Karoline Schaum ist Musikredakteurin und betreibt nebenbei einen kleinen Bioladen in Würzburg. „Vom Land“ heißt der. Ohne Karoline Schaum und weitere zehn Fans dieses Ladens gäbe es den Laden nicht mehr. Die vormalige Inhaberin musste, weil die Kasse nicht oft genug klingelte, aufgeben. Karoline Schaum und ihre zehn Mitgesellschafter*innen betreiben den Laden seit einem Jahr, ohne etwas zu verdienen. Einfach, weil sie wollen, dass es Vom Land weiterhin gibt.
Andernorts schließen Bioläden für immer. 21 waren es 2023 in Bayern, informiert Sigi Hagl von der bayerischen Geschäftsstelle des Vereins Bioland. Drei eröffneten neu. Obwohl die Anzahl schrumpft, setzte die Branche im ersten Quartal 2024 rund 6 Prozent mehr um. „Bioläden sind die Pioniere bei der Vermarktung von Bioprodukten, und wir setzen alles daran, dass sie das Zugpferd des Ökolandbaus bleiben“, sagt Oliver Alletsee, bayerischer Co-Landesvorsitzender von Bioland.
Die aktuellen Herausforderungen für Bioläden sind vielfältig – und zum Teil überraschend. Gerade junge Leute sind es gewohnt, in den Discounter zu gehen. Viele wollen am liebsten online kaufen. „Es gibt junge Leute, die noch nie auf einem Wochenmarkt waren“, sagt Karoline Schaum. In kleine Läden zu gehen, seien sie ebenfalls nicht gewohnt. „Solche Läden werden schlicht übersehen.“
Dennoch hat es Vom Land geschafft, die Kundenzahl binnen eines Jahres zu steigern. Von denen, die heute in den Laden kommen, sind fast 80 Prozent Stammkund*innen. Nach und nach trudeln aber auch neue, junge Leute ein: „Wir machen viel Instagram-Werbung.“ Finanziell geht es so lala, sagt Karoline Schaum: „Wir krebsen um die schwarze Null herum.“ Immerhin können eine Teilzeitkraft und ein paar Minijobber mit Mindestlohn bezahlt werden.
Auf fast 25 Jahre Erfahrung, was den Handel mit Bioprodukten anbelangt, bringt es Karl-Heinz Ursprung aus Höchberg bei Würzburg. Er betreibt einen Bioladen, in dem über 3000 Produkte erworben werden können.
Junge Leute bleiben weg
Es gibt eine Biokäse-Theke sowie eine Theke mit Biofleisch und -wurst, Naturkosmetik sowie nichtsynthetisch hergestellte Nahrungsergänzungsmittel auf Kräuterbasis. Noch vor wenigen Jahren deckten recht viele Menschen ihren kompletten Bedarf an Lebensmitteln in seinem Laden ab: „Heute kann man diese Kunden fast an einer Hand abzählen.“
Während der Corona-Krise schnellten die Umsätze in die Höhe – ein Phänomen, das auch aus anderen Bioläden berichtet wird. „Diese Zeit hat richtig Spaß gemacht, man hat den Erfolg gesehen“, schwärmt Karl-Heinz Ursprung. Ein Grund sei sicher die Schließung der Gaststätten gewesen: „Die Menschen mussten selbst mehr kochen, und sie wollten Kocherlebnisse mit guten Lebensmitteln haben.“
Als der Krieg in der Ukraine ausbrach, sei es schlagartig abwärts gegangen: „Zukunftsangst kam auf.“ Viele Menschen hatten nun das Gefühl, sie müssten ihr Geld zusammenhalten. Auch, weil vieles deutlich teurer wurde. Vor allem Energie. Heute lebt Karl-Heinz Ursprung unter dem Niveau von 2019. Zumindest dann, wenn, jenseits des Umsatzes, die gestiegenen Preise berücksichtigt werden: „Ich schätze mal, dass ich 10 bis 20 Prozent weniger verkaufe.“ Von den Anbauverbänden, die mit Discountern kooperieren, fühlt er sich „im Stich gelassen“: „Bioprodukte und Discounter, das passt für mich überhaupt nicht zusammen.“ Weil Discounter die Erzeuger im Preis drücken. Der Trend gehe dahin, dass die industrielle Biolandwirtschaft im Rennen bleibt, prognostiziert er. Und kleine Biohöfe aufgeben müssen. Karl-Heinz Ursprung sagt, dass Bauern in Polen riesige Biomonokulturen haben.
„Nur in Bioläden gibt es ein umfassendes, hundertprozentiges Bioangebot“, unterstreicht Peter Röhrig vom Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft. Mit einem Anteil von rund 6,5 Prozent aller Verkaufsstellen macht der Naturkostfachhandel nach seinen Angaben 20 Prozent aller Umsätze mit Biolebensmitteln in Deutschland aus. 2023 kam er auf einen Umsatz von 3,15 Milliarden Euro. Weil die Situation tendenziell schwieriger wird, hat sich der Passauer Verein Biokreis heuer zu einem bemerkenswerten Schritt entschlossen: Biobauern mit Direktvermarktung bieten auch konventionelle Lebensmittel an. „Damit können wir Menschen den Wert des Ökolandbaus vermitteln, die bislang nicht adressiert wurden“, so Ronja Zöls-Biber, Pressesprecherin des 1979 gegründeten Verbands für Ökolandbau.
Karl-Heinz Ursprung hat gemerkt, dass es einigen jungen Leuten eher unangenehm ist, begrüßt und angesprochen zu werden. Ähnliches erlebt Michele Deistler vom Naturladen in Neuburg an der Donau. Auch ihr fällt auf, wie „verschüchtert“ junge Leute, die erstmals kommen, oft im Laden herumstehen: „Und dass sie nicht sprechen, da gibt es kein ‚Guten Morgen!‘, das ist total verrückt.“ Ansonsten kann sich Michele Deistler nicht beklagen.
Mitte 2023 übernahm sie den Naturladen. Den gibt es seit 40 Jahren. Die Gründerin stieg altersbedingt aus. Die Stammkunden blieben: „Inzwischen kommen deren Kinder und Enkelkinder.“ Michele Deistler ist gelernte Chemielaborantin. Die größten Sorgen bereiteden ihr gerade die explodierenten Einkaufspreise: „Das ist der Wahnsinn.“ Regionale Biotomaten kosten dreimal so viel wie spanische Tomaten aus dem Supermarkt. Mindestens 7 Euro blättert sie gerade für ein Kilo Tomaten hin. Um auf ihre Kosten zu kommen, muss sie im Verkauf 8,95 Euro verlangen. Auch Olivenöl sei nirgends auf dem Weltmarkt halbwegs günstig in Bioqualität zu bekommen: „Der Liter kostet inzwischen 22 Euro.“ Wenn sie den Preis in die Kasse tippt, sagt sie, „da krieg ich wirklich ein schlechtes Gewissen“. (Pat Christ)
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