Politik

Sprache ist Voraussetzung für eine erfolgreiche Integration. Aber nicht jeder Deutschkurs ist von hoher Qualität. (Foto: dpa)

11.04.2017

Häufige Lehrerwechsel, schlechtes Lernmaterial

Unter vielen guten Anbietern von Integrationskursen tummeln sich Schwarze Schafe

Die Sprache gilt als wichtigster Schlüssel: Sie eröffnet Flüchtlingen die Chance auf einen Job und auf gesellschaftliche Teilhabe. In Integrationskursen lernen Menschen, die aus anderen Ländern nach Deutschland zogen, Sprache und Kultur ihrer neuen Heimat kennen. Doch die Kurse sind zum Teil von höchst unterschiedlicher Qualität. So protestierten Würzburger Flüchtlinge kürzlich, weil sie beim Lernen viel zu wenig Unterstützung erhalten hatten. Klaus Honsel, der seit mehr als zwei Jahren Würzburger Flüchtlinge in Integrationskursen unterrichtet und sich auch privat für Asylbewerber engagiert, kennt die Problematik gut. Mit seinem eigenen Träger ist er zwar sehr zufrieden. "Doch ich höre öfter, dass sich Flüchtlinge über Integrationskurse beschweren, weil sie dort nichts lernen und die Lehrer nach ihrer Aussage gar nicht gut erklären können", sagt der Studienrat, der früher an Gymnasien und Berufsschulen unterrichtet hat. Er gehe mit solchen Äußerungen "erst mal vorsichtig um". Bezeichnend finde er allerdings, dass ein großer Teil der Kursteilnehmer nach seiner Beobachtung der "Szene" in und um Würzburg am Ende die Prüfung nicht besteht. Was allerdings oftmals auch an den ungünstigen Rahmenbedingungen liege: "Durch ständige Zu- und Abgänge sind die Kurse permanent anders zusammengesetzt."

Individuelle Hilfe ist bei 25 Kursteilnehmer kaum möglich

In Kursen mit 25 Teilnehmern, die teilweise noch kein Wort Deutsch verstehen und sich nicht artikulieren können, hätten Lehrer kaum eine Chance, individuelle Hilfestellung zu leisten. Zwar gebe es Flüchtlinge, die gern, gut und schnell lernen. Daneben säßen aber auch Teilnehmer, die lange brauchen, bis sie sich etwas angeeignet haben. Dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) ist bekannt, dass es in Würzburg einen "Vorfall" gegeben habe. "Es konnte aber eine für alle Beteiligten zufriedenstellende Lösung gefunden werden", informiert Natalie Psuja von der Pressestelle. Sie verweist darauf, dass das Bundesamt 2016 rund 330.000 neue Integrationskursteilnehmer gefördert habe: "Annähernd doppelt so viele wie im Jahr zuvor." Da komme es unvermeidbar in Einzelfällen zu Kritik und Beschwerden: "Die wir immer sehr ernst nehmen und denen wir konsequent nachgehen." Das BAMF sei bemüht, die Kursqualität zu sichern. Dazu wurde laut Psuja ein mehrstufiges Qualitätssicherungssystem implementiert. Nur Träger, die vom Bundesamt nach einem gesetzlich geregelten Verfahren zugelassen wurden, könnten Integrationskurse durchführen.

