Politik

Beispiel Bolzplatz: Jugendliche bei Planungen einzubeziehen bringt allen Vorteile. (Foto: dpa/Stephanie Pilick)

15.10.2021

Junge Leute wollen mitmischen

In der Politik werden Jugendliche oft zu wenig gehört – Jugendparlamente geben ihnen eine Stimme

Dass Jugendliche für die ganz große Politik auf die Straße gehen, kennt man von den Fridays-for-Future-Demos. Kommunalpolitisches Engagement dagegen findet eher unbemerkt statt. Am Tag vor einer Gemeinderatssitzung zum Beispiel, wenn sich Jugendstadt- oder Jugendgemeinderäte zusammensetzen, um mit der Bürgermeisterin oder dem Bürgermeister über ganz konkrete Probleme vor Ort zu sprechen.

Wie der 16-jährige Chris aus Schrobenhausen. Schon seit zwei Jahren ist er Jugendstadtrat. Geworben wurde er von seinem älteren Bruder. „Er hat mir damals erklärt: Wenn eine Schaukel auf dem Spielplatz fehlt, geben wir das an die Stadt weiter“, erzählt Chris. „Und die besorgen dann eine neue. Das fand ich cool.“ Also hat er sich wählen lassen. Sein Amt hat ihn bislang nicht enttäuscht. Im Gegenteil: Weil es so viel Spaß macht, gehört er künftig nun auch dem Jugendkreistag an.

Laut Angaben des Bayerischen Jugendrings gibt es in Bayern insgesamt etwa 120 Jugendräte, Jugendbeiräte und Jugendparlamente. Viele Gemeinden, Städte und Märkte haben sich demnach auf den Weg zu einer jugendfreundlichen Kommune gemacht. Die Landeshauptstadt ist noch nicht ganz so weit. In München drängen die Jungen Liberalen schon länger darauf, einen Jugendstadtrat einzuführen. Die Ergebnisse der dritten Münchner Jugendbefragung, in der sich zwei Drittel der Jugendlichen mehr Mitbestimmungsrechte in der Stadtpolitik wünschen, nimmt Felix Meyer, Stadtvorsitzender der JuLis in München, zum Anlass, noch mal an ihre Forderung zu erinnern. Der Jugendrat, so die Vorstellung, solle „Politik für Jugendliche“ machen. Auch die Jungen Grünen machen sich schon seit Jahren für Jugendparlamente in Bayern stark.

Gute Gründe, junge Menschen stärker an kommunalpolitischen Entscheidungen zu beteiligen, gibt es genug. Eine Studie des Deutschen Kinderhilfswerks kommt zu dem Schluss, dass Kinder- und Jugendparlamente viele positive Lerngelegenheiten für die nachwachsende Generation bieten, zur Stärkung kommunaler Demokratie beitragen, Kommunen kinderfreundlicher machen können und so das Wohlbefinden aller Einwohner*innen steigern.

Wenn Jugendliche an Planungen, Entscheidungen und deren Verwirklichung mitwirken, so der Bayerische Jugendring, können sie „selbst aktiv werden, ihre Persönlichkeit frei entfalten und entwickeln sowie Selbstwirksamkeit erfahren“. Jugendgerechte Kommunen seien außerdem ein wichtiger Standortfaktor. Viele Politiker*innen sehen das in einer Befragung der Landeszentrale für politische Bildung in Baden-Württemberg ähnlich. Sie hoffen, junge Menschen durch Jugendparlamente stärker an die Gemeinden zu binden und so der Abwanderung im ländlichen Raum entgegenzuwirken.

Der Bayerische Jugendring kritisiert allerdings, dass verlässliche Strukturen der Begleitung, Beratung und Qualifizierung fehlten. Er setzt sich für eine bessere finanzielle Ausstattung ein. Und Liane Pluto vom Deutschen Jugendinstitut erklärt, dass der Partizipationserfolg entscheidend davon abhängt, wie gut die Parlamente in der Kommune verankert seien. Wichtig sei, dass im Parlament Schülerinnen und Schüler aller Schulformen sitzen und auch Kinder und Jugendliche mit Migrationshintergrund eingebunden werden. Und: Die Arbeit der Jugendstadträte müsse Effekte zeigen. „Es kommt darauf an, dass die Jugendlichen sehen, dass sich die Politik von Stadt oder Kommune ernsthaft mit ihnen auseinandersetzt. Zum Beispiel, indem die Referate Stellung nehmen zu dem, was die Parlamente sagen.“

Planen Erwachsene, werden Jugendliche oft vergessen

Benedikt Schmid kann all das nur bestätigen. Als Stadtjugendpfleger in Schrobenhausen koordiniert er den Jugendstadtrat. Und ist froh, dass dies hauptamtlich geschieht. „Den Zugang zu den Jugendlichen zu finden kostet viel Zeit, ein Ehrenamtlicher kann das alles gar nicht leisten.“

Unverzichtbar sei der Jugendstadtrat in jedem Fall. „Wenn Erwachsene Planungen für Jugendliche machen, werden die Jugendlichen oft vergessen“, sagt Schmid. In Schrobenhausen kann das nicht passieren. Pannen ereignen sich allerdings trotzdem. Bei der Bolzplatzplanung zum Beispiel. „Die Jugendlichen wollten lieber einen halben Platz und kleine Tore“, erzählt er. Die Stadt habe kleine Tore gesetzt, den Platz aber groß gelassen. „Jetzt ist das Ganze noch weniger nutzbar.“

Zwar hatte die Stadt den Jugendrat an der Entscheidung beteiligt. Und es sei ja auch „gut gemeint“ gewesen. Aber irgendwo zwischen Diskussion und Realisierung ging offenbar ein Teil der Botschaft verloren, was zeigt: Auch unter vorbildlichsten Bedingungen – Jugendstadtrat und Bürgermeister besprechen gemeinsam vor der Stadtratssitzung, was relevant sein könnte; die Jugendlichen sind bunt gemischt; die Betreuung ist hauptamtlich – kann was schiefgehen, wenn Erwachsene schlicht nicht kapieren, was Jugendlichen auf der Seele brennt.

Immerhin: Auf die jüngste Müllaktion schaut man in Schrobenhausen gern zurück. Auch Chris hat mitgemacht. Die Schrobenhausener Jugendstadträte tagen nämlich nicht nur regelmäßig. Sie ziehen auch Aktionen durch. Der Bürgermeister der Stadt, erzählt Chris, habe aktiv beim Müllsammeln angepackt. Das hat dem Schüler ganz offensichtlich imponiert. Auch politisch, findet er, lernt er in seinem Ehrenamt dazu. Im Schulunterricht kann er jetzt über Politik viel besser mitreden.

Gerade setzt sich Chris zusammen mit den anderen Jugendstadträten dafür ein, dass auf dem Skaterplatz die Rampen erneuert werden, damit sich keiner verletzt. Ist er zuversichtlich, mit dem Anliegen durchzukommen? Chris lacht. „Auf jeden Fall!“
(Monika Goetsch)

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