Der Countdown hat begonnen. Stimmt der Bundesrat am 22. März zu, darf ab April legal gekifft werden. Zumindest für Volljährige ist der Besitz von bis zu 25 Gramm Cannabis zum Eigenkonsum erlaubt. In der eigenen Wohnung darf man drei Pflanzen halten. Um den Jugendschutz zu stärken, soll es gleichzeitig mehr cannabisbezogene Prävention geben. Erwachsene sollen künftig straflos kiffen dürfen. Selbst in der Öffentlichkeit, sofern eine Bannmeile von 100 Metern Luftlinie rund um Schulen, Kitas, Spielplätze und Sportstätten eingehalten wird.
Es fragt sich, ob dies gut und richtig ist. Unter Fachleuten ist die Legalisierung höchst umstritten. „Das Risiko, eine Psychose zu entwickeln, steht in eindeutigem Zusammenhang mit Cannabiskonsum“, sagt zum Beispiel Dominikus Bönsch, Leiter der psychiatrischen Bezirksklinik im unterfränkischen Lohr. Besonders schädlich sei der Konsum bis zum Alter von 25 Jahren. „Studien in Ländern, in denen Cannabis freigegeben wurde, zeigen eindeutig, dass sich durch die Freigabe die Häufigkeit des Konsums gerade bei jüngeren Menschen erhöht, und damit auch die Psychosehäufigkeit“, so der Psychiater.
Nun hat der Bundestag lediglich bei Volljährigen nichts gegen Cannabiskonsum einzuwenden. Für Teenager soll das Kiffen tabu bleiben. Doch schon jetzt halten sich viele Jugendliche nicht an das Verbot. Das zeigt ein Survey der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung. Demnach stieg der Anteil der Jugendlichen zwischen zwölf und 17 Jahren, die in den letzten zwölf Monaten vor der Befragung Cannabis konsumiert haben, von 4,6 Prozent 2011 auf 7,6 Prozent 2021 an. Nicht selten landen kiffende Jugendliche in der Jugendstrafanstalt.
Wobei Alkoholmissbrauch laut Psychiater Bönsch sein Klinikteam tatsächlich mehr beschäftigt als Cannabis. „Dennoch ist die Freigabe von Cannabis eine Katastrophe für junge Menschen“, sagt er. Durch regelmäßiges Kiffen seien dauerhafte Einschränkungen zu erwarten: „Auch ist der Schweregrad von Psychosen unter Cannabis erhöht.“
Trinken und Kiffen: eine fatale Kombi
Insgesamt sind Suchtkrankheiten in der Bevölkerung weitverbreitet. Allein was Alkohol anbelangt, ist Deutschland laut der Deutschen Hauptstelle für Suchtfragen (DHS) ein „Hochkonsumland“. Wird getrunken und gleichzeitig gekifft, steigen laut DHS die Gesundheitsrisiken. Bereits vor einem Jahr warnte der Verband außerdem davor, dass durch eine Cannabislegalisierung das Rauchen „reetabliert“ werden könnte. Dass Cannabiskonsum prinzipiell psychisch zerstörerisch wirken kann, stellt kaum jemand aus Suchthilfe und Suchtmedizin infrage.
„Der Gebrauch von Cannabinoiden kann schwere und langwierige Veränderungen des Erlebens und Verarbeitens nach sich ziehen“, bestätigt Udo Hafner, der die Würzburger Reha-Einrichtung Agnes-Sapper-Haus für psychisch erkrankte Menschen leitet. Es sei kein Einzelfall, dass jemand durch Cannabismissbrauch schwere psychische Probleme entwickelt. Aber: „Jeder hat das Recht, auch unvernünftig zu handeln“, betont Hafner. Oder anders ausgedrückt: Man könne nicht eine ganze Gesellschaft zwingen, alles zu unterlassen, was sich schädlich auf den psychischen oder physischen Zustand auswirken könnte.
Klar ist, dass Drogenkonsum jeder Art zur Überschätzung der eigenen Fähigkeiten führen kann. Was vor allem im Straßenverkehr fatal ist. Die Reglementierungen beim Alkoholkonsum mit Blick auf die Teilnahme am Straßenverkehr könnten laut Udo Hafner ein gutes Vorbild für klare Regelungen in Bezug auf Cannabis sein.
Nicht selten erkennen Drogenkonsumenten früher oder später, dass sie dem Suchtmittel dringend ade sagen müssten. Einen Schlussstrich zu ziehen, ist nach jahrelangem Konsum jedoch nicht einfach. Für Hafner wäre es deshalb wichtig, das Unterstützungsangebot weiter auszubauen.
Eine Legalisierung bringt volkswirtschaftlich gesehen einen gewissen Benefit mit sich. Spült sie doch Steuereinnahmen in den Staatssäckel und entlastet die Polizei. Dennoch ist die CSU strikt gegen die Cannabislegalisierung. Sie erwägt sogar eine Klage gegen das Legalisierungsgesetz. Es sei „vollkommen absurd, dass die Bundesregierung den Konsum von Fleisch und Zucker sanktionieren, aber von Drogen erleichtern möchte“, empört sich Bayerns Jugendministerin Ulrike Scharf (CSU).
Klaus Reinhardt, Präsident der Bundesärztekammer, wirft Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) eine populistische Politik vor. Obwohl er als Arzt um die neurologischen Risiken wissen müsse, biedere er sich den „Legalize it“-Befürwortern an.
Für Andreas Mayer, der den sozialpsychiatrischen Dienst des Erthal-Sozialwerks in Würzburg leitet, hat die Legalisierung nichts mit Populismus zu tun. Er sieht die Entkriminalisierung des Cannabiskonsums als Quantensprung in der Drogenpolitik. Allerdings hätte er sich „durchdachtere Lösungen“ gewünscht. Es gebe noch „viel Klärungsbedarf“, was den Cannabiskonsum in der Öffentlichkeit anbelangt. Mayer betont: Von den über 1000 Erwachsenen, die von ihm und seinem Team 2023 beraten wurden, konsumierten mehr als 13 Prozent Drogen. In etlichen Fällen habe Drogenkonsum Auswirkungen auf den Ausbruch der psychischen Erkrankung, die Folgen seien teilweise irreversibel, sagt er. Nutzer*innen von Cannabis werden beim Erthal-Sozialwerk nicht separat erfasst. Soweit sich das aus der täglichen Beratungspraxis beurteilen lasse, sei ihr Anteil jedoch „noch überschaubar“.
Doch dies könnte sich durch die Legalisierung verändern. Das Legalisierungsgesetz selbst soll nach 18 Monaten evaluiert werden. Für Anbieter von Cannabisprodukten dürfte die Legalisierung ein wahres Tischleindeckdich sein. Wegen der zunehmenden Legalisierung von Cannabis erlebt der globale Markt gerade einen deutlichen Anstieg der Nachfrage und eine breitere Palette von Produkten. (Pat Christ)
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