Politik

Das Ziel: Im Verdachtsfall soll das Testergebnis binnen 48 Stunden vorliegen. Meist dauert es aber länger. (Foto: dpa/Hendrik Schmidt)

05.06.2020

Falsche Sicherheit

Mindestens 20 Prozent der Corona-Tests liefern ein fehlerhaftes Ergebnis – besonders unsicher: Antikörpertests

Testen, testen, testen – so lautet die neueste Strategie der bayerischen Staatsregierung. Das Ziel: Die Zahl der Corona-Erkrankungen auch angesichts der Lockerungen möglichst niedrig zu halten. Das allerdings ist komplizierter, als es auf den ersten Blick erscheinen mag. Denn absolute Sicherheit bietet bisher kein Test.

Bislang läuft es meistens so: Nur wer Symptome hat, die auf eine Covid-19-Erkrankung hinweisen, erhält in seiner Hausarztpraxis oder in einem Testzentrum einen sogenannten PCR-Test. Dabei wird ein Abstrich im Rachen und in der Nase gemacht – ein akkreditiertes Labor untersucht die Probe dann auf das Coronavirus. Das Problem dabei: Laut einer Studie der Johns-Hopkins-Universität lieferten mindestens 20 Prozent der PCR-Tests ein fälschlicherweise negatives Ergebnis, obwohl die Getesteten tatsächlich infiziert waren.

Vor allem zu Beginn der Infektion sei es laut der Studie kaum möglich gewesen, Viren nachzuweisen. Schon länger ist bekannt, dass die Viruslast nach einiger Zeit oft aus dem Rachen verschwindet und dann nur noch in der Lunge zu finden ist, sagt der Vorsitzende des Bayerischen Hausärzteverbands, Markus Beier. „Wir hatten schon vereinzelt Fälle, wo wir uns wunderten, dass die nicht positiv waren, und haben die dann noch einmal abgestrichen“, sagt Beier.

Wie viel Sinn aber ergeben Tests, die keine Sicherheit bringen? Beier betont: Trotz der möglichen Fehlerquote sei der PCR-Test „ein insgesamt sehr genaues Verfahren“. Misstrauen sei deshalb nicht angebracht. Dass es Zeitfenster in der Erkrankung gebe, wo nicht genug Virenmaterial vorhanden sei, habe nichts damit zu tun, dass der Test an sich schlecht sei. Man müsse vielmehr überlegen, wie man mit diesen Tests in Zukunft umgehen werde, sagt er.

Schnelltests aus dem Netz: Fachleute raten ab

Andreas Wieser, Privatdozent am Klinikum der LMU München, sieht einen Grund für fehlerhafte Ergebnisse auch in der falschen Anwendung beim PCR-Abstrich. Wer den Rachen- oder Nasenabstrich bei der Teststrecke selbst machen müsse, sei meist zu vorsichtig und liefere dann möglicherweise zu wenig Virenmaterial, erklärt er. Bei den Teststrecken fahren potenzielle Corona-Patienten meist mit dem eigenen Auto vor – und müssen bei manchen Strecken den Abstrich selbst vornehmen.

Wird jemand positiv getestet, muss er in Quarantäne – in der Regel für zwei Wochen. Aber nicht nur dann. „Sobald wir einen Test wegen Verdacht auf eine Covid-19-Krankheit machen, müssen die Patienten schon vor dem Testergebnis in Quarantäne“, sagt Hausärzteverbands-Chef Beier, der eine Praxis in Erlangen führt. Allerdings hätten die Ärzt*innen dabei einen gewissen Ermessensspielraum. „Wenn jemand Heuschnupfen und ein bisschen allergischen Husten hat, teste ich zwar, aber da muss ich nicht sofort Quarantäne anordnen“, relativiert Beier.

Die Ankündigung der Staatsregierung, dass nun auch Menschen ohne Symptome auf Corona getestet werden sollen, findet Beier gut. Er wünscht sich aber eine Strategie für die Reihentestungen. „Wir würden damit allerdings gerne bei den Alten- und Pflegeheimen anfangen, weil dort die Ausbrüche dramatischer verlaufen“, sagt er.

