Politik

42 Prozent scheitern allein an der theoretischen Führerscheinprüfung. (Foto: dpa/Bernd Wüstneck)

15.03.2024

Junge und Alte im Visier

Warum fallen so viele durch die Führerscheinprüfung, und was ist dran am Vorwurf, Ältere seien ein Verkehrsrisiko?

Das Auto und der Führerschein haben viele emotionale Implikationen. Die Menschen verbinden damit Gefühle von Freiheit, Unabhängigkeit und Erfolg. Kein Wunder also, dass immer mehr Menschen den Führerschein machen – und behalten – wollen.

Im Jahr 2023 haben über 2 Millionen Menschen an theoretischen Führerscheinprüfungen teilgenommen, 1,7 Millionen an praktischen Tests. Allerdings ist mit der Zahl der Prüfungen auch die Quote derjenigen gestiegen, die durchfallen. Über alle Klassen haben 42 Prozent die theoretische Prüfung nicht geschafft, 30 Prozent sind in der Praxis gescheitert. Auch beim zweiten Versuch scheitern durchschnittlich 54 Prozent an der Theorie, 40 Prozent an der Praxis. Diese Zahlen hat Richard Goebelt vom TÜV nun präsentiert.

Die Zahl der Prüfungen und auch der hohe Anteil an Wiederholern sei eine zunehmende Belastung für das Prüfsystem, so Goebelt. In der Statistik zeigt sich allerdings eine Systematik: In ländlich geprägten Regionen sei die Motivation, den Führerschein zu bestehen, höher als in den großen Städten. So schaffen in Bayern die Menschen die Prüfung schneller als beispielsweise in Berlin.

Beim Pkw-Führerschein ist die Nichtbestehensquote mit etwa 50 Prozent am höchsten. Die besten Erfolge gibt es in den Klassen C und D, also bei Lkw und Bussen. Die Teilnehmer*innen an diesen Prüfungen hätten eine hohe Motivation durch ihre berufliche Perspektive mit dem Führerschein, erklärt Goebelt. Auch die Klasse BF17, das begleitete Fahren ab 17 Jahren, sei ein Erfolgsmodell. Hier beträgt die Quote der nicht bestandenen Prüfungen in der Theorie nur 38 Prozent, in der Praxis 49 Prozent. „Jüngere Menschen können ihre Leistungen besser abrufen bei den Prüfungen“, erklärt Goebelt.

Bei der Diskussion um Führerscheinprüfungen stehen meist zwei Gruppen im Vordergrund: die ganz Jungen und die ganz Alten. Beide gelten als besonders gefährdet – und besonders gefährlich.

Greisenhafte Geisterfahrer

Doch was ist dran an den Vorurteilen über jugendliche Raser und greisenhafte Geisterfahrer? Den tragischen Fall aus Berlin, bei dem ein 83-Jähriger eine Mutter und ihr vierjähriges Kind überfahren und getötet hat, kennt momentan die ganze Republik. Er ruft wiederholt Forderungen nach Kontrollen älterer Fahrer*innen auf den Plan. So wollen die Grünen sogenannte Rückmeldefahrten zur Pflicht machen. Andere Parteien wie die SPD und die FDP setzen auf Freiwilligkeit bei der Überprüfung der Fahrtauglichkeit.

Schon jetzt können Autofahrer*innen beispielsweise beim ADAC solche Tests absolvieren. Beim Fahr-Fitness-Check begleitet eine Fahrlehrkraft eine Testfahrt, gibt Empfehlungen und spricht mögliche Probleme an. „Die Gefahr, durch so einen Test die Fahrerlaubnis zu verlieren, besteht nicht“, sagt Andreas Hölzel vom ADAC. Im Verhältnis zu ihrem Anteil an der Bevölkerung sind Seniorinnen und Senioren auch nicht häufiger an Unfällen beteiligt als andere Altersgruppen.

Beim TÜV plädiert man für frühzeitige Mobilitätserziehung schon in der Schule, zum Beispiel durch Fahrradtrainings. Fahrschulen sollten ihr Personal pädagogisch bilden und von Möglichkeiten wie E-Learning oder Simulatoren Gebrauch machen. Die Teilnehmenden hingegen sollten Lernstandsbeurteilungen aus der Fahrschule ernst nehmen und nicht darauf bauen, dass sie die Prüfung durch Auswendiglernen bestehen werden. So sei die Prüfung nicht (mehr) aufgebaut.

Ganz ähnlich sieht das Jens Ehbauer. Der Inhaber der Fahrschule Drivers Point in Regensburg hat sich zum Ziel gesetzt, „den Leuten das Autofahren beizubringen, nicht das Bestehen der Prüfung“. Seine Quoten sind deutlich besser als die des Bundesdurchschnitts; bei ihm fallen über alle Klassen hinweg nur etwa 20 Prozent durch. „Auf diese Zahlen bin ich trotzdem nicht stolz“, sagt er, „ich erreiche die jungen Leute nicht mehr.“ Viele hätten zu wenig Erfahrung im Verkehr und einen schlechten Orientierungssinn. Deshalb habe es sich auch so etabliert, dass viele Fahrschulen mittlerweile eine bestandene Theorieprüfung voraussetzen, bevor die erste Fahrstunde stattfindet. Davon sind oftmals bis zu 70 nötig, was den Preis für einen Führerschein in die Höhe treibt.

Ehbauer plädiert für mehr staatliches Engagement an Schulen und würde sich wünschen, dass Eltern mit ihren Kindern die Teilnahme am Verkehr aktiver gestalten und sich beispielsweise während der Autofahrten über Verkehrsschilder oder das richtige Verhalten auf der Straße unterhalten würden. Er nehme wahr, dass viele Menschen den Führerschein gar nicht mehr aus eigenem Antrieb machen würden. Viele kämen auf Druck der Eltern oder weil ihnen der Schein von der Arbeitsagentur oder dem Arbeitgeber nahegelegt würde. Das mache das Lernen schwierig.

Die Senioren-Thematik sieht er als zweischneidiges Schwert. Die meisten Älteren machten eher risikoarme Fahrten, eine regelmäßige Überprüfung der Fähigkeiten sei zudem eine finanzielle Frage.

Einige Neuerungen, die aus der Europäischen Union angestoßen werden, stehen auch noch an: So soll man in Zukunft mit dem Führerschein ab 17 europaweit mobil sein dürfen; bislang darf man damit nur in Deutschland fahren. Außerdem ist ein Pilotprojekt zum begleiteten Fahren ab 16 geplant, ebenso die Umstellung vom Kartenführerschein auf einen digitalen Führerschein. Dieser soll dann mit weniger Verwaltungsaufwand direkt nach dem Bestehen der Prüfung in eine App übertragen werden, sodass Fahrneulinge dann sofort durchstarten können. Vielleicht ist die digitale Verfügbarkeit ja dann der nötige Booster, um die Menschen für ihre Prüfungen zu motivieren. (Bianca Haslbeck)
 

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