Politik

Wie bekommt man mehr Pflegenachwuchs? Die Politik hat es mit einer Reform versucht - die aber noch keinen durchschlagenden Erfolg hatte. (Foto: dpa/Peter Endig)

27.01.2023

Gut gemeint ist nicht das Gleiche wie gut gemacht

Mit der Fusion von Alten-, Kranken- und Kinderkrankenpflege sollte die Ausbildung attraktiver werden – das ging leider schief

Es sollte der große Wurf sein: Im Jahr 2017 beschloss der Bundestag mit den Stimmen der schwarz-roten Regierungsmehrheit die Reform der Pflegeausbildung. Es sollte Schluss sein mit dem Anerkennungswirrwarr der teils sehr unterschiedlichen Abschlüsse. Und Schluss mit der Trennung von Altenpflege sowie Kinder- und Erwachsenenkrankenpflege.

Stattdessen: eine Ausbildung, deren Abschluss auch EU-weit anerkannt wird. Mit einer Basis von zwei Jahren für alle und der Möglichkeit, sich im dritten Jahr zu spezialisieren, zum Beispiel, um Kinderkrankenschwester zu werden. Nur: Die Reform hat die Anziehungskraft für Pflegeberufe zumindest in Bayern nicht gesteigert. Ganz im Gegenteil.

Zum Start der Reform im Jahr 2020 vermeldete der Freistaat noch eine Steigerung der Auszubildendenzahl um 10 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Doch inzwischen sind die Zahlen wieder im Sinkflug. Auf 7280 im Premierenjahr folgten 7640, in diesem Ausbildungsjahr starteten nur noch 6580 junge Menschen. Und ein Viertel davon bricht die Ausbildung ab. Zur Verfügung standen mehr als 9000 Ausbildungsplätze. Ein Desaster. Bundesweite Zahlen für das aktuelle Ausbildungsjahr liegen noch nicht vor. Man kann aber davon ausgehen, dass alle Länder rückläufige Ausbildungszahlen verzeichnen.

Einige jungen Menschen abgeschreckt

Einige junge Menschen, die eigentlich nach einer Ausbildung in der Kinderkrankenpflege arbeiten würden, hat das neue Modell offenbar ohnehin abgeschreckt. Denn sie wollten eben mit Kindern, und nicht erst ein Jahr in der Altenpflege arbeiten. Eine Erhebung, um wie viele Menschen es sich dabei handelt, gibt es allerdings nicht. 

Roland Engehausen, Geschäftsführer der Bayerischen Krankenhausgesellschaft, verteidigt den Ansatz der Pflegeausbildungsreform hin zu mehr Professionalität: „In der Medizin würde niemand hinterfragen, dass man erst einmal eine allgemeine Ausbildung absolviert, bevor man sich spezialisiert.“

Wie man gerade in der komplexen Kinderkrankenpflege Inhalte von bisher drei Jahren Ausbildung in ein Jahr presst, ist aber nicht klar. Engehausen räumt ein, dass die Politik bei der Gewichtung bald nachkorrigieren muss – etwa, indem die Auszubildenden ihre Fachrichtung schon nach eineinhalb Jahren wählen können. Viele Inhalte seien aber eben über alle Bereiche hinweg gleich. In diesem Jahr hatte der erste Jahrgang im letzten Ausbildungsjahr die Wahl, sich zu spezialisieren oder bis zum Schluss generalistisch zu lernen. Zur Verteilung gibt es allerdings noch keine Zahlen.

Das Pflegeberufegesetz sieht eine Evaluation der Reform 2026 vor. Gut möglich, dass schon vorher Rufe nach einer Veränderung laut werden, wenn die Zahlen weiterhin niedrig bleiben. Die Befürwortenden der Reform glauben, dass ein ganz anderer Faktor für den Einbruch der Zahlen gesorgt hat: die Impfpflicht in der Pflege, die bis Ende 2022 galt. Diese Hürde fällt nun zumindest weg. (Thorsten Stark)
 

Kommentare (1)

  1. Irmgard Hofmann am 29.01.2023
    Endlich nähern wir uns einer generalistischen Ausbildung, die europäischem Standard entspricht und schon soll ausgerechnet die Pflege von Menschen wieder weiter entprofessionalisiert werden, weil es nicht genug Ausbildungsanwärter*innen gibt. Dabei wurde dieses Rezept über 30 Jahre lang immer wieder neu verschrieben, mit dem Ergebnis, dass wir einen enormen - und vor allem auch qualitativen - Fachkräftemangel haben. Das ewige Geschrei der Lobbyisten nach Abwertung statt Aufwertung sollte von Journalist*innen nicht auch noch verbreitet werden. Nach 47 Jahren in und mit der Pflege habe ich dieses ewige Downsizing echt satt.
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