Politik

Darf künftig in mehr Gebieten im Freistaat gejagt werden: der Biber. Foto: Dpa/Grafik BSZ

18.05.2012

Im Fadenkreuz der Staatsregierung

Naturschützer beklagen einen Wandel in Bayerns Umweltpolitik – immer öfter würden Tiere einfach zum Abschuss freigegeben

Für die Fischer am Chiemsee ist es ein nötiger Eingriff in die Natur, für viele Tierschützer nichts anderes als ein Massaker: Die jährlich von Spätsommer bis Frühlingsanfang dauernde, staatlich angeordnete massenhafte Jagd auf die Kormorane an Bayerns wohl schönstem Gewässer. Auch Hubert Weiger, Vorsitzender des Bund Naturschutz (BUND) empört sich seit Jahren über die zunehmenden Abschüsse. Wörter wie „Massaker“ nimmt der bedächtige Mann zwar nicht in den Mund. Doch auch er hält die Abschüsse für falsch. „Die Vögel werden einfach zum Sündenbock für die gesunkenen Fischerträge gemacht“, ärgert sich Weiger. Dabei habe der Rückgang der Fischpopulation im Freistaat andere Gründe. Die Flüsse und Seen seien schlicht sauberer geworden, weshalb es weniger Wasserpflanzen gebe. „Damit fehlt bestimmten Fischarten einfach die Nahrung“, weiß der Forstwirt.
Nicht nur in Sachen Kormoran sind Umweltschützer derzeit schlecht auf die schwarz-gelbe Landesregierung zu sprechen. Weiger konstatiert einen Paradigmenwechsel in der Landespolitik in den vergangenen Jahren: „Die Hemmschwelle auf geschützte Tierarten zu schießen, geht in Bayern immer weiter zurück.“ Die gelte sowohl für die Staatsregierung als auch für die ausführenden Behörden auf kommunaler Ebene.

"Egal ob Gänse, Krähen, Kormorane oder Biber"


„Egal ob Gänse, Krähen, Kormorane oder Biber – die Politik gibt Wildtiere immer öfter einfach zum Abschuss frei“, kritisiert auch Jörg-Andreas Krüger, Leiter des Fachbereichs Naturschutz und Umweltpolitik beim Naturschutzbund (NABU). Anstatt die Bauern und Fischer anständig zu entschädigen oder zu versuchen, die Tiere etwa mit Lärm zu vertreiben, werde oft lieber gleich geschossen. „Letale Vergrämung“ heißt diese Praxis mitunter im Behördendeutsch.
Auch für Weiger ist klar: „Die Zeiten, in denen die Tötung von Wildtieren die Ultima Ratio waren, sind vorbei.“ Allzu oft gebe die Landesregierung den ökonomischen Interessen von Fischern und Landwirten nach. Besonders ärgert ihn, dass diese „Abschüsse dann auch noch als Artenschutz“ verkauft würden.   Aktuell entzündet sich der Zorn der Tierschützer an der Frage, wie die örtlichen Behörden mit den Bibern umgehen sollen. Denn der putzige Geselle ist vielen Bauern schon lange ein Dorn im Auge. Nun hat auch das bayerische Umweltministerium die rund 14 000 Nager im Freistaat ins Visier genommen. In einem Schreiben an alle Landratsämter wies das CSU-geführte Ministerium Ende März die Kreisbehörden an, flächendeckend „erheblich schadensgeneigte Gebiete“ auszuweisen. In diesen Regionen sollen Biber „schnell und ohne vermeidbaren Verwaltungsaufwand“ gejagt werden dürfen.
Bislang ist der Abschuss von Bibern im südlichsten Bundesland nur in absoluten Ausnahmefällen erlaubt – etwa im Bereich von Kläranlagen und Wasserkraftwerken. Künftig darf er beispielsweise auch im Umfeld von Fischteichen geschossen werden.
Begründet wird die neue Biberpolitik mit den gestiegenen Schadensmeldungen. Bayerns Landwirte sowie die Wald- und Teichbesitzer klagten im vergangenen Jahr über Schäden in Höhe von fast 600 000 Euro – 73 Prozent mehr als noch 2010. „Einen richtigen und vernünftigen Schritt“, nennt ein Sprecher des Bayerischen Bauernverbands (BBV) deshalb das Vorgehen des Umweltministeriums. Nur so ließen sich land-, forst- und teichwirtschaftliche Nutzflächen bewirtschaften, „ohne dass damit eine Gefahr für Leib und Leben der in der Natur arbeitenden Menschen einhergeht“.
Ein Sprecher des bayerischen Umweltministeriums betont, der Biber sei in Bayern „nach wie vor streng geschützt“. Man habe die zuständigen Behörden in dem Schreiben Ende März lediglich auf gesetzlich bereits bestehende Möglichkeiten des Abschusses hingewiesen. „Zugleich haben wir den Biberschadensfonds um 100 000 Euro auf 450 000 Euro für 2011 aufgestockt.“
Von einem Paradigmenwechsel in der Artenschutzpolitik könne keine Rede sein. So versuche man auch bei der Kormoran-Frage eine „einvernehmliche Lösung mit Naturschützern zu finden“.
Andreas von Lindeiner vom Landesbund für Vogelschutz (LBV) wirft der Staatsregierung dagegen vor, beim Kormoran und anderen Tieren zu wenig „in die Vorbeugung von Schäden zu investieren“. Und auch BUND-Mann Weiger nennt den Biberabschuss „leicht vermeidbar“. Die Zahl der Nager sei in den vergangenen Jahren schließlich gleichgeblieben. Das Problem sei, dass die bayerischen Behörden sich vielerorts weigerten, die ufernahen Flächen zu renaturieren. Doch nur so könnten Schäden prinzipiell vermieden werden. „Die Biber bewegen sich in der Regel ja lediglich in einem Radius von 15 Metern um die Gewässer herum“, sagt er.
Die Hoffnung auf ein Einlenken der Staatsregierung wolle er jedoch nicht aufgeben. (Tobias Lill)

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