Politik

Schwarz-grün? Schwarz-gelb? Markus Söder (rechts) setzt auch künftig auf schwarz-orange. Hubert Aiwanger dürfte das freuen. (Foto: dpa/Karl-Josef Hildenbrand)

05.08.2022

Erneuertes Ehegelöbnis

Trotz gelegentlicher Rempler wollen CSU und FW Partner bleiben

Es ist eine dieser typischen Hubert-Aiwanger-Aktionen, vor denen sie sich in der CSU so gruseln. Da ploppt am Wochenende die Meldung auf, dass im oberbayerischen Pähl ein Bauer 130 Euro Bußgeld zahlen muss, weil seine Kühe eine Straße mit ihren Fladen übersät haben; schon taucht am Montag der Wirtschaftsminister mit großem Gefolge vor Ort auf und übergibt dem Landwirt in einer Klarsichthülle genau diese Summe aus eigener Tasche – Kuhwiesenidylle mit braunem Fleckvieh vor weiß-blauem Himmel inklusive. „Die Kuh auf der Weide ist Inbegriff von Heimat und ist Postkartenmotiv unserer Tourismusregionen. Der Bußgeldbescheid gegen den Landwirt wegen der Hinterlassenschaften seiner Kuhherde geht deshalb zu weit“, erklärt Aiwanger unbeeindruckt vom konkreten Fall, den man mit seiner bis ins Jahr 2015 zurückreichenden Vorgeschichte durchaus so bewerten kann wie die bußgeldausstellende Gemeinde Pähl.

Mit solchen Auftritten, die die einen für volksnah halten, die anderen für populistisch und den Rechtsstaat untergrabend, trägt Aiwanger nicht dazu bei, das Vertrauen der CSU in die Koalition mit den Freien Wählern zu stärken. Mehr als die Faust in der Tasche zu ballen, bleibt in solchen Momenten nicht. Denn jeder weitere Kommentar aus CSU-Mund würde Aiwanger eine noch größere Bühne bieten und seine gern eingenommene Rolle als Volkstribun weiter stärken. Ganz nebenbei hat sich die CSU ein Jahr vor der Landtagswahl selbst die Hände gebunden für heftige Attacken gegen den kleinen Regierungspartner, indem man mögliche Alternativen faktisch ausschließt.

Es ist noch nicht sehr lange her, da umarmte CSU-Chef Markus Söder Bäume, gab den obersten Bienenretter im Land und sprach von einer Koalition mit den Grünen als „spannendem Projekt“. Seit der heftig verlorenen Bundestagswahl aber findet bei ihm eine Rückbesinnung auf die klassische konservative Kernwählerschaft statt. Die Grünen sind zum Hauptgegner mutiert – was manche aus dem CSU-Vorstand für einen strategischen Fehler halten, damit aber nicht zitiert werden wollen. Kurz zusammengefasst lautet ihre Analyse, dass sich CSU und Freie Wähler zu ähnlich sind und sich kannibalisieren. Stattdessen würde der CSU eine Öffnung in neue Gesellschaftsschichten inhaltlich wie personell guttun.

"Wir wollen kein Schwarz-Grün"

Söder hat das bis vor einem Jahr auch so gesehen. Aktuell aber lässt der CSU-Chef seinen neuen Generalsekretär Martin Huber verkünden: „Wir wollen kein Schwarz-Grün in Bayern. Die bayerischen Grünen sind ein Berliner Anhängsel und vertreten keine bayerischen Interessen. Die CSU setzt auf eine bürgerliche Mehrheit.“ Die wäre theoretisch auch mit der FDP möglich. Doch deren bayerischer Ableger ist ebenso in der Berliner Ampel verankert und auch aus anderem Grund ein unsicherer Kantonist: Niemand kann voraussagen, ob die Liberalen trotz pointierter Oppositionsarbeit im Landtag im Herbst 2023 über die Fünfprozenthürde kommen. Zu sehr hängt ihr Abschneiden von der Performance der Bundespartei ab, wie Umfragen regelmäßig zeigen.

Bleiben also die Freien Wähler, da die CSU derzeit meilenweit von der Rückkehr zur absoluten Mehrheit entfernt ist. Immerhin auf eines können sich beide Partner einigen: dass die bisherige Zusammenarbeit zumindest in der Sache gut funktioniert hat. Die großen Projekte wie die milliardenschwere Hightech-Agenda, die finanzielle Bewältigung der Corona-Pandemie oder die Beschleunigung der Digitalisierung hat man gemeinsam vorangebracht, bei strittigen Themen wie dem Arten- und dem Klimaschutz oder dem Ausbau der Windkraft hat man sich vergleichsweise geräuschlos zu Kompromissen zusammengerauft. Als vertrauensbildend wirkt zudem, dass es die Freien Wähler weitgehend vermieden haben, Mängel an den Schulen oder der Infrastruktur im ländlichen Raum als Erblast jahrzehntelanger CSU-Alleinherrschaft zu geißeln.

Während es also im Maschinenraum der Koalition läuft, sorgt das Alphatier-Wesen der beiden Kapitäne auf der Kommandobrücke für die meisten Spannungen. Dass Aiwanger am Kabinettstisch alle Entscheidungen mitträgt, so manche davon in Bierzelten aber beifallheischend infrage stellt – erinnert sei an den Stromtrassenbau oder das angestrebte Aus für die Anbindehaltung von Kühen –, versetzt die CSU regelmäßig in Aufruhr. Bei den Freien Wählern wiederum hat man beispielsweise nicht vergessen, wie Söder Aiwangers Impfstatus ausgeschlachtet hatte – was an Mobbing grenzte. Solche Befindlichkeiten werden aber ebenso wie Zwist und Konkurrenz zumindest öffentlich mit viel Schminke und Gesäusel zugedeckt. Bleibt die Frage, wer im Wahlkampf als Erster die Nerven verliert.
(Jürgen Umlauft)

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