Politik

Endlich wieder in den Biergarten – wer coronanegativ ist, soll das demnächst dürfen. (Foto: dpa/Angelika Warmuth)

05.03.2021

Erst Test, dann Maß?

Was die Corona-Testoffensive ermöglichen will

Die Sonne scheint und der Biergarten lockt. Also einen kurzen Abstecher zur Apotheke für einen Corona-Abstrich machen – und schon kann es losgehen mit dem bierseligen Gelage unter Kastanienbäumen. Klingt zu schön, um wahr zu sein? Ist es leider auch. Zumindest noch. Neben dem Impfen sollen zwar massenhafte Schnelltests Lockerungen absichern. Doch leider ist der Einsatz dieser Tests bis auf wenige Ausnahmen erst einmal nicht an konkrete Öffnungen gebunden.

Nicht nur beim Impfen, auch beim Testen hinkt Deutschland hinterher. Österreich testet um ein Vielfaches mehr und schon seit Längerem kostenlos. Ab 8. März soll endlich auch in Deutschland viel massiver getestet werden. Einmal pro Woche kann sich jeder kostenlos einem Schnelltest unterziehen, durchgeführt von Fachpersonal. Auch Selbsttests für zu Hause gibt es ab nächster Woche im Handel, Aldi will sie bereits ab Samstag verkaufen. Doch bezahlen muss die erst mal jeder selbst. Ob sich der Bund an den Kosten beteiligt, steht noch nicht fest.

Immerhin: Kostenlose Selbsttests werden bereits an Schulen verteilt. 1,32 Millionen Tests, zunächst nur für das Personal, habe man bis Ende der Woche ausgeliefert, erklärt ein Sprecher des bayerischen Gesundheitsministeriums. Auch Schüler*innen sollen sich künftig testen lassen können. Doch vieles ist noch gar nicht klar: So ist völlig offen, wie mit Testverweigerern umgegangen werden soll, kritisiert die SPD-Gesundheitspolitikerin Ruth Waldmann. „Dürfen die sich trotzdem ins Klassenzimmer setzen oder müssen sie nach Hause in den Distanzunterricht?“

Keine Testpflicht für Schulen

Eine Testpflicht für Schulen soll es nicht geben, heißt es aus dem Kultusministerium. Genauso wenig wie für andere Berufssparten. Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hat erst diese Woche die Testpflicht für Pflegeheim-Beschäftigte gekippt. In einem besonders sensiblen Bereich, wie Markus Söder nach dem Bund-Länder-Treffen am Mittwoch betonte. Also sei die Testpflicht auch nicht für andere Beschäftigte durchsetzbar.

Dennoch wird es in Teilbereichen verpflichtende Tests geben. Für Menschen zum Beispiel, die körpernahe Dienstleistungen in Anspruch nehmen wollen, die ab Montag wieder erlaubt sind. Sie müssen einen tagesaktuellen negativen Schnelltest vorweisen, wenn bei der Behandlung keine Maske getragen werden kann. Bei einer Rasur etwa. In Fahrschulen braucht es ab Montag grundsätzlich einen negativen Test. Auch für die Außengastronomie, die in Gegenden mit einer Inzidenz von unter 100 frühestens ab dem 22. März wieder öffnet, ist ein negativer Corona-Test notwendig, aber nur, wenn die Inzidenz über 50 liegt. Dasselbe gilt für Kino-, Theater- und Konzertbesuche. Und für den Sport. Tests braucht es für den Einzelhandel dagegen gar nicht. Er darf ebenfalls am Montag öffnen – wenn die regionale Inzidenz unter 50 liegt.

Schnelltests: Die Trefferquote ist noch ziemlich schlecht

Warum aber werden Öffnungen und Tests nicht stärker verknüpft – um Lockerungen schneller zu ermöglichen und auch Hotels und Innengastronomie endlich eine Öffnungsperspektive zu geben? Ein Grund dürfte sein: Es stehen noch zu wenige Schnelltests zu Verfügung. Der Freistaat hat seit November 2020 bei verschiedenen Herstellern rund 16,5 Millionen Schnelltests bestellt. 16,1 Millionen Stück seien bereits an die Kreisverwaltungsbehörden ausgeliefert, erklärt ein Sprecher aus dem Gesundheitsministerium. Würde sich aber jeder Restaurantbesucher tagesaktuell auf Corona testen lassen müssen, wären die Kapazitäten schnell ausgeschöpft. Auch wenn man im Ministerium versichert, dass nun „weitere Beschaffungen in erheblichem Umfang folgen“.

