Politik

Zeichen des Protests: Viele Menschen an Hochschulen stören sich am geplanten Genderverbot der Staatsregierung. (Foto: dpa/Marijan Murat)

16.02.2024

Keine Universität ist erpicht auf diese Regelung

Was denken eigentlich die Hochschulen über das von Ministerpräsident Söder angekündigte Genderverbot? Und gibt es dort wirklich Druck, die Gendersprache zu verwenden?

Ein Gespenst geht um in Bayern. Es ist die Angst davor, dass bei Zeitungen plötzlich Journalist:innen arbeiten, im Drogeriemarkt Kassierer*innen die Waren über den Scanner ziehen und an der Universität Professor_innen lehren und forschen. Um diesem Umstand vorzubeugen beziehungsweise ihn zu beseitigen, hat Ministerpräsident Markus Söder (CSU) angekündigt, das Gendern an bayerischen Schulen und an Universitäten verbieten zu wollen. Dabei erhält er Unterstützung von Wissenschaftsminister Markus Blume (CSU), der findet, dass „sprachliche Künstlichkeiten“ wie der Asterisk zur Kennzeichnung nicht binärer Personen oder das sich schon länger im Umlauf befindliche Binnen-I zu unterlassen seien.

„Gendern oder Nichtgendern fließt nicht in die Benotung ein“

Diese Pläne stoßen im akademischen Betrieb durchaus auf Verwunderung. Viele Universitäten verfolgen Gleichstellungskonzepte, die sich mittlerweile auch auf non-binäre Personen – also Menschen ohne weiblich-männliche Geschlechtszuordnung – erstrecken. Ein wesentlicher Teil hiervon ist die Verwendung sogenannter geschlechtergerechter oder geschlechtersensibler Sprache. Damit sollen Menschen, die in der Einteilung „weiblich oder männlich“ keinen Platz finden, sprachlich sichtbar werden. Momentan geschieht dies neben vielen anderen sprachlichen Formen häufig durch die Verwendung eines Doppelpunkts oder eines Sternchens im Wort, seltener durch einen Unterstrich.

Diese typografischen Neuheiten sind dem bayerischen Ministerpräsidenten und dem Wissenschaftsminister aber offenbar ein Dorn im Auge. Sie fallen für sie in eben jene Kategorie sprachlicher Künstlichkeit, die ausweislich der „Richtlinien für die Redaktion von Rechtsvorschriften“ der bayerischen Staatsregierung vermieden werden soll. Gleichwohl verlangt diese Richtlinie, dass alle Geschlechter angesprochen werden und schlägt dafür Paarformeln wie „Lehrerinnen und Lehrer“ oder geschlechtsneutrale Formulierungen wie „Lehrkräfte“ vor, ohne ins Detail zu gehen.

Diese Details finden sich dann in den Leitfäden der Universitäten. So empfiehlt die Broschüre der Universität Regensburg „Augenmaß“ und die Balance zwischen Kreativität und Verbindlichkeit, je nach Textsorte. Wie auch im Leitfaden der Julius-Maximilians-Universität Würzburg setzt die Regensburger Empfehlung auf die Variantenvielfalt, die die deutsche Sprache zur Verfügung stellt. Aus der Pressestelle der Uni Regensburg heißt es, dass für Lehrveranstaltungen Anredeformen empfohlen werden, die alle ansprechen. Was es hingegen nicht gebe, seien Regularien zur Verwendung von Genderformen in studentischen Arbeiten. „Gendern oder Nichtgendern fließt nicht in die Benotung ein. Es gibt keine über die Maßgaben des Ministeriums hinausgehenden Regularien“, teilt Pressesprecher Bastian Schmidt mit. Ähnliches kommt von der Uni Würzburg: „Studierende und Beschäftigte sollen keine Nachteile bei der Bewertung ihrer Leistungen fürchten müssen, wenn sie Formen nutzen, die sie als gendersensibel verstehen. Ebenso sollen Studierenden und Beschäftigten keine sprachlichen Formen abverlangt werden, mit denen sie sich nicht vorbehaltlos identifizieren können und die sie in ihre persönliche Sprache nicht übernehmen möchten“, teilt die dortige Pressestelle mit.

Diese angebliche Benachteiligung ist in der Diskussion aber immer wieder ein heißes Thema. Geschichten über schlechtere Benotungen aufgrund der Verwendung des generischen Maskulinums tauchen immer wieder als Argument für ein Verbot auf. Nur: Einen konkreten Fall kannte niemand. Gleichwohl begrüßt man an den Unis die Rücksicht auf verschiedene Personengruppen. Anja Schlömerkemper, Vizepräsidentin der Uni Würzburg und verantwortlich für Chancengleichheit, betont die Weltoffenheit ihrer Universität und sagt: „Vor diesem Hintergrund halten wir auch gendersensible Sprache für wichtig.“

Unterschieden wird an allen Universitäten zwischen eher informellen Texten wie Pressemitteilungen, Social-Media-Beiträgen oder Seminararbeiten einerseits und rechtsverbindlichen Texten wie Prüfungsordnungen andererseits. Letztere hielten sich an das amtliche Regelwerk des Rates für deutsche Rechtschreibung, wie es aus dem Wissenschaftsministerium vorgegeben sei.

Die Uni München verlinkt auf den offenen Brief gegen das Genderverbot

Für starre Regelungen wie eine Genderpflicht oder ein Genderverbot ist offenbar keine Universität zu haben. Die Ludwig-Maximilians-Universität in München hat auf ihrer Homepage gar den offenen Brief verlinkt, mit dem sich eine Reihe gesellschaftlicher Akteur*innen gegen das Verbot wendet. In Würzburg gilt das Gespräch über eine inklusive und respektvolle Weise, die Kommunikation zu gestalten, als ausdrücklich erwünscht. Ebenso in Regensburg: „Wir erleben hier in der Tat viele verschiedene Prozesse und nehmen wahr, dass unsere Universität an aktuellen Entwicklungen in diesem Bereich lebendig teilhat“, kommentiert die Pressestelle. Zur konkreten Form des Verbots und zu möglichen Sanktionen war aus dem Wissenschaftsministerium bislang nichts in Erfahrung zu bringen. (Bianca Haslbeck)
 

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