktritt. Aber das kann sich niemand ernsthaft wünschen.

BSZ: Was spräche dagegen?
Münch: Das würde die bundespolitische Lage zunächst instabiler machen. Gewiss: Aus CDU-Sicht wäre es das Beste, wenn Kanzlerschaft und Parteivorsitz in einer Hand lägen. Aber wenn Merkel jetzt zurückträte, wäre das meines Erachtens fatal, gerade auch mit Blick auf Europa – Deutschland übernimmt ja im zweiten Halbjahr die europäische Ratspräsidentschaft. Und die SPD hat ja bereits klargemacht, dass sie die Groko ohne Merkel nicht fortführen würde. Wer soll dann regieren? Wir hätten dann die Situation, dass wir vorgezogene Neuwahlen bräuchten. Abgesehen davon, dass diese verfassungsrechtlich schwer zu erreichen sind, kann sich das kaum jemand ernsthaft wünschen.

"Merz hat die besten Karten, weil er die konservativen CDUler hinter sich hat"

BSZ: Was dann?
Münch: Eine Überlegung wäre, den Parteitag vorzuziehen, auf den Sommer. Nur: Jeder der Kandidaten, von denen wir mutmaßen, dass sie Ambitionen haben, wird sich überlegen, was für ihn günstiger ist – den Parteitag und die Kandidatenkür hinauszuzögern, um Anhängerschaften zu sondieren und länger unangefochten im aktuellen Amt bleiben zu können, oder das Ganze vorzuziehen. Jetzt schauen wir doch mal, wie mutig die Herren sind. Ob sie so mutig im Antreten wie im Stänkern sind.

BSZ: Was halten Sie von den vier Kandidaten, die im Gespräch sind: Merz, Söder, Laschet, Spahn?
Münch: Es geht nicht um meine persönliche Präferenz, sondern darum, wer in der jetzigen Konstellation der Geeignetste ist. AKKs Plan, erst über den Kanzlerkandidaten und dann über den Parteivorsitzenden zu entscheiden und beides in eine Hand zu geben, interpretiere ich so, dass die CDU einen CDU-Kanzlerkandidaten haben möchte. Das wäre eine Absage an die CSU. Söder sagt ja außerdem, dass er gar nicht will. Und aus Sicht der CDU besteht kein Mangel an Kandidaten. Die CDU würde der CSU die Kanzlerkandidatur nur dann antragen, wenn sie der Meinung wäre, dass die CSU einen Kandidaten besitzt, mit dem die Union deutlich besser abschneiden würde. Ich sehe im Moment nicht, dass die CDU eine so schlechte Prognose bezüglich ihrer eigenen Leute hat. Und die CSU kann sich dann nicht selber ins Spiel bringen.

BSZ: Und welcher CDU-Kandidat hat die besten Chancen?
Münch: Im Moment hat Friedrich Merz relativ gute Karten, weil er diejenigen in der CDU hinter sich hat, die AKK ablehnen – also den relativ breiten Flügel rechts der Mitte, der eher konservativ ausgerichtet ist, Führungsstärke anmahnt und klare Positionierung in der Innen- und Migrationspolitik, mit dem Ziel, der AfD Stimmen abzujagen. Merz hat den Vorteil, dass er Kramp-Karrenbauer bei der Wahl zum Parteivorsitz nur knapp unterlegen ist, vor allem wegen seiner damaligen schlechten Rede. Viele sehen in Merz einen Hoffnungsträger. Wobei er einen entscheidenden Nachteil hat: Er ist nicht mehr der Jüngste, und er hat keine Regierungserfahrung. Die zweitbesten Chancen hat Armin Laschet. Aber der ist für viele zu sehr die Fortsetzung von Angela Merkel. Ob Laschet außerdem das schaffen würde, was AKK nicht gelungen ist, nämlich die Ost-CDU zu integrieren, bezweifle ich. Eine klare Positionierung ist Jens Spahn zuzutrauen. Andererseits hat es Gründe, dass dieser bei der Wahl zum Parteivorsitzenden im Dezember 2018 bereits im ersten Wahlgang rausgeflogen ist. Ich meine aber auch, dass man Michael Kretschmer, den Ministerpräsidenten von Sachsen, nicht ganz aus dem Blick verlieren sollte. Er hat gezeigt, dass er im Wahlkampf unter schwierigen Bedingungen erfolgreich sein kann, und er hat den Blick für die ostdeutschen Befindlichkeiten.

BSZ: Hat die CDU an Profil verloren, und wie kann sie es zurückgewinnen?
Münch: In der Inneren Sicherheit, Flüchtlingspolitik, Energiepolitik hat die CDU offensichtlich Profil verloren. Aber andererseits hat Angela Merkel Leute an die CDU gebunden, die ansonsten bei der SPD und bei den Grünen gelandet wären. Die CDU hat also nicht nur verloren, sie hat auch gewonnen. Natürlich würden sich viele mit Blick auf die Wählerschaft der AfD wünschen, dass Parteien klarer unterscheidbar sind. Nichtsdestotrotz: Mehrheiten gewinnt man in der sogenannten politischen Mitte und nicht an den extremen Rändern. Und der AfD hinterherzulaufen mit Blick auf ein Profil – man sieht an der CSU, dass man damit nicht erfolgreich ist.

BSZ: Was halten Sie von einer Mitgliederbefragung in der CDU zur Bestimmung des Kanzlerkandidaten?
Münch: Klar kann man Leute befragen. Aber laut der CDU-Statuten ist so eine Befragung unverbindlich. Basisdemokratische Entscheidungen helfen meines Erachtens einer Partei selten weiter – auch deshalb, weil Mitglieder nicht unbedingt die Bewertungsmaßstäbe anlegen, die einer Führungsposition angemessen sind. Ich finde es sinnvoller, die Delegierten eines Parteitags solche Entscheidungen treffen zu lassen. Die haben einen besseren Blick darauf, wem man ein Amt zutrauen kann. Schauen Sie auf die SPD: Ich bin nicht der Auffassung, dass der Mitgliederentscheid der SPD ein Beleg dafür ist, dass sich die jeweils Besten durchsetzen.
(Interview: Waltraud Taschner)

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