Außerdem fehlt es auch noch an der nötigen Infrastruktur, um massenhafte Schnelltests durchführen zu können. Als eine der wenigen Städte hat Nürnberg bereits ein Corona-Schnelltest-Zentrum. Kostenlos testen lassen können sich dort seit Anfang Februar alle, die in Nürnberg leben oder arbeiten. 4539 Personen haben im ersten Monat einen Test gemacht – eine überschaubare Anzahl, die sich vervielfachen dürfte, würden weitere Öffnungsschritte an Tests geknüpft. Man wäre aber in der Lage, in kürzester Zeit zwei weitere Schnelltest-Zentren aufzubauen, erklärt man vonseiten der Stadt.

Auch Augsburg hat seit dieser Woche zwei Schnelltest-Zentren in Betrieb. Die aktuelle Kapazität: 40 Tests pro Stunde. In München dagegen scheint man noch recht planlos zu sein, wie man ab nächster Woche die Nachfrage nach kostenlosen Schnelltests erfüllen kann. Das Gesundheitsreferat verweist lapidar auf die Apotheken, die ebenfalls Schnelltests durchführen sollen. Wie viele Apotheken angesichts des hohen Aufwands aber tatsächlich dazu in der Lage sind, lasse sich schwer abschätzen, heißt es vom Bayerischen Apothekerverband. Auch dass Apothekenpersonal beim Impfen bislang hintenanstehen muss, schrecke viele Pharmazien ab.

Private Anbieter werden noch ausgebremst - warum?

Eine Lösung: Private Anbieter, die in München und anderen Städten bereits kostenpflichtig Schnelltests durchführen, könnten auch die Gratis-Tests übernehmen. Alexander Auer, ärztlicher Leiter der Corona-Teststation in der Münchner Gaststätte Hackerhaus, wäre interessiert. Seit zwei Wochen schon versucht er von den zuständigen Behörden Auskunft zu bekommen, wie die Modalitäten, auch was die Abrechnung betrifft, aussehen. Bislang ohne Ergebnis.

Auer sieht allerdings noch ein grundsätzliches Problem: „Wie soll sichergestellt werden, dass jeder nur einen Gratis-Test pro Woche macht?“ Er könne ja schließlich nicht wissen, ob der Kunde am Tag zuvor bereits ein anderes Testzentrum aufgesucht habe. Abhilfe könnte hier ein zentrales Erfassungssystem schaffen. Auer aber ist skeptisch: „Die Umsetzung einer solchen zentralen Dokumentation in kurzer Zeit wäre wohl eine Herausforderung.“

„Selbst testen, selbst auswerten, selbst dokumentieren“ – Uwe Brandl, Präsident des Bayerischen Gemeindetags, wäre es am liebsten, wenn Bayern auf Selbsttests setzt, für die es kein Fachpersonal braucht. „Wir müssen das öffentliche und wirtschaftliche Leben mit allen verfügbaren Mitteln wieder dem Normalzustand annähern“, betont er. „Nicht irgendwann, sondern schnell, sonst geht uns die Akzeptanz verloren.“

Doch Selbsttests lassen sich eben auch schlecht kontrollieren. Ohne klare Durchführungsvorschriften befürchtet die SPD-Frau Waldmann, dass die Selbsttests nicht mehr Klarheit über die Infektionslage bringen, sondern ein verfälschtes Bild. „Im Klartext heißt das: Es droht die Gefahr, dass wir den Überblick über das Infektionsgeschehen verlieren, obwohl insgesamt mehr getestet wird“, sagt sie. Auf dieser Basis seien Selbsttests als Grundlage für weitere Lockerungen nicht verantwortbar.

Experten warnen davor, Schnelltests zu überschätzen

Das Robert Koch-Institut sieht nicht nur Selbsttests, sondern Schnelltests generell lediglich als Ergänzung zu den bisherigen Corona-Maßnahmen an. Auch Christoph Spinner, Infektiologe und Pandemiebeauftragter am Münchner Klinikum rechts der Isar warnt davor, ihren Effekt zu überschätzen. Denn ihre Empfindlichkeit sei vor allem in der Frühphase einer Infektion und bei asymptomatischen Personen stark erniedrigt, betont er. Die Zuverlässigkeit „liegt teilweise unter 50 Prozent“, warnt Spinner. Von einer Freitest-Möglichkeit für den Kino- oder Biergartenbesuch hält er deshalb überhaupt nichts. Spinner betont: „Ein negativer Schnelltest schließt eine Infektion eben nicht aus.“

Auch Waldmann hat Bedenken: Sie hat den Selbsttest an sich ausprobiert und festgestellt: „Für die korrekte Anwendung in der Breite braucht es eine Informationskampagne, sonst schaffen die hochgepriesenen Tests mehr Gefährdung als Sicherheit, es droht eine Vielzahl an falsch-negativen Tests.“ Doch es gibt auch Experten, die das Risiko von Schnelltests für kalkulierbar halten. Grund: Infizierte, die mit einem Schnelltest nicht erkannt werden, haben meist eine geringe Viruslast und werden kaum andere Menschen anstecken.
(Angelika Kahl, Jürgen Umlauft)

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