Politik

21.10.2022

Ideologie nervt – und schadet

Ein Kommentar von Tobias Lill

Der Atomausstieg war für die Grünen von Beginn an zentraler Bestandteil der Partei-DNA – ebenso wie der Pazifismus. Einer der beiden ideologischen Grundpfeiler ging im Frühjahr durch die von Kanzler Scholz gezündete Milliarden-Bazooka für den Verteidigungshaushalt in Rauch auf. Es galt für die Parteigranden deshalb zuletzt, das Schlachten der zweiten heiligen Kuh zu verhindern. Im Angesicht der Niedersachsen-Wahl wollte die Grünen-Spitze ihrer Kernklientel offensichtlich zeigen: Wir sind keine Umfallerpartei.

Atommeiler sollten bis 2024 laufen

Klar ist: In der Debatte um das Weiterlaufen der drei verbliebenen deutschen Kernkraftwerke verweigerte sich die Ökopartei zuletzt rationalen Argumenten. Dass zahlreiche Fachleute die Gefahr eines Blackouts für real halten – geschenkt. Auch die explodierenden Strompreise juckten die Grünen nur wenig. Kein Wunder: Schließlich ist die Stammklientel in der Regel gut betucht. Das von den Grünen lange anvisierte Abschalten aller drei oder – wie zuletzt geplant – zumindest eines AKW Ende des Jahres wäre nicht nur für die Versorgungssicherheit verheerend gewesen. Denn ohne die Meiler, die noch immer gut 6 Prozent des deutschen Stromes erzeugen, hätten Phasen, in denen teure Gaskraftwerke extra zugeschaltet werden müssen, um Blackouts zu vermeiden, deutlich zugenommen.

Mit fatalen Folgen: Einerseits sinken so die Gasreserven, andererseits wird der Strompreisanstieg beschleunigt. Denn an der Strombörse gilt in Deutschland das sogenannte Merit-Order-Prinzip: Danach richtet sich vereinfacht gesagt der Strompreis, den ein Anbieter an einem Tag für seinen Strom bekommt, nach dem Kilowattstunden-Preis, den das teuerste stromliefernde Kraftwerk an jenem Tag verlangt. Selbst wenn also Windparks ihre Energie eigentlich günstig anbieten können, kassieren sie am Ende des Tages horrende Summen, zulasten der Verbraucher*innen.

Natürlich ist Atomkraft angesichts der Gefahren und der strahlenden Hinterlassenschaft keine Zukunftstechnologie. Doch auf eine Laufzeitverlängerung bis zum Frühjahr 2024 käme es angesichts des derzeitigen weltweiten Atombooms auch nicht mehr an. Längere Laufzeiten und die Abschaffung von Merit-Order würden allen helfen. Denn, so sagen Fachleute, der Winter 2023 soll noch schlimmer werden als der kommende. 

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