Kurse werden vor Ort stichprobenartig kontrolliert

Außerdem kontrollierten Regionalkoordinatoren die Kurse stichprobenartig vor Ort, um sicherzustellen, dass alle Regelungen, Vorgaben und Verpflichtungen aus dem Zulassungsbescheid auch eingehalten werden. Dem Bundesamt ist es Psuja zufolge ein Anliegen, schwarzen Schafen das Handwerk zu legen: "Bei schwerwiegenden oder wiederholten Beanstandungen kann dem Träger die Zulassung entzogen werden." Nicht nur den Flüchtlingen selbst ist die Qualität mancher Deutsch- und Integrationskurse ein Dorn im Auge - Ende März wurde bekannt, dass auch der Bundesrechnungshof der Bundesagentur für Arbeit (BA) Verschwendung im Zusammenhang mit Deutschkursen für Flüchtlinge vorwirft. In einem Prüfbericht stellte der Rechnungshof erhebliche Mängel bei der Ausführung und Abrechnung der Kurse fest. Die Prüfer monieren unter anderem eine unzureichende Erfolgskontrolle, schlechtes Lernmaterial sowie fehlerhafte Abrechnungen. Die BA räumte die Mängel teilweise ein, erklärte sie jedoch mit dem hohen Zeitdruck, unter dem die Kurse Ende 2015 angeboten wurden. Auch Annelies Huber, Geschäftsführerin der Einrichtung "Haus International" im niederbayerischen Landshut, sind Beschwerden von Flüchtlingen über Bildungsträger bekannt. Dabei handele es sich häufig um Träger, die bis dato hauptsächlich vom Jobcenter finanzierte Maßnahmen angeboten hatten und wegen der großen Nachfrage nun kurzfristig ihr Angebot um Integrationskurse erweitert hätten.

Manche Träger haben kurzfristig ihr Angebot erweitert

Flüchtlinge beschwerten sich über häufige Lehrerwechsel und ungeeignete Kursräume. Aber auch mangelnde Erfahrung mit Einstufungstests wurden schon moniert: "Was zur Folge hatte, dass vom Alphakandidaten bis zum Akademiker alle in einem Kurs saßen." Laut Annelies Huber gibt es sehr gute, engagierte Lehrer: "Aber zu wenig." Weil die Zulassungsbedingungen für Lehrkräfte in Integrationskursen gelockert wurden, unterrichteten inzwischen Menschen, die über kein oder kaum pädagogisches Fachwissen verfügten. Dies lasse sich noch ausgleichen, wenn die Ausgangsmotivation stimmt: "Doch so mancher Lehrkraft geht es in erster Linie darum, irgendwie Geld zu verdienen." Manche unterrichteten viel zu viele Stunden pro Woche, um genug Honorar zu erhalten: "Eine gute Unterrichtsvorbereitung ist so zeitlich nicht zu schaffen." Hinzu kommt, dass es den Kollegen oft an Interesse und Zeit für Weiterbildung mangele. Um dauerhaft eine gute Qualität zu erreichen, müssten die Kursentgelte erhöht werden. Huber: "Momentan wird außerdem zu viel Zeit und Geld für die administrative Seite der Kursorganisation aufgewandt." (Pat Christ, epd)

Kommentare (1)

  1. Freddie Nerkury am 24.09.2018
    Meine Erfahrung nach läufen sowohl die Englischkurse, die der Arbeitsamt anbietet, sowie die Integrationskurse sehr schlecht. Es gibt auch keine Kurse für Erwerbstätiger. Man muss sich dann hunderte Kursanbieter durch telefonieren, um einen geeigneten Kurs zu finden. Einen geeigneten Kurs wäre eine, der Personen, die im Vollzeit arbeiten, genügend Zeit gibt zum lernen, arbeiten, schlafen, ausruhen, essen, waschen und Hausaufgabe machen. Es bringt nichts, wenn der Teilnehmer im Unterricht schläft oder sehr schläfrig ist, weil er am vorherigen Abend nicht mal 8 Stunde zu Hause verbringen konnte. Gerade (nach 10 Anrufe) erfahre ich, dass Kurse mit weniger als 12 Unterrichtsstunden der Woche gar nicht zugelassen werden. Vollzeitberufstätige werden trotzdem dazu verpflichtet. Wir wären besser dran mit eine verblödete €450 Job obendarauf, damit die Teilnahme unmöglich ist. Zumindest hat man am Ende etwas davon. Und dann sieht der Ausländer schlecht darauf, weil er sich nicht bemüht hat. Oder wird gleich als Analphabet bezeichnet, obwohl Menschen, die in ihre eigene Sprache lesen und schreiben sind, gar keine Analphabeten sind. Man ist nicht analphabet, nur weil man der lateinische Schrift nicht beherrscht. Es gibt ja auch andere!
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