Politik

Zu Beginn des neuen Schuljahrs sollen mobile Impfteams auch an bayerische Schulen kommen. Manche Kinderärzte halten das Risiko für Jugendliche aber für größer als den Nutzen. (Foto: dpa/Dittrich)

27.08.2021

Heikle Impfaktionen

Vakzine gegen das Coronavirus für Jugendliche: Was das für den Schulbetrieb bedeutet, etwa mit Blick auf Datenschutz

Viele Monate lang war es äußerst mühsam, einen Impftermin zu ergattern. Inzwischen kann man sich zum Late-Night-Impf-Event im Kino einfinden oder auf dem Münchner Tollwood-Festival mal eben den Oberarm freimachen.

Auch für Kinder und Jugendliche ab zwölf Jahren ist das Impfen bequem geworden: Seit Anfang August bieten die bayerischen Impfzentren Termine an, zu Beginn des neuen Schuljahrs sollen mobile Impfteams an die Schulen kommen. Durch ihre Impfempfehlung für 12- bis 17-Jährige hat auch die Ständige Impfkommission den Weg hierfür freigemacht – wenngleich nach erheblichem Zögern. Politisch gewollt war das von Ministerpräsident Markus Söder schon lange. Darauf, dass die Inzidenz in den jüngeren Altersgruppen derzeit besonders hoch ist, wies der Bayerische Gesundheitsminister Klaus Holetschek hin und ermutigte Schülerinnen und Schüler und ihre Eltern, das freiwillige Impfangebot zu nutzen.

Geimpft werden soll in Turnhallen, Mensen oder Impfbussen, die Koordination läuft über Schulen, Impfzentren und Kommunen.

Der Bayerische Elternverband freut sich über die Entscheidung, an den Schulen zu impfen. „Je mehr Leute geimpft sind, umso besser!“ sagt Henrike Paede. „Impfungen tragen massiv dazu bei, dass die Schüler*innen wieder ihre so lange hintangestellte Bildung und ihre Entwicklungschancen bekommen könnten.“ Sie betont, dass die Angebote an den Schulen für die Eltern weniger Organisationsaufwand bedeuteten, und außerdem Zeiterparnis. Dass jetzt auch die Ständige Impfkommission die Impfung der Jüngeren empfiehlt, „wird viele bisher verunsicherte Eltern beruhigen. Wir sind zuversichtlich, dass dies einen ordentlichen Zuwachs bei der Impfrate auslösen wird,“ so Paede.

Ein Viertel der 12- bis 17-Jährigen ist geimpft

Auch Simone Fleischmann vom Bayerischen Lehrerinnen- und Lehrerverband (BLLV) begrüsst die niedrigschwelligen Impfangebote. Sie mahnt allerdings an, die Schulen nur als Location zu nutzen und in die Organisation nicht weiter einzubeziehen. Es sei Aufgabe des Gesundheitsministeriums, die Impfung mit den Eltern und Kindern abzuwickeln, nicht Aufgabe der Lehrkräfte.

Zurück hält sie sich mit der Einschätzung, ob das Impfen vor Ort zu Mobbingproblemen führt, etwa, wenn ein nichtgeimpftes Kind das Virus in die Klasse schleppt. „Wir wissen das nicht, weil wir die Situation noch nie hatten.“ Aber wie man Mobbing zurückdrängt: Darin seien die Lehrkräfte geübt.

Ohnehin plädiert die Verbandsvorsitzende dafür, sich im neuen Schuljahr besonders viel Zeit zu nehmen für Demokratiepädagogik und Gesundheitserziehung. Damit man darüber diskutieren kann, dass unterschiedliche Meinungen und Entscheidungen zur Demokratie gehören; dass medizinische Studien verschieden interpretiert werden können; und dass, was heute gilt, morgen schon ganz anders sein kann. „Philosophie statt Pythagoras“ ist ihre Devise.

Auch Nevio Sebastiano Zuber vom Landesschülerrat in Bayern, der bereits vor einigen Wochen für Impfaktionen an den Schulen eintrat, fordert, „mehr Aufklärung zu diesem Thema in den Schulen, um kuriosen Verschwörungstheorien vorzubeugen, die in der Gesellschaft kursieren.“

Der Bayerische Philologenverband hält es ebenfalls für „legitim und sinnvoll, dass die Impfangebote zu den Menschen kommen“. Wichtig sei, die Freiwilligkeit zu wahren und das Impfen jenseits des Unterrichts stattfinden zu lassen. „Dies muss ohne große Mehrbelastung für die Schulleitungen in Zusammenarbeit mit den lokalen Behörden zu organisieren sein.“ Einen erhöhten sozialen Druck oder gar Mobbing befürchtet der Verband nicht.

Martin Hirte vertritt da eine ganz andere Meinung. Der Kinderarzt, der bis vor Kurzem eine Praxis in München führte, ist wie viele seiner Patientenfamilien „sehr skeptisch“, was die Corona-Impfung von Kindern und Jugendlichen betrifft. „Es ist problematisch, eine Bevölkerungsgruppe zu impfen, die durch die Krankheit ein Nullrisiko hat, bei der die Impfung aber nicht ohne Risiko ist“, erklärt er. Und verweist auf die Herzmuskelentzündungen als Impfnebenwirkung bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen, die Fachleute in seltenen Fällen beobachtet haben.

Für ein großes ethisches Problem hält Hirte zudem, dass bei Impfungen an Schulen der Datenschutz nicht gewahrt werde. „Jeder weiß, ob man geimpft ist oder nicht, die Kinder und die Lehrkräfte.“ Er fürchtet, dass Ungeimpfte gemobbt und ausgegrenzt werden könnten.

Die Impfung von Kindern hält er für „ein Relikt aus der Zeit der No-Covid-Strategie“, als man noch glaubte, das Virus ganz eliminieren zu können. Hirte prophezeit: „Jetzt geht es erst richtig los mit den psychosozialen Folgen der Kinder und Jugendlichen.“

Geimpft ist bayernweit bereits ein Viertel der 12- bis 17-Jährigen. An den drei Tests wöchentlich, die für die Schulen ab 14. September vorgesehen sind, werden sie sich nicht beteiligen müssen.

Klar ist inzwischen immerhin, wie es mit der Quarantänepflicht weitergehen soll. Sie soll vereinfacht werden. Wenn etwa ein Schüler positiv auf Corona getestet werde, müsse nicht mehr automatisch die ganze Klasse in Quarantäne gehen, gab Ministerpräsident Söder diese Woche bekannt. Stattdessen sollen die Mitschüler*innen dann eine Woche lang täglich getestet werden.
(Monika Goetsch)

Kommentare (0)

Es sind noch keine Kommentare vorhanden!
Die Frage der Woche
X
Vergabeplattform
Vergabeplattform

Staatsanzeiger eServices
die Vergabeplattform für öffentliche
Ausschreibungen und Aufträge Ausschreiber Bewerber

Jahresbeilage 2024

Nächster Erscheinungstermin:
28. November 2025

Weitere Infos unter Tel. 089 / 29 01 42 54 /56
oder
per Mail an anzeigen@bsz.de

Download der aktuellen Ausgabe vom 29.11.2024 (PDF, 19 MB)

E-Paper
Unser Bayern

Die kunst- und kulturhistorische Beilage der Bayerischen Staatszeitung

Abo Anmeldung

Benutzername

Kennwort

Bei Problemen: Tel. 089 – 290142-59 und -69 oder vertrieb@bsz.de.

Abo Anmeldung

Benutzername

Kennwort

Bei Problemen: Tel. 089 – 290142-59 und -69 oder vertrieb@bsz.de.