Mittwochmorgen, Starnberg, Touristeninfo. Gerade stand ein Kunde in der Tür, der ein gebuchtes Ticket abholen wollte. Der Ticketverkauf läuft ja weiter, trotz Corona. Der Kunde hatte allerdings seinen Ausweis vergessen. Rein ins Haus kam er deshalb nicht. Um eine Lösung war man nicht verlegen. „Er musste halt übers offene Fenster bedient werden“, erzählt Klaus Götzl von der Gesellschaft für Wirtschafts- und Tourismusentwicklung im Landkreis Starnberg.
Keine Weihnachtsmärkte, 2G in Gastronomie und Hotellerie und seit Mittwoch auch 2G im Einzelhandel: Statt Vorweihnachtsstimmung regiert auf den bayerischen Shoppingmeilen Umständlichkeit. Jenseits der Lebensmittelläden und Buchgeschäfte, der Baumärkte, Schuhläden und anderer Geschäfte des täglichen Bedarfs muss jetzt, wer einen Laden betritt, ein gültiges Impf- oder Genesenenzertifikat und den Personalausweis bereithalten. Ungeimpfte sind damit vom Einkaufsvergnügen – von Click & Collect, also dem Abholen bestellter Ware, abgesehen – weitgehend ausgeschlossen.
Befürchtet wird in der Branche, dass darüber hinaus auch die übliche Laufkundschaft ausbleibt. Schon am vergangenen Wochenende sei die Kundenfrequenz stark zurückgegangen, erzählt Ulrike Seidlein vom traditionsreichen Möbel- und Textilienhaus Radspieler in München. Künftige Maßnahmen werfen bekanntlich ihre Schatten voraus. Seidlein zählt zwar weiterhin auf die Treue ihrer Stammkundschaft, vermutet aber, dass die 2G-Überprüfung all die anderen abhält, die sonst einfach mal ins Fenster schauen, was Schönes sehen und reinschneien. „Man ist nicht mehr so unbeschwert.“
Online-Dienste im Glück
Weihnachtliche Vorfreude, glitzernde Anregungen, Spontankäufe: Das kennzeichnet das Konsumverhalten normalerweise in der Vorweihnachtszeit. Anders dieses Jahr. „Was uns umtreibt, ist eine deutliche Kaufzurückhaltung“, sagt Reto Manitz vom Verein Erlebnis Nürnberg. Unsicherheit erlebt er sowohl bei der Kundschaft als auch bei den Händlern. Die Umsetzung von 2G sei mit vielen Fragen verbunden.
Sorgen macht dem Handel auch der nachgeschärfte Bußgeldkatalog. 5000 Euro sind fällig, wenn gegen eine der Corona-Regeln verstoßen wird. Eine empfindliche Summe. Hinzu kommt: Auch 2G ist nicht umsonst zu haben. Viele mittlere und größere Häuser sehen sich gezwungen, Sicherheitsdienste einzustellen, die den Eingang kontrollieren. Alle anderen stellen ihr eigenes Personal dafür ab. „Im Falle eines Falles muss eine Verkäuferin, der ein gefälschtes Zertifikat vorgelegt wird, dann das Hausrecht durchsetzen“, erklärt Manitz. Keine einfache Aufgabe. Sein Fazit: „Alle gehen davon aus, dass die Umsätze einbrechen werden.“
Profitieren dürfte dagegen der Online-Handel. Und weil ein gut funktionierender Online-Vertriebsweg teuer ist und der Preiskampf unerbittlich, gewinnen am Ende die großen Plattformen, bei denen die Geschäftsleute ihre Ware einstellen in der Hoffnung, nicht allzu viel Verlust zu machen.
Die Sorgen sind also groß, deshalb muss Wolfgang Puff vom Handelsverband Bayern HBE erst mal kräftig ausschnaufen, bevor es mit dem Gespräch am Telefon losgeht. „2G trifft den Falschen“, sagt er. „Wir sind nicht der Pandemie- oder Infektionstreiber.“ Die losen, vorübergehenden Begegnungen mit den Kunden? Aus seiner Sicht ungefährlich, man trägt ja Maske. „Ansteckungen erfolgen im Privaten, wo Menschen eng zusammen sind, nicht in einem Textildiscounter“, sagt er.
Dass die politische Entscheidung, den Ungeimpften das Leben schwer zu machen, etwas nützt, bezweifelt er. „Die Ungeimpften werden 2G im Einzelhandel nicht zum Anlass nehmen, sich impfen zu lassen. Ein Teil der Gesellschaft erkennt einfach nicht an, dass man in schwierigen Zeiten seiner Verpflichtung gegenüber der Gesellschaft nachkommen und sich impfen lassen muss.“
Erst mal kommt es allerdings darauf an, 2G im Handel einigermaßen geschmeidig umzusetzen. Der Verein Erlebnis Nürnberg hat seinen 600 Mitgliedern empfohlen, die Kundschaft im Laden künftig noch aufmerksamer zu beraten und so mehr Umsatz zu generieren. Auch die Gastrobranche hofft, dass im Handel alles glatt geht. Denn eigentlich hängt ja alles mit allem zusammen. „Nur wenn Einzelhandel, Gastronomie und Hotellerie gemeinsam agieren, kommen wir auf ein erfolgreiches Wirtschaften“, sagt Thomas Geppert vom bayerischen Hotel- und Gaststättenverband Dehoga.
Ein kleiner Lichtblick ist es daher für Bayerns Schneetourismus, dass 2G plus bei den Seilbahnen diese Woche wieder abgeschafft wurde. Apropos 2G plus: Sollten irgendwann weitere Verschärfungen drohen, würde 2G plus, also die zusätzliche Erfordernis, ein negatives Testergebnis vorzulegen, wohl dem Fass den Boden ausschlagen. „Das wäre eine Katastrophe“, sagt etwa der Starnberger Götzl. Geppert von der Dehoga sieht das ähnlich. So viele Schnelltests, wie bei 2G plus nötig wären: Das ließe sich gar nicht umsetzen.
Gut sei 2G plus allerdings, wenn ein Landkreis an der Tausenderinzidenz herumschlingere. Ist die Grenze mal gerissen, müssen die Hotelgäste bisher nämlich schleunigst das Zimmer räumen und nach Hause fahren. Könnte man dann, statt zu schließen, 2G plus einführen, hätten alle ein klein wenig mehr Planungssicherheit in unsicheren Zeiten. (Monika Goetsch)
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