Politik

21.12.2023

Ist ein Gender-Verbot in Schulen und Behörden sinnvoll?

Bayerns Ministerpräsident Markus Söder hat nicht nur seine eigene Kultusministerin mit dem Vorstoß, in den Schulen und Behörden des Freistaats ein Gender-Verbot einzuführen, überrascht. Florian Weber, der Vorsitzende der Bayernpartei, findet das gut. Ulrich Babl, der Vorsitzende des Bayerischen Realschullehrerverbands, lehnt die Pflicht dagegen ab

JA

Florian Weber, Vorsitzender der Bayernpartei

So schwer es mir fällt, den Ministerpräsidenten für Entscheidungen zu loben, muss ich sagen: Hier hat er recht. Die Bayernpartei und auch ich persönlich begrüßen ausdrücklich die Entscheidung, das sogenannte Gendern an bayerischen Schulen und Behörden zu untersagen. Überraschen lasse ich mich, wie das Ganze umgesetzt wird.

Alle bekannten Umfragen zu diesem Thema kommen zum selben Ergebnis: Eine überwältigende Mehrheit lehnt das Gendern ab. Demnach handelt es sich bei den Gender-Befürwortern um eine kleine Minderheit, die versucht, der Mehrheit ihren Willen aufzuzwingen. Unter dem Vorwand der „Geschlechtergerechtigkeit“ und der Inklusion soll die deutsche Sprache in etwas transformiert werden, das eher Orwell’schem „Neusprech“ ähnelt als irgendetwas anderem.

Dabei läuft gerade das angebliche Hauptargument der Inklusion ins Leere. Glaubt man wissenschaftlichen Erhebungen, haben etwa 30 Prozent der hier lebenden Menschen Schwierigkeiten, die deutsche Sprache in Wort oder Schrift zu erfassen. Sei es, weil sie ausländische Wurzeln haben oder beispielsweise eine angeborene Leseschwäche. Diesen Menschen wird durch das Gestotter beim Sprechen oder durch Sterne, Doppelpunkte und Unterstriche im Text das Leben unnötig erschwert, ja sie werden geradezu von Teilhabe ausgegrenzt. Natürlich soll jeder privat sprechen, wie er gerne möchte. Wenn jemand zu Hause gendert, ist es seine Sache.

Dass aber CSU, FW, SPD und Grüne noch 2022 im Bezirkstag von Oberbayern ein Gleichstellungskonzept beschlossen haben, mit dem sie das Gendern der Bezirksverwaltung vorschreiben und einen Gegenantrag der Bayernpartei ablehnten, ist doch bemerkenswert. Festzuhalten ist jedenfalls, dass das Vorgehen der bayerischen Staatsregierung, wenn es denn kommt, ein Schritt in die richtige Richtung ist. Gerade an bayerischen Schulen und Universitäten muss sichergestellt werden, dass niemand einen Nachteil hat, wenn er nicht gendert. 

NEIN

Ulrich Babl, Vorsitzender des Bayerischen Realschullehrerverbands

Angesichts der Debatte um das angekündigte Gender-Verbot an bayerischen Schulen und Behörden ist es wichtig, eine differenzierte Perspektive einzunehmen und eine für alle Mitglieder der Schulfamilie praktikable und akzeptable Lösung zu gestalten. Grundsätzlich lehnen wir eine Gender-Pflicht aber entschieden ab und weisen in diesem Zusammenhang darauf hin, dass Gendern an bayerischen Realschulen ohnehin kein großes Thema ist. Aus unserer Sicht besteht daher auch keine Notwendigkeit für ein gesetzlich definiertes Gender-Verbot.

Die Bekanntmachung „Deutsche Rechtschreibung“ des Bayerischen Staatsministeriums für Unterricht und Kultus vom Juni 2023 verweist darauf, dass die amtliche Regelung zur deutschen Rechtschreibung in der jeweils gültigen Fassung die verbindliche Grundlage des Unterrichts an allen Schulen ist. Der Rechtschreibrat weist im Übrigen zu Recht auf eine ganze Kette möglicher Folgeprobleme bei der Verwendung von Gender-Zeichen hin und lehnt es ab, Binnenzeichen wie Doppelpunkt, Unterstrich und Sternchen in das Amtliche Regelwerk aufzunehmen. Wir halten jedenfalls die Einhaltung der amtlichen Regeln der deutschen Rechtschreibung für maßgeblich und völlig ausreichend.

Zugleich betonen wir, dass es selbstverständlich sein sollte, die Schülerinnen und Schüler sprachsensibel zu unterrichten und niemanden auszugrenzen. Ein Beispiel dafür ist die Berücksichtigung von zweigeschlechtlichen Paarformen bei Berufsbezeichnungen wie Feuerwehrfrau oder Feuerwehrmann, Lehrerin oder Lehrer, Politikerin oder Politiker. Der springende Punkt bei der Überwindung tradierter Rollenbilder und längst überholter Stereotype sowie entscheidend für die Stärkung von Chancen- und Geschlechtergerechtigkeit ist unserer Ansicht nach vielmehr die Erweiterung der Entwicklungschancen und beruflichen Perspektiven aller Kinder und Jugendlichen ebenso wie die tatsächlich gelebte, vorurteilsfreie Gleichbehandlung der Geschlechter im alltäglichen Umgang miteinander. 
 

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