Politik

Mönch auf der Anklagebank. Er wurde freigesprochen. (Foto: dpa/Nicolas Armer)

26.04.2021

Kirchenasyl: Freispruch für Mönch

Ein Benediktinermönch wollte einen Flüchtling vor der Abschiebung bewahren und wurde dafür von der bayerischen Justiz angeklagt. Jetzt hat ein Gericht in dem Kirchenasyl-Fall entschieden

Als sich am Montag eine Gruppe von Benediktinermönchen im Sitzungssaal 102 des Kitzinger Amtsgerichts versammelte, deutete sich bereits an, dass dies kein gewöhnlicher Strafprozess wird. Einer der Ordensbrüder war angeklagt, weil er im vergangenen Jahr einem Flüchtling Kirchenasyl gewährt hatte (Az: 1 Cs 882 Js 16548/20). 

Als der 49-jährige Mönch am Vormittag - gekleidet in ein dunkles Gewand - neben seinem Verteidiger Platz nahm, wirkte er gelassen. Schließlich habe er doch nur einem jungen Mann in Not helfen wollen. Die Staatsanwaltschaft warf ihm dagegen "Beihilfe zum unerlaubten Aufenthalt" vor und forderte eine Geldstrafe von 2400 Euro.

Der Mönch, der die Flüchtlingsarbeit der Benediktinerabtei in Schwarzach am Main (Landkreis Kitzingen) koordinierte, nahm im vergangenen Jahr einen im Gazastreifen geborenen Flüchtling auf. Der 25-Jährige war einige Monate zuvor über Rumänien in die Europäische Union eingereist, wohin er - gemäß den Dublin-Regelungen - wieder abgeschoben werden sollte. Die Abtei gewährte ihm schließlich Kirchenasyl und verhinderte damit seine Abschiebung.

Der Angeklagte begründete dies im Prozess mit der schlechten Menschenrechtssituation in Ländern wie Rumänien und Ungarn. Den Flüchtlingen würden dort "körperliche Gewalt" und "Demütigung" drohen. In solchen Fällen sei das Kirchenasyl das letzte Mittel, um Unrecht zu verhindern. Es sei eine Gewissensentscheidung gewesen. "Wenn ich sehe, was manche Menschen erleiden, bin ich bereit, eine Freiheitsstrafe in Kauf zu nehmen", so der Mönch.

Schon vor dem Prozess kritisierten Kirchen und Flüchtlingsorganisationen, dass bundesweit nur die bayerische Justiz in dieser Härte gegen Geistliche und Ordensangehörige vorgeht. 2020 wurden nach Angaben des Justizministeriums 27 Verfahren wegen der Gewährung von Kirchenasyl im Freistaat eingeleitet. Das Bamf zählte im vergangenen Jahr bundesweit - für 506 Flüchtlinge - insgesamt 335 Kirchenasylmeldungen, 41 davon in Bayern.

Straftat ja, aber der Mönch habe ohne Schuld gehandelt

Als am Montag das Urteil schließlich verlesen wurde, atmeten die Ordensbrüder im Saal auf. Der angeklagte Mönch wurde freigesprochen. Zwar handele es sich um eine rechtswidrige Straftat, führte die Richterin aus, doch der Angeklagte habe ohne Schuld gehandelt. Er könne sich auf die durch das Grundgesetz garantierte Glaubens- und Gewissensfreiheit berufen. In diesem Fall wogen in ihren Augen die individuellen Grundrechte schwerer als das Strafmonopol des Staates.

Es ist das erste Urteil dieser Art in Bayern. Verteidiger Franz Bethäuser erhofft sich daher eine "Signalwirkung". Auch der angeklagte Mönch äußerte sich gegenüber der Deutschen Presse-Agentur: "Ich bin natürlich froh, dass es einen Freispruch gegeben hat. Mein christlicher Standpunkt war immer, dass man Menschen in Not eine Perspektive bieten muss."

Das Katholische Büro Bayern, die Kontaktstelle zwischen Kirche und Staat, ist erleichtert: "Es ist eine Bestätigung für unsere Linie", sagt die stellvertretende Leiterin Bettina Nickel. "Kein Gesetz ist perfekt. Es gibt Fälle, da ist das Kirchenasyl der letzte Notanker, um Menschen in Not zu helfen." Noch ist die Entscheidung allerdings nicht rechtskräftig. Innerhalb einer Woche kann die Staatsanwaltschaft Berufung oder Revision einlegen.

Zuletzt sorgte das Strafverfahren gegen Mechthild Thürmer, die als Äbtissin eines fränkischen Klosters drei Flüchtlinge vor der Abschiebung bewahren wollte, für bundesweite Schlagzeilen. Nach Angaben einer Sprecherin des Amtsgerichts Bamberg verzögert sich ihr Verfahren jedoch. Mit einer Verhandlung sei frühestens im Sommer zu rechnen. Der Grund: Einer der Flüchtlinge, dem Thürmer Kirchenasyl gewährte, hat in einem separaten Verfahren Revision eingelegt. Das Gericht will diese Entscheidung zunächst abwarten. Am 2. Juni muss sich außerdem eine Schwester des Klosters Oberzell vor dem Amtsgericht Würzburg verantworten.

Das Kirchenasyl, so schreibt es das Bamf, sei eine christliche Tradition zur "Vermeidung von besonderen humanitären Härten". Geistliche können schutzbedürftige Migranten, denen eine Abschiebung droht, übergangsweise in Pfarrhäusern oder Klöstern aufnehmen. Die Praxis ist jedoch umstritten. Kritiker wenden ein, dass die Kirchen damit die gesetzlichen Regelungen aushöhlen.

Die Behörden respektieren das Kirchenasyl grundsätzlich - allerdings unter Auflagen: Die Kirchen sind verpflichtet, in sogenannten Dublin-Fällen genau zu begründen, warum eine Abschiebung unzumutbar ist. Am Ende entscheidet das Bamf. Liegt aus Sicht der Behörde keine besondere Härte vor, müssen Migranten das Kirchenasyl innerhalb von drei Tagen verlassen. Oft harren sie jedoch weiter aus, denn nach sechs Monaten dürfen sie rechtlich nicht mehr abgeschoben werden.
(Moritz Baumann, dpa)

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