Politik

Jetzt wieder Pflicht: HIV-Tests für Asylsuchende. (Foto: dpa)

22.08.2014

Im Diagnose-Schock

Warum HIV-Pflichttests für Asylsuchende in Bayern wieder eingeführt wurden und wieso sie für die Betroffenen oft so belastend sind

HIV-positiv: Dass das heutzutage nicht mehr gleichbedeutend ist mit schlimmen Symptomen, langem Leiden und einem frühen Tod, wissen selbst hierzulande längst nicht alle. Geschweige denn Menschen aus Entwicklungsländern. Wer etwa aus Afrika kommt, lebt meist mit der Vorstellung: HIV-positiv – da muss man bald auf schreckliche Weise sterben.
Tatsächlich ist es so, dass man mit den richtigen Medikamenten ein beschwerdefreies Leben führen kann. Dass das HI-Virus im Blut – vorausgesetzt, man nimmt die Tabletten lebenslang – gar nicht mehr nachweisbar ist. Und dass man eine normale Lebenserwartung hat.
All das erfährt in Bayern, wer freiwillig einen HIV-Test machen lässt, etwa bei einem staatlichen Gesundheitsamt. Vor der Blutuntersuchung findet nämlich grundsätzlich ein Aufklärungsgespräch mit einem Arzt statt. Liegt dann später tatsächlich ein positives Testergebnis vor, ist der Betroffene bereits darüber im Bild, dass die Krankheit gut behandelbar ist. Das kann den Diagnose-Schock mildern. „Der ganz schlimme Schrecken“, sagt Antje Sanogo von der Münchner Aids-Hilfe, „ist dann schon mal genommen.“

Im Juni wurden die Pflichttests abgeschafft, jetzt wieder eingeführt


Im Fall der jetzt wieder eingeführten HIV-Pflichttests für Asylsuchende entfällt die vorherige Aufklärung . Die Flüchtlinge – oft sind sie erst wenige Tage hier – bekommen im Fall einer HIV-Infektion völlig unvorbereitet ihre Diagnose mitgeteilt. Von einem Arzt, den sie nicht kennen und im Beisein eines Dolmetschers. Die meisten Flüchtlinge seien damit „total überfordert“, klagt Petra Heinrich, Sozialpädagogin der psychosozialen Beratungsstelle der Universität München.
Erst im vergangenen Juni hatte das bayerische Gesundheitsministerium die bis dahin üblichen HIV-Pflichttests für Asylsuchende abgeschafft: Es sollten nur noch solche Flüchtlinge auf HIV untersucht werden, bei denen ein Verdacht auf die Erkrankung bestand – freiwillig und nach vorheriger Aufklärung. Rund ein Prozent der Flüchtlinge ist laut Gesundheitsministerium HIV-positiv. Warum man die Freiwilligkeit nur zwei Monate später wieder rückgängig macht, erklärt das bayerische Gesundheitsministerium mit „organisatorischen Problemen“: Weil die Flüchtlingszahlen so stark angestiegen seien, habe man befürchtet, nicht genügend Ärzte und Dolmetscher für die Aufklärungsgespräche im Vorfeld der freiwilligen Tests zu haben, sagt eine Sprecherin von Gesundheitsministerin Melanie Huml.

Ein Prozent der
Asylsuchenden ist HIV-positiv

Überraschend kam der starke Zustrom von Flüchtlingen indes nicht: Die Zahl der Flüchtlinge ist kontinuierlich gestiegen. Stellten im Jahr 2010 noch 41 332 Menschen einen Asylantrag in Deutschland, waren es 2013 bereits 109 580. In Deutschland ankommende Asylbewerber werden auf alle Bundesländer nach einem feststehenden Schlüssel verteilt. Danach nimmt Bayern rund 15 Prozent der Asylsuchenden auf. Das bayerische Sozialministerium rechnet für 2014 mit rund 21 000 Asylbewerbern im Freistaat. Die Unterbringung der Flüchtlinge sorgt bereits seit Monaten für Probleme; die Unterkünfte platzen aus allen Nähten.
Schwierig gestaltet sich deshalb – gerade im Fall einer HIV-Diagnose – auch die psychosoziale Betreuung der Flüchtlinge. Zwar pocht das Sozialministerium darauf, dass jeder Asylsuchende die medizinische und psychologische Betreuung erhalte, die er brauche. Doch in den überfüllten Unterkünften fehlten Rückzugsräume für die Beratungsgespräche, klagt Antje Sanogo von der Aids-Hilfe. Hinzu kommt: Die Asylsuchenden würden oft binnen weniger Tage in andere Unterkünfte gebracht. Immer häufiger passiere es deshalb, dass Ärzte auf dem Land geschockte Flüchtlinge über eine HIV-Erkrankung ins Bild setzen müssten. Das seien dann auch Mediziner, sagt Antje Sanogo, „die psychologisch nicht dafür geschult sind und die so eine Diagnose noch nie mitgeteilt haben“. (Waltraud Taschner)

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