Politik

08.08.2019

Ist eine Ausweitung der Videoüberwachung im öffentlichen Raum sinnvoll?

Ein Achtjähriger wird von einem Mann ins Gleis gestoßen und stirbt. Nach der schrecklichen Tat am Frankfurter Hauptbahnhof werden die Rufe nach einer Ausweitung der Video-Überwachung wieder lauter. Aber ist die auch sinnvoll? Unser Pro & Contra:

JA

Norbert Dünkel (CSU), Mitglied im Innenausschuss des Bayerischen Landtags

Die Sicherheit der Menschen in Bayern hat für uns oberste Priorität. Deswegen investieren wir auch wie kein zweites Bundesland in die innere Sicherheit. Bayern nimmt seit Jahren mit seiner niedrigen Kriminalitätsbelastung und erstklassigen Aufklärungsquote eine Spitzenstellung im Bundesvergleich ein. Das soll auch so bleiben!

Eine langfristig niedrige Kriminalitätsrate funktioniert nur durch Vorbeugung und Abschreckung. Hierfür ist die Videoüberwachung ein zentraler Baustein im Gesamtkonzept der bayerischen Sicherheitspolitik. Sie erfolgt im öffentlichen Raum, insbesondere an Bahnhöfen, im öffentlichen Nahverkehr und an Kriminalitätsbrennpunkten. Daneben überwacht auch die bayerische Polizei bestimmte Brennpunkte oder Veranstaltungen mit stationären beziehungsweise mobilen Videoanlagen, so etwa beim Oktoberfest und auf Weihnachtsmärkten.

Die Videoüberwachung hilft nicht nur der Polizei ganz entscheidend bei der Fahndung nach Kriminellen, sie kann darüber hinaus auch abschreckend auf potenzielle Straftäter wirken. Zusätzlich stärkt die Videoüberwachung das Sicherheitsgefühl der Bürger. In einer Umfrage im Jahr 2017 (Quelle: Focus, TNS Emnid) gaben 81 Prozent der Befragten an, dass mehr Videoüberwachung für sie eher mehr Sicherheit bedeutet.

Die Freiheitsrechte des Bürgers dürfen dabei selbstverständlich nicht außer Acht gelassen werden. Die Videoüberwachung ist kein Allheilmittel. Es ist Ur-Aufgabe des Staates, ausnahmslos alle Rechte seiner Bürger zu schützen. Dazu gehört auch das Recht auf Datenschutz. Aber eben auch das Recht, vor Gewalt und Unrecht geschützt zu werden. Deswegen wollen wir die Videoüberwachung auch nur dort ausbauen, wo es zwingend erforderlich ist und die Sicherheit der Menschen erhöht.
Eine Videoüberwachung sämtlicher Straßen, wie wir das bereits in einigen britischen Städten erleben, wollen wir in Bayern nicht.

NEIN

Thomas Petri, Landesbeauftragter für Datenschutz in Bayern

Videoüberwachung an öffentlichen Plätzen kann dazu beitragen, dass unsere Gesellschaft sicherer ist – muss aber nicht. Vor Kurzem habe ich bei einer Kommune zum wiederholten Mal festgestellt, dass sie zahlreiche Kameras einsetzt – unverhältnismäßig, weil es überwiegend um Bagatellen wie die Verunreinigung eines Platzes durch Zigarettenstummel und Kronkorken ging. Vor allem aber: Es gab kein Personal, das die Kameras bediente. Sie zeichneten permanent Personen und Geschehnisse auf. Entstünde tatsächlich eine gefährliche Situation, wäre niemand da, der etwas zum Schutz der bedrohten Personen veranlassen würde. So angewandt, sind Kameras nur eines: intensive Eingriffe in die Freiheit der beobachteten Menschen. Auch in Bayern leider kein Einzelfall.

Noch intensiver sind Freiheitsbeschränkungen, die von „intelligenten“ Videoüberwachungssystemen ausgehen: Sie erfassen und bewerten ständig erlaubtes Verhalten. Wer von vordefinierten Verhaltensnormen abweicht, könnte qua Definition gefährlich sein und löst einen Alarm aus. Entspricht das unserem Bild einer offenen und freiheitlichen Gesellschaft, in der jeder das tun und lassen kann, was das Recht nicht untersagt?

Es gibt zahlreiche Statistiken, welche die Wirksamkeit von Videoüberwachung belegen oder widerlegen sollen. Persönlich hege ich Zweifel an der Aussagekraft von Statistiken, wenn die Rahmenbedingungen ihrer Erstellung nicht sorgfältig und klar definiert sind. Gegen eine Videoüberwachung habe ich im Grundsatz keine Einwände, wenn sie sich auf wirklich gefährliche Räume beschränkt, wenn sie in ein Sicherheitskonzept eingebettet ist und verhältnismäßig ausgestaltet wird. Dann kann sie ein geeignetes Instrument zur Stärkung der öffentlichen Sicherheit sein. Nach meinem Eindruck allerdings werden in Bayern die meisten öffentlichen Plätze mit einem gewissen Sicherheitsrisiko bereits videoüberwacht. Für eine Ausdehnung besteht deshalb kein Anlass mehr. Videoüberwachung allein als Placebo, um besorgte BürgerInnen zu beruhigen, lehne ich ab.

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