Politik

Bald darf man Lehrkräfte, Kita- und Pflegepersonal nach deren Impfstatus fragen – doch was folgt daraus? (Foto: dpa/Michael Kappeler)

17.09.2021

Komplizierte Sache

Impfauskunftspflicht: Noch sind viele Fragen offen

Sind Sie geimpft? Diese Frage dürfen Vorgesetzte künftig stellen. Jedenfalls in bestimmten Branchen. Das hat der Bundestag vergangene Woche beschlossen. Wie das bayerische Gesundheitsministerium der Staatszeitung bescheinigt, gilt die Auskunftspflicht für Beschäftigte in Kitas, Horten, Schulen, Ferienlagern, Seniorenheimen, Obdachlosen- und Asylbewerberunterkünften, Justizvollzugsanstalten. Und generell in „Einrichtungen, bei denen die Möglichkeit besteht, dass durch Tätigkeiten am Menschen durch Blut Krankheitserreger übertragen werden“.

Damit soll die in Deutschland lahmende Impfquote gesteigert werden. Tatsächlich ist vieles an der neuen Regelung völlig ungeklärt. Zum Beispiel an Schulen. Wie Lehrkräfte der Staatszeitung berichten, finden Impfabfragen an Schulen nicht statt. Denn ein Bundestagsbeschluss reiche dienstrechtlich nicht aus. Nötig sei eine wasserdichte gesetzliche Verordnung. Das bayerische Kultusministerium bestätigt: „Die Anwesenheit in der Schule setzt keine Impfung voraus – weder bei Schülern noch bei Lehrkräften. Es besteht für Schüler und Lehrkräfte hingegen eine Testobliegenheit.“ Getestet werden sollen Lehrkräfte laut Ministerium unabhängig vom Impfstatus – zweimal pro Woche. Lehrkräfte berichten dessen ungeachtet, dass Geimpfte eben keine Tests durchführen müssen.

Schwangere Lehrerinnen dürfen – selbst wenn sie geimpft sind – derzeit ohnehin keinen Präsenzunterricht erteilen und müssen daheimbleiben. Einige erteilen dann eben Online-Unterricht, vor allem in Fächern wie Physik oder Chemie, in denen Lehrkräftemangel besteht. Andere werden am heimischen Schreibtisch für schulische Verwaltungstätigkeiten eingesetzt. Gleiches gilt für Lehrkräfte, denen per Attest bescheinigt wird, dass aufgrund einer Vorerkrankung von einer Impfung abgeraten wird. Welche Aufgaben Schulleitungen diesen Lehrkräften zuweisen, dürfen sie selbst entscheiden.

Was tun mit Ungeimpften?

Das passt zur grundsätzlichen Direktive von Bayerns Kultusminister Michael Piazolo (FW), den einzelnen Schulrektor*innen vor Ort möglichst viel Gestaltungsspielraum zu lassen. Und das solle weiterhin gelten, bestätigt Piazolos Sprecher Zoran Gojic. Man sehe hinsichtlich Impfauskunft „für den Bereich der Lehrkräfte keinerlei Handlungsbedarf – gerade auch mit Blick auf das schon bestehende engmaschige Sicherheitsnetz und die im Übrigen hohe Impfbereitschaft unter Lehrkräften“. Wie viele der rund 150.000 Lehrkräfte im Freistaat geimpft sind, wisse man nicht.

Irritierend ist auch der unterschiedlich gestaltete Gesundheitsschutz von Schulen und Kindergärten. Während nämlich Eltern, die nicht unter 3G (geimpft, getestet, genesen) fallen, der Zutritt zur Schule verwehrt bleibt, dürfen Mamas und Papas ihre Zwergerl von der Kita sehr wohl abholen – und dafür die Kita betreten –, ohne dass sie einen entsprechenden Nachweis vorlegen müssen. Das sei inakzeptabel, findet Maria Magdalena Hellfritsch, Geschäftsführerin des Verbands katholischer Kindertageseinrichtungen in Bayern. Der Kita-Bereich betreffe schließlich wegen fehlender Kinderimpfstoffe „die aktuell vulnerabelste Gruppe in der Bevölkerung“.

Davon abgesehen sind die Kitas verärgert darüber, dass sie noch immer selbst für die Tests des Personals aufkommen müssen. Das liegt formal daran, dass Kitas zumeist in kommunaler Trägerschaft sind, der Freistaat also nicht zahlen muss; bei den Schulen, die Landeseinrichtungen sind, ist das der Fall. „Wir fordern, dass der Freistaat die Übernahme der tatsächlichen Kosten gewährleistet, damit die Pool-Testungen in allen Kommunen angeboten werden können“, sagt Hellfritsch. Derzeit bezahlen die Kitas die Tests für ihre Beschäftigten aus ihrem Etat – oder das Personal bezahlt Selbsttests privat.

Freiwillige Abfrage

Auch in Krankenhäusern ist die Abfrage des Impfstatus noch immer freiwillig. Weshalb unklar ist, wie viel medizinisches Personal immunisiert ist. Ob Kliniken in eine prekäre Lage kommen könnten, wenn sich herausstellen sollte, dass viele vom Personal keine Impfung aufweisen, ist Stand heute unklar. Ausgeschlossen ist es nicht. Im US-amerikanischen New York, wo die Auskunftspflicht bereits gilt, musste vergangene Woche eine Geburtsstation geschlossen werden, weil nicht genügend geimpftes Personal zur Verfügung stand.

Wie etwa die Danuvius Klinik GmbH mitteilt, die in Oberbayern mehrere psychiatrische Kliniken betreibt, habe eine auf freiwilliger Basis erfolgte Abfrage unter den Beschäftigten ergeben, dass 75 Prozent geimpft sind, sagt eine Sprecherin der Staatszeitung. Wendet man diese Quote auf andere Einrichtungen an, müssten diese ein Viertel ihres Fachpersonals von der Patient*innenbetreuung abziehen – oder täglich testen. Aufwendig ist beides.(André Paul)

 

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