Natürlich muss Markus Söder das erklären. Warum ein CSU-Vorsitzender und bayerischer Ministerpräsident nach Südosteuropa reist und dabei ausgerechnet dem alten CSU-Freund Viktor Orban, dem umstrittenen ungarischen Ministerpräsidenten, nicht die Ehre erweist.
Und Söder wählt klare Worte, distanziert sich deutlich wie selten zuvor von Orban. "Ungarn entwickelt sich zu einem schwierigen Thema. Wir bedauern das nach wie vor", sagt der CSU-Vorsitzende schon an der ersten Station seiner Reise, in der bulgarischen Hauptstadt Sofia. Man habe ja gehofft, sagt er, dass Orban die Atempause, die ihm die Europäische Volkspartei (EVP) mit der vorläufigen Suspendierung der Mitgliedschaft gewährt habe, nutze. Und jetzt das: Orban wollte sich, just während Söder Bulgarien, Kroatien und abschließend Österreich besucht, mit dem italienischen Lega-Chef Matteo Salvini treffen, der in Ungarn für sein geplantes Rechts-Außen-Bündnis werben dürfte.
"Ein unglückliches Treffen", kritisiert Söder. Er spricht von einem "falschen Signal" und macht deutlich: "Es ist für uns klar: Es gibt und kann keine Zusammenarbeit mit Rechtspopulisten in Europa geben." Ein Bündnis mit Salvini, der französischen Rechtspopulistin Marine Le Pen und der AfD sei schlicht "ein No-Go". In der Entscheidung, Orban nicht zu besuchen, sieht er sich bestätigt.
Wenn Orban sich früher auf eines verlassen konnte, dann auf die CSU
Die Zeiten haben sich deutlich geändert. Wenn Orban sich in den vergangenen Jahren auf eines verlassen konnte, dann darauf, dass die CSU fest an seiner Seite stand. Einige Beispiele: Auf dem Höhepunkt der Flüchtlingskrise lud der langjährige CSU-Chef und damalige bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer Orban zu einer CSU-Klausur ein, düpierte damit Kanzlerin Angela Merkel (CDU). Wenige Monate später folgte Seehofers Gegenbesuch in Budapest - es war ein fürstlicher Empfang. Anfang 2018 begrüßten Seehofer und CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt Orban auf der nächsten CSU-Klausur, diesmal der Landesgruppe im Bundestag. Seehofer flötete, an den "lieben Viktor" gerichtet: "Bayern und Ungaren verbindet seit langem Respekt und Freundschaft."
In den vergangenen Monaten aber hat sich Orban mit seiner Regierungspartei Fidesz immer weiter von den Werten der konservativen Parteienfamilie entfernt. So weit, dass die EVP inzwischen die Fidesz-Mitgliedschaft auf Eis gelegt hat, unter anderem wegen Orbans andauernder und teils heftiger Attacken gegen die Europäische Union.
"Orban hat seine Verdienste und die Ungarn haben ihre Verdienste", sagt Söder und fügt vielsagend hinzu: "Aber Orban hat auch eine Entwicklung. Und diese Entwicklung konterkariert die Verdienste."
Also kein Besuch Söders in Ungarn. Der Ministerpräsident und CSU-Chef will aber, wie er betont, ohnehin deutlich machen, dass auch andere südosteuropäische Länder für Bayern und die CSU wichtig sind: eben Bulgarien und Kroatien beispielsweise. In Österreich will Söder zum Abschluss am Freitagmorgen Bundeskanzler Sebastian Kurz treffen.
Abkommen über eine stärkere Polizei-Zusammenarbeit
Einerseits geht es bei den Gesprächen Söders mit den Regierungschefs schlicht um eine Intensivierung der Beziehungen. In Sofia etwa unterzeichnet er mit seinem Amtskollegen Boiko Borissow ein Abkommen über eine stärkere Polizei-Zusammenarbeit. Es geht ihm, wie er sagt, schlichtweg darum, den kleineren Ländern wieder mehr Respekt zu zollen. Und um eine stärkere Kooperation mit den dortigen Regierungschefs, die ebenfalls der EVP angehören. Mit diversen Ländern will er gemeinsame Regierungskommissionen, die es teilweise früher schon gab, nun wieder ganz neu aufleben lassen.
Der bulgarische Regierungschef Borissow empfängt den Gast mit allem Drum und Dran, samt Polizei-Eskorte, mit einer Umarmung zur Begrüßung und überschwänglicher Höflichkeit. Söder lobt im Gegenzug unter anderem die "großartigen Bemühungen" Bulgariens bei der eigenen Grenzsicherung, nennt das Land einen wichtigen Investitionsstandort.
Doch dann geht es auch in der gemeinsamen Pressekonferenz um Orban. Wie er es mit dem Ungarn hält, wird Borissow gefragt. Der sei "ein Freund von mir", antwortet der Regierungschef. Aber dessen derzeitigen Kurs, nein, den unterstütze er nicht. Doch Borissow hat auch eine Gegenfrage: Warum bitte werde aus Bayern so viel in Ungarn investiert, aber nicht in Bulgarien? Eine Antwort gibt es nicht.
Das zweite Hauptziel von Söders Reise wird in Sofia erfüllt: Er will für seinen Parteifreund, den EVP-Spitzenkandidaten Manfred Weber, werben, der nach der Europawahl EU-Kommissionspräsident werden will. Und da, so berichtet Söder, habe Borissow Unterstützung zugesagt.
(Christoph Trost, dpa)
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