Auch die Testergebnisse sollen laut Staatsregierung künftig schneller vorliegen. Im Verdachtsfall soll es möglich sein, einen Test innerhalb von 24 Stunden zu machen und nach weiteren 24 Stunden das Ergebnis zu erhalten. Meist dauert es heute noch erheblich länger. Findet der Test zum Beispiel am Nachmittag statt, wird die Probe oft erst am nächsten Tag ins Labor geschickt. Hat das viele Proben in Arbeit, und liegt dann noch das Wochenende dazwischen, können einige Tage vergehen, bis das Ergebnis vorliegt.

Mittlerweile gibt es im Internet auch Angebote für alle Arten von Schnelltests. Auch wenn diese verlockend klingen, Fachleute raten davon ab. „Ich kenne keinen Test, der bislang seriös in einer Viertelstunde ein Ergebnis anzeigt“, betont Beier. Einzig sinnvoll: Schnelltests, die als erste Vordiagnostik in der Notambulanz oder im Rettungswagen eingesetzt werden können. Dann muss in der Regel aber nachgetestet werden.

Seit einigen Wochen gibt es auch Antikörpertests, die eine Immunität nach durchgemachter Corona-Infektion anzeigen sollen. Bei der großen Antikörperstudie des Tropeninstituts am LMU-Klinikum, bei der derzeit 3000 Münchner Haushalte nach dem Zufallsprinzip einbezogen werden, kommen mehrere Testmethoden zum Einsatz. Privatdozent Wieser betreut die Laboruntersuchungen und Testdurchführung in der Studie „Prospektive Covid-19-Kohorte München“, mit der man herausfinden will, wie viele Menschen bereits mit dem Sars-CoV-2-Virus Kontakt hatten. Dabei wird den Teilnehmer*innen mehrfach Blut abgenommen. Werden Antikörper gefunden, wird laut Wieser eine Vielzahl verschiedener Testverfahren angewandt, um das zu bestätigen. „Das liegt daran, dass kein virologischer Test zu 100 Prozent korrekt ist und viele Tests eine gewisse Unsicherheit haben“, so Wieser. Deshalb wird das Blut unter anderem auch noch im Hochsicherheitslabor untersucht, um auszuschließen, dass eine Kreuzreaktion mit anderen Coronaviren vorliegt. Manche Tests nämlich schlagen auch auf Antikörper anderer Coronaviren an, die nur leichte Erkältungen verursachen.

Wer unabhängig von der Studie wissen möchte, ob er bereits eine Covid-19-Erkrankung hatte, sollte nur dann einen Antikörpertest beim Arzt machen, wenn er mindestens zwei bis drei typische Symptome, wie etwa Fieber, Geschmacksverlust oder Kopf- und Gliederschmerzen, hatte, erklärt Hausärzte-Chef Beier. „Und ich würde dann auf jeden Fall noch vier bis sechs Wochen mit dem Test warten.“ Denn Antikörper haben sich erst dann deutlich ausgebildet.

Wer bislang keine coronatypischen Symptome an sich festgestellt hat, dem rät Beier von einem Antikörpertest ab, da das Ergebnis zu ungenau sei. Denn wer dann irrtümlicherweise glaube, immun gegen die Covid-19-Erkrankung zu sein, so Beier, wiege sich in falscher Sicherheit.
(Lucia Glahn)

Kommentare (0)

Es sind noch keine Kommentare vorhanden!
Die Frage der Woche
Vergabeplattform
Vergabeplattform

Staatsanzeiger eServices
die Vergabeplattform für öffentliche
Ausschreibungen und Aufträge Ausschreiber Bewerber

Jahresbeilage 2023

Nächster Erscheinungstermin:
29. November 2024

Weitere Infos unter Tel. 089 / 29 01 42 54 /56
oder
per Mail an anzeigen@bsz.de

Download der aktuellen Ausgabe vom 24.11.2023 (PDF, 19 MB)

E-Paper
Unser Bayern

Die kunst- und kulturhistorische Beilage der Bayerischen Staatszeitung

Abo Anmeldung

Benutzername

Kennwort

Bei Problemen: Tel. 089 – 290142-59 und -69 oder vertrieb@bsz.de.

Abo Anmeldung

Benutzername

Kennwort

Bei Problemen: Tel. 089 – 290142-59 und -69 oder vertrieb@bsz.de.