Politik

Islam an Bayerns Schulen: kein echter konfessioneller Unterricht. (Foto: dpa/Tobias Hase)

02.07.2021

Islamunterricht als Wahlpflichtfach

Nach zehn Jahren in der Modellphase sollen Kinder muslimischen Glaubens nun regulären Religionsunterricht bekommen – das ist nicht unumstritten

Nach den Sommerferien ist es endlich so weit: Der Islamische Unterricht, zehn Jahre lang Modellprojekt an bayerischen Schulen, geht in eine neue Phase. Angeboten wird er ab September als Wahlpflichtfach. Im auslaufenden Schuljahr haben insgesamt 17 450 Schülerinnen und Schüler am Islamischen Unterricht teilgenommen. 100 Lehrkräfte standen dafür an insgesamt 350 bayerischen Schulen zur Verfügung. „Die Einrichtung möglicher weiterer Standorte ist denkbar“, so ein Sprecher des Kultusministeriums vorsichtig.

Derzeit wird geprüft, wo Bedarf ist. Ob der Islamische Unterricht in den Fächerkanon der Schulen aufgenommen werden kann, hängt allerdings vor allem von der Zahl der verfügbaren Lehrkräfte ab, die an der Friedrich-Alexander-Universität (FAU) in Erlangen den Studiengang Islamischer Unterricht oder an der Lehrerakademie in Dillingen die Qualifizierungslehrgänge absolviert haben.

Auch Frauen unterrichten

Tarek Badawia, der an der FAU Islamische Religionspädagogik lehrt, registriert zwar seit dem Ministerialbeschluss im Februar eine deutlich anwachsende Zahl an Bewerbungen. Aber noch fehlt es an qualifiziertem Personal. Es gilt also, sich in Geduld zu üben. „Jetzt geht es Schritt für Schritt gut voran“, so Badawia.

Dabei hat das bayerische Modellprojekt – das erste in Deutschland – insgesamt gute Pionierarbeit geleistet. Unterrichtsmaterialien wurden entwickelt, Erfahrungen bei der Lehrerfortbildung gesammelt. Das sogenannte Erlanger Modell wird darum auch künftig beibehalten. Die Prämissen: Muslimische Lehrkräfte unterrichten religionspädagogisch relevante Themen; die Lehrkräfte sind nicht nur Männer, sondern auch Frauen; der Unterricht ist fest im Bildungs- und Erziehungsauftrag der Schulen verankert. Und, so Badawia: „Die Selbstbestimmung des Kindes muss unmissverständlich respektiert werden. Niemandem darf eine Lehrmeinung aufgedrängt werden.“

Anders als im Fall des katholischen, des evangelischen und des jüdischen Religionsunterrichts handelt es sich also weiterhin nicht um ein konfessionelles, sondern um ein religionskundliches Fach. Begründet wird der Status des Faches damit, dass die Muslime in Bayern keine Körperschaft des öffentlichen Rechts bilden. „Der Lehrplan stammt nicht aus der Feder der Verbände“, erklärt Badawia, „sondern ist in einer Fachkommission am Staatsinstitut für Schulqualität und Bildungsforschung in Kooperation mit der Uni entstanden und wurde anschließend den Verbänden und Fachgutachtern vorgelegt.“ Der Staat bestimmt über den Einsatz von Lehrkräften nach fachlichen Standards. Die Lehrbefugnis erteilen nicht die muslimischen Verbände.

Beten darf man im Islamischen Unterricht allerdings trotzdem, wenn man das Thema religiöse Rituale exemplarisch behandelt. Wert wird auch darauf gelegt, dass die Lehrkräfte selbst muslimischen Glaubens sind und darum „authentisch“ auftreten können.

Kompliziertes Konstrukt

Ein kompliziertes Konstrukt, das Kritik aus unterschiedlichen Richtungen befeuert. Die AfD hat eine dritte Lesung im Landtag beantragt; der Unterschleißheimer Handelslehrer Ernst-Günther Krause, der Bund für Geistesfreiheit und die Münchner Regionalgruppe der Giordano-Bruno-Stiftung haben eine Popularklage angekündigt. Begründung: Es handele sich eben doch um einen bekenntnisorientierten Unterricht. Muslimische Verbände wiederum hätten sich einen echten konfessionellen Unterricht in den Schulen gewünscht. Auch die bayerischen Grünen sind unzufrieden. Gabriele Triebel, Sprecherin für Religionspolitik im Landtag, beklagt den mangelnden Dialog zwischen der islamischen Community und der Staatsregierung. Ihre „wahr gewordene Vision“ sei der „Religionsunterricht für alle“ in Hamburg, wo alle Schülerinnen und Schüler gemeinsam in den Unterricht gehen.

Eine andere von ihr favorisierte Option: die Gründung einer Stiftung, die den Unterricht anbietet, wie dies in Baden-Württemberg geschieht.

Badawia allerdings sieht in beiden Fällen große Probleme bei der Umsetzung. Schwierigkeiten gab es aus anderen Gründen in Hessen: Dort hatte man neben dem staatlichen, religionskundlichen auch einen konfessionellen Unterricht angeboten. 2020 musste der Unterricht ausgesetzt werden. Begründung: die Abhängigkeit der sunnitisch-islamischen Organisation Ditib Hessen, die den Unterricht gestaltete, vom türkischen Staat.

Vor allem eine Hoffnung ruht nun auf dem Islamischen Unterricht: dass er vor Radikalisierung schützt. Badawia erklärt dazu: „Es geht um ein positives Verhältnis zur eigenen Religion.“ Die Islamstunde in der Schule sei „ein Riesensignal der Anerkennung“. Ein geschützter Raum in der Schulklasse, in dem religiöse Fragen erklärt und diskutiert werden: Das helfe, in eine religiöse Identität hineinzuwachsen. „Kinder sollen wissen, warum eine radikale Position nicht willkommen ist.“ Dazu, sagt er, brauche man „Zeit und Vertrauen“.
(Monika Goetsch)

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