China ist kein Partner mehr. So zumindest kann man ein vertrauliches 100-seitiges Papier aus dem Bundeswirtschaftsministerium interpretieren. Das inzwischen an die Öffentlichkeit gelangte Dossier ist gespickt mit Punkten, die der Wirtschaft nicht gefallen dürften. So sollen zum Beispiel Wirtschaftprojekte nicht mehr politisch flankiert werden. Auch der Status der Volksrepublik als Entwicklungsland soll entfallen. Und deutschen Unternehmen mit dominantem China-Geschäft sollen neue Berichtspflichten auferlegt werden. Mit all diesen Maßnahmen will Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) die deutsche Wirtschaft unabhängiger von China machen.
In Bayern könnte das den Autoproduzenten BMW treffen. Erst im Juni dieses Jahres haben die Münchner in Lydia, einem Stadtbezirk der Neun-Millionen-Metropole Shenyang im Nordosten Chinas, ein weiteres Werk eröffnet. Damit wächst die Produktionskapazität der BMW Group in der Volksrepublik auf 830 000 Fahrzeuge pro Jahr. Inwiefern Habecks Pläne die Geschäftsaktivitäten von BMW in China beeinträchtigen könnten, wollte ein BMW-Sprecher auf Anfrage der Staatszeitung nicht beantworten: „Bitte haben Sie Verständnis dafür, dass wir uns nicht an öffentlichen Spekulationen beteiligen. Sobald offizielle Dokumente oder Verlautbarungen seitens der zuständigen Ministerien vorliegen, werden wir diese prüfen und uns dann gegebenenfalls dazu äußern.“
Deutliche Ansage
Kein Problem mit einer deutlichen Ansage hat man dagegen beim Bayerischen Industrie- und Handelskammertag (BIHK). „Der Vorstoß des Bundeswirtschaftsministeriums mit seinen ,Internen chinapolitischen Leitlinien‘ zeigt einmal mehr die defensive Grundhaltung und das Durcheinander in der Bundesregierung. Er steht nun neben dem Entwurf der China-Strategie des Außenministeriums. Bei unseren Unternehmen sorgen diese Papiere nur noch für Kopfschütteln und Verunsicherung“, sagt BIHK-Hauptgeschäftsführer Manfred Gößl.
Genau diese Verunsicherung, die auch Deutschlands Partner in Europa und den USA trifft, braucht niemand. Ebenso wenig wie zusätzliche bürokratische Berichtspflichten, wie im Papier des Bundeswirtschaftsministeriums genannt. „Diese lehnen wir entschieden ab. Es ist völlig unklar, wofür diese Angaben verwendet werden sollen“, so Gößl.
Im Unklaren ist auch Habecks Plan, chinesische Firmen bei Aufträgen für kritische Infrastruktur auszuschließen. Das könnte zum Beispiel den chinesischen Hersteller Huawei treffen. Ob davon deutsche Unternehmen profitieren werden, ist offen. Beim Münchner Telekommunikationsunternehmen M-net, das als Netzbetreiber und Betreiber kritischer Infrastruktur aktiv ist, sei man auf einen funktionierenden Wettbewerb in der Zulieferung von Technikkomponenten angewiesen. „Eine Anbieterdiversifizierung in der Supply Chain ist aus unserer Sicht daher wichtig, um Abhängigkeitsrisiken von einzelnen Herstellern zu minimieren und Produktverfügbarkeiten sicherzustellen. Deswegen stehen wir grundsätzlich für offene Märkte, die einen lebhaften Wettbewerb und damit auch eine angemessene und marktgerechte Preisbildung garantieren“, so M-net-Pressesprecher Hannes Lindhuber. Bevor es zum Ausschluss konkreter Anbieter oder Regionen kommt, müsste ein solcher funktionierender Wettbewerb aber auf anderem Weg sichergestellt sein.
Wichtigster Handelspartner
China ist in den letzten Jahren zum wichtigsten Handelspartner der bayerischen Wirtschaft geworden. 2021 summierte sich das Handelsvolumen Bayerns mit der Volksrepublik auf 42,2 Milliarden Euro, so ein aktuelles Positionspapier der Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft (vbw). Das sind 10,5 Prozent des gesamten Außenhandels des Freistaats. China ist Bayerns größtes Lieferland und nach den USA der zweitgrößte Exportmarkt.
Darum ist für die Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft klar: „Entscheidend ist es, dass wir einseitige Abhängigkeiten reduzieren und künftig vermeiden. Dies gilt in besonderem Maße für Länder wie China. Die Volksrepublik ist Wettbewerber, gleichzeitig aber ist und bleibt China Handelspartner und bietet als dynamisch wachsender Absatz- und Beschaffungsmarkt Potenziale für bayerische, deutsche und europäische Unternehmen.“
Die Bundesregierung sollte gemeinsam mit den Unternehmen Ideen zur Stärkung Deutschlands in diesen Zeiten des Umbruchs entwickeln. Das Wichtigste dabei ist der ausreichende Praxisbezug. Einen so großen Markt wie China kann man nicht einfach „wegdiversifizieren“. „Wenn die Politik das Erschließen neuer Märkte durch deutsche Unternehmen fördern will, ist dies im Rahmen der Außenwirtschaftsförderung möglich und sehr willkommen“, sagt BIHK-Chef Gößl. So könnten neue Freihandelsabkommen ohne jahrelange politische Blockaden abgeschlossen, Messebeteiligungsprogramme für neue Märkte aufgestockt und neue Technologien gefördert werden, mit denen künftige Exportschlager wie Wasserstofftechnologie oder künstliche Intelligenz entwickelt werden können.
(Ralph Schweinfurth)
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