Politik

Ein Blick in das Münchner Nationaltheater in Vor-Corona-Zeiten. Aktuell dürfen dort nur 100 Menschen Platz nehmen. (Foto: dpa/Sven Hoppe)

10.07.2020

Lasst endlich mehr Publikum zu!

Corona-Terminator Markus Söder schadet mit seiner rigiden Politik der Kultur

Er findet gerne deutliche Worte. „Ein Theater ohne Publikum ist tot.“ Mit diesem Satz hat sich Nikolaus Bachler, Intendant der Bayerischen Staatsoper, in die vorgezogene Sommerpause verabschiedet. Josef Köpplinger, sein Amtskollege vom benachbarten Gärtnerplatztheater, formuliert es etwas moderater, meint aber dasselbe. „Das Schlimmste für Theater ist ein geschlossenes Theater.“

Damit ist das gegenwärtige Hauptproblem im Kulturbetrieb des Freistaats klar umrissen. Zwar ist die unsinnige bayerische Maskenpflicht für das am Platz sitzende Publikum Ende Juni gefallen, aber: Was nützt das, wenn nur 200 Menschen (in Innenräumen) oder höchstens 400 Menschen (außen) eine Aufführung besuchen dürfen? In ihrer Starrheit ist auch diese Regel weder logisch noch gerecht.

Immerhin: Das ist mehr als zuletzt. Da wurden für Kammerkonzerte in kleineren Sälen 50 Besucher*innen zugelassen. Im riesigen Nationaltheater Münchens, einem der größten Opernhäuser der Welt, durften bisher 100 Menschen Platz nehmen: öde Leere, pure Begräbnisstimmung. Wo ist da die Relation und Verhältnismäßigkeit? Warum wird nicht die jeweilige Raumgröße als Grundlage für die Anzahl von Publikum herangezogen?

Die jetzige Norm lässt Sinn und Sinnlichkeit vermissen. Beides ist lebensnotwendig für jede Kunst. Wie sehr die Aufführungskünste im „Kulturstaat Bayern“ derzeit sträflich ausgebremst werden, zeigt auch ein Blick in benachbarte Regionen. So war die Operndiva Anna Netrebko schon Mitte Juni an der Dresdner Semperoper in Giuseppe Verdis Don Carlo zu erleben: vor 330 Zuhörern.

In der Schweiz sind seit Mitte Juni bis zu 1000 Menschen in Aufführungen erlaubt. Zwar gelten Abstands- und Distanzregeln, aber: Die Maskenpflicht gilt nicht am Platz. Selbst in Österreich, das große Vorbild für den obersten Corona-Terminator Markus Söder, sind längst 250 Gäste in geschlossenen Räumen zugelassen. 

Immerhin: Es kursieren Gerüchte, wonach bereits an Hygienekonzepten für Veranstaltungen mit rund 900 Menschen gewerkelt wird. Vonseiten des Kunstministeriums ist hierzu nichts Konkretes zu hören. Die Situation werde wöchentlich überprüft, man agiere vorausschauend. Weitere Lockerungen würden jeweils von der Staatskanzlei kommuniziert. In der Kunst und Kultur gleicht das Tempo der Anpassungen dem von Schildkröten beim 100-Meter-Lauf.

Doch die Zeit drängt. Bald beginnt die neue Spielzeit: mit wie viel Publikum, bleibt vorerst ein Ratespiel. Flugzeuge dürfen hingegen durch die Welt düsen, vollbesetzt mit Passagieren in beengten Röhren. Mit dem rechtsstaatlichen Grundsatz der Gleichbehandlung hat das nichts zu tun. Dagegen könnten die öffentlichen Kunstinstitutionen gemeinsam klagen. Allerdings müssten sie gegen ihre eigenen Geldgeber vorgehen. Und das traut sich niemand. (Marco Frei